Christopher Hart
Shojo - Mädchen-Mangas zeichnen und malen
Anleitungen zum Gestalten von frechen, liebenswerten und romantischen Figuren
Der Untertitel trifft es genauer: Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine Anleitung zum Zeichnen einzelner Figuren und nicht zum Zeichnen eines kompletten Mangas. Dies geschieht dafür um so gründlicher: Ausgehend von einfachen Grundformen beginnt der Autor Christopher Hart, Verfasser zahlreicher Comic- Zeichenlernbücher zu unterschiedlichsten Themen, mit dem Entwurf eines typischen Shojo-Manga-Köpfchens inklusive diverser Frisuren, verschiedener Kopfhaltungen und unterschiedlicher Gesichtsausdrücke. In anschaulichen Zeichnungen folgen die Anatomie männlicher und weiblicher Körper, Körper- und Handhaltungen, Bewegungsstudien, Gestik, perspektivische Verkürzungen, Licht und Schatten - immer bezogen auf die Figur - Accessoires, Kleidung, Maskottchen, die Shojo-typischen "Bishies" (schöne Jünglinge), Zaubermädchen und -jungs, sowie ein Kurzüberblick über verschiedene Shojo-Stile wie Fantasy, Horror, Sport, Historie, Alltagsdramen, Schulgeschichten usw. Und die aus Shojo-Mangas nicht wegzudenkenden "Chibis", verkleinerte Niedlich- Versionen großer Figuren mit Baby-Proportionen, die, so Christopher Hart, in vielen Manga-Zeichenbüchern fehlen, haben ein eigenes Kapitel bekommen.
Wer jedoch nicht nur niedliche Figuren mit großen Augen zeichnen, sondern vielmehr eine eigene Geschichte in Szene setzen will, kommt mit "Shojo - Mädchen-Mangas zeichnen und malen" nicht sehr weit, denn die Frage, wie man seine Kreationen zu einer überzeugenden Story zusammenfügt, wurde komplett ausgespart. Nicht einmal die Gestaltung eines einzelnen Panels wurde thematisiert, ebensowenig wie Texte, Schriftgestaltung, Lautworte, unterschiedliche Formate, Bildrahmen oder Perspektiven. Was erzielt man beispielsweise für eine Wirkung, wenn der Rahmen besonders dick ist, offen bleibt oder unregelmäßig geformt ist? Welchen Eindruck hinterläßt ein Bildformat, das quer über das Blatt ausgerichtet ist, und wie kann man mit einer bestimmten Perspektive den dramatischen Effekt steigern? Jede Menge Fragen, mit denen sich ein (künftiger) Manga- Zeichner beschäftigen sollte, da alle Effekte, die ein Comic beim Leser hervorruft, selbstverständlich nicht zufällig entstehen, sondern genauestens geplant und entsprechend umgesetzt werden müssen. Und das Rüstzeug dazu gilt es, sich zu erarbeiten - wobei eine fachmännische Hilfestellung angesichts der zahlreichen zu bedenkenden und beachtenden Faktoren ausgesprochen nützlich ist, will man, daß der eigene Comic auch andere anspricht und bei den etwaigen Lesern auch genau die Reaktion hervorruft, die man beabsichtigt hat.
So steht am Beginn der Gestaltung eines eigenen Comics nicht nur die Entwicklung der Hauptfiguren, den tragenden Elementen der Geschichte. Es ist ebenso wichtig, den Unterschied von Haupt- und Nebenfiguren zu verdeutlichen, wobei beispielsweise die Verwendung eines geschriebenen "Steckbriefs", um seine eigenen, meist noch recht vagen Vorstellungen der Nebenfiguren zu konkretisieren, sehr hilfreich ist. Auch muß man sich vorher Gedanken etwa über die Länge der geplanten Geschichte machen; um sich Enttäuschungen über eine zu laue, langatmige Geschichte zu ersparen, sollte man zunächst überprüfen, was die Idee, die man verfolgt, überhaupt hergibt. Vielen hilft hier die Empfehlung, einfach nach seiner Neigung vorzugehen, also entweder erst Bilder zu machen und daraus die Ideen zu einer Geschichte zu entwickeln, oder umgekehrt, je nachdem, was einem leichter fällt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, zu einer übersichtlichen Konzeption zu kommen, wie Scribbles, Skizzen, Scripts oder Storyboard. Nun, dies alles - und es handelt sich nur um einige Beispiele dessen, was bei der Gestaltung eines Comics oder Manga beachtet werden muß, fehlt, lediglich das Thema "Sprechblasen" und "Farbgebung" (hier wird Computer-Kolorierung empfohlen) wurde mit einigen spärlichen Beispielen illustriert.
Trotz der genannten Abstriche bietet das Buch selbstverständlich jede Menge Anregungen. Ergänzt durch weitere Fachliteratur und das Studieren von Comics und Mangas, findet der Nachwuchszeichner hier ein weites Betätigungsfeld. Zumal die erste und oberste Direktive für den angehenden Comic-Zeichner ohnehin lautet, eigene Ideen zu entwickeln, kreativ zu werden und alles mögliche auszuprobieren.
Christopher Hart
Shojo - Mädchen-Mangas zeichnen und malen
Knaur 2005
144 Seiten, farbig, strapazierfähiger Softcover-Einband
21,5 x 28 cm, 14,90 Euro
ISBN 3-426-64195-X