Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → COMIC

MARVEL-BROKER/023: Die Fantastischen Vier & die Rächer - Heldenfall 3


Brian M. Bendis, Chris. Priest, Mark Ricketts, Mark Waid, David Finch, Joe Bennett, Tony Harris, Mike Wieringo


Die Fantastischen Vier & Die Rächer: Heldenfall 3



Bis zur bitteren Neige

WARNUNG! Für die Leser, die Heldenfall 3 noch nicht kennen: In diesem Artikel werden Namen und Inhalt gekürzt preisgegeben, die für den Spannungsbogen des Heftes relevant sind. WARNUNG!

Nach den Tod von Jack of Hearts, Ant-Man II und Vision muß ein weiterer Held der Rächer dran glauben. Das Schicksal schlug erneut zu, als bei einen erneuten Angriff auf das Rächer- Hauptquartier der Lebensfaden des langjährigen und bei den Fans sehr beliebten Hawkeye, Mitglieds des berühmten Heldenteams, zerrissen wurde. Diesmal sind die Angreifer keine Ultron-Roboter, sondern die außerirdischen Kree, mit denen die Rächer in der Vergangenheit schon des öfteren so manche Schlacht geschlagen hatten. Ein heftiger Kampf entbrennt, auf der einen Seite die Rächer samt all ihrer Reservisten und auch Freunde, wie die Spinne oder gar die Fantastischen Vier, auf der anderen Seite die Soldaten der Kree mit ihren Raumschiffen, die die Technik und die Mittel haben, ganz New York in Schutt und Asche zu legen. Und doch bekämpfen die Kree, die von der irdischen Luftkontrolle nicht erfaßt werden können, nur die Rächer, weil diese angeblich die Kriegerrasse der Kree beleidigt haben.

Inmitten des Schlachtgetümmels wird der langjährige Rächer Hawkeye von einem Energiestrahl der Kree getroffen, und sein Köcher mit den Explosivpfeilen wird dabei in Brand gesetzt und droht ihn und seine Kameraden in die Luft zu sprengen. Ob der Held bereits dabei verletzt wurde, bleibt offen, auf jeden Fall wußte er, daß er dem Tod nicht mehr von der Schippe springen konnte. Damit sein Ende nicht sinnlos ist, fügt er den Feinden eine empfindliche Niederlage zu, indem er das Trägerraumschiff der Kree in einer gigantischen Explosion zerstört. Ob die Explosion des Mutterschiffes von der Detonation seiner Sprengstoffpfeile hervorgerufen wurde, wird der Leser leider nie erfahren, doch eines scheint sicher: Hawkeye starb, wie er gelebt hatte - als Held.

Doch gerade Helden pflegen sinnlos zu sterben. Viele US-Leser protestierten entrüstet bei Marvel, weil sie den Tod ihrer Lieblingsfigur für überaus sinnlos hielten. Und sie hatten damit durchaus recht, denn der Autor Brian M. Bendis tötete den beliebten Rächer ausschließlich aus einen Grund: Damit seine Story "Heldenfall" um den Niedergang der Rächer zum tragischsten Ereignis in der Historie dieses Heldenteams werde, dachte er, die Spannung der Geschichte nur dadurch steigern zu können, indem er nicht nur mehrere Rächer in Folge sterben ließ, sondern auch noch die bei den Fans besonders beliebten Helden. So versucht sich also der Autor auf Kosten langjähriger Teammitglieder zu profilieren, Helden, die weitaus länger ihren "Job" machen, als der Autor den seinigen. Und der Neue im Kreativteam bei Marvel bricht mit einer unausgesprochenen Tradition im Genre des Heldencomics, daß weder die Helden noch die Schurken die Bühne endgültig verlassen. Und all das nur, weil er etwas Neues erschaffen wollte, was ja durchaus in Ordnung ist. Doch warum muß dabei das Alte zerstört werden, wie es der Autor wohl für unerläßlich hält? Und wenn man dann im Heldenfall 4 den wirklichen Grund für den Niedergang der Rächer erfährt, kann sich der Fan nur kopfschüttelnd fragen, ob es für diese profane Begründung wirklich notwendig war, so viele altgediente Recken über die Klinge springen zu lassen. Für Bendis diente die Geschichte "Chaos" im Heldenfall nur als Prolog für den Start der Serie "New Avengers", also für die Erschaffung der "Neuen Rächer".

Also muß Bendis im nächsten Heft einen Sündenbock präsentieren, der die Hauptschuld am ganzen "Chaos" tragen soll. Hinweis gibt das Auftauchen des sauberen Magiers Dr. Strange, der den Leser mit "dem Holzhammer" auf die "richtige" Spur bringt, indem er als Ursache für den Heldenfall der Rächer den Mißbrauch von Magie verantwortlich macht. Gleichzeitig wird die gesamte Story mit einer scharlachroten Hintergrundfarbe belegt, so daß nur die farbenblinden Leser eins und eins nicht zusammenzählen können.

Neben der Farbe, die jedoch nur in der einen Geschichte präsent ist, verteilt sich über alle Stories hinweg etwas völlig anderes, das jedoch permanent an Präsenz gewinnt. Immer mehr schleichen sich administrative Komplexe in Bild und Sprache in die Marvel Comics ein. Soldaten und diverse Geheimdienste gehören bald zum normalen Erscheinungsbild, ebenso die Bezeichnung "Soldat", wie sie gerne von Nick Fury und auch Captain America verwendet wird. Aus den ehemaligen Kree-Krieger werden nun Kree-Soldaten, und Soldaten, ausgestattet von der Rüstungsfirma "Stark", sollen den Gewinner aus dem Kampf Iron Man vs. Tony Stark eliminieren. Letztendlich exekutieren sie in der Story "Singularität" den Rüstungfabrikanten Ward, und zwar öffentlich in den USA. Und auch die UNO kriegt ihr Fett weg. Mit der stehen die USA bekanntlich real auf Kriegsfuß, was spätestens mit dem Krieg gegen Irak für die Weltöffentlichkeit nicht mehr zu übersehen war. Die Mißachtung der UNO durch die Ernennung John R. Boltons zum UN- Botschafter der USA konnte nicht größer sein.

Daß US-Präsident George W. Bush ausgerechnet ihn am Kongreß vorbei ernannt hat, unterstreicht den erklärten Willen der Regierung in Washington, die Weltorganisation mit Brachialgewalt auf einen ihr genehmen Kurs zu zwingen und endgültig zum Instrument der eigenen Absichten umzufunktionieren. Bolton hat die UNO in der Vergangenheit heftig kritisiert und keinen Zweifel daran gelassen, daß sie völlig nutzlos sei, sofern sie nicht in Einklang mit US-Interessen stehe.

In diesem Heft wendet sich die UNO von den Rächern ab und fördert damit die patriotische Stimmung der Amerikaner, ganz im Sinne "wir gegen den Rest der Welt". Die langsame Militarisierung innerhalb der USA, wie beispielsweise durch den Heimatschutz oder der Nationalgarde, macht also auch vor den Comics nicht Halt.

Zurück zum Heldenfall: Im letzten Heft wird es noch mindestens einen Rächer ganz böse erwischen, wie es die obengenannten Hinweise unmißverständlich andeuten. Die Wahrheit liegt also nicht irgendwo da draußen, wie es "Akte-X"-Protagnist Fox Mulder gerne zu sagen pflegte, sondern in einer überlangen Ausgabe von Heldenfall mit 124 Seiten. Dort findet die Story "Chaos" ihren Abschluß, die ursprünglich in der amerikanischen Ausgabe "Avengers # 503" erschienen ist und mit der ergreifenden Erzählung "Avengers Finale" endet, die mit kurzen Impressionen durch die gesamte Geschichte der Rächer führt. Im September startet eine zweimonatliche, 52seitige Serie mit dem Titel "Spider-Man und die Neuen Rächer", in der die Neuen Rächer von Bendis und Finch auftreten werden.

Euer Marvel-Broker


Die Fantastischen Vier & Die Rächer: Heldenfall 3
Autoren: Brian M. Bendis, Chris. Priest, Mark Ricketts, Mark Waid
Zeichner: David Finch, Joe Bennett, Tony Harris, Mike Wieringo
Panini, Stuttgart, Juli 2005
100 Seiten, farbig, Softcover-Album, Kleinformat, 6,- Euro