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ANTIQUARIAT/025: "Der Skorpion" von Stéphen Desberg und Enrico Marini


Stéphen Desberg, Enrico Marini


Der Skorpion

Band 1 "Das Teufelsmal"



Rom um 1750. Ein Mann trotzt den wahren Herrschern der Welt. Sein Kampf führt ihn über die goldenen Dächer der Heiligen Stadt, in die mit Reliquien gefüllten dunklen Katakomben, aber auch in die päpstlichen Gemächer des Vatikans. Seine Methoden sind so ungewöhnlich wie seine Herkunft. Ein auf die Schulter gebrannter Skorpion erinnert ihn ewig an den Bund seiner Mutter mit dem Teufel ..."
Die Stadt versinkt im Chaos. Das Reich geht unter. Was wird aus uns? Ist dies vielleicht unsere letzte Versammlung?
Ich bin gekommen, um euch den Mann vorzustellen, auf den wir die kommenden Jahrhunderte aufbauen können. Dies ist der Nachfolger von Petrus ... Die Christen nennen ihn ... ihren Papst! Wenn wir wollen, dann erhebt sich aus der Asche des Römischen Reiches eine neue Welt, die Kirche! ... Geleitet von jener seltsamen wie genialen Erfindung.

Diese Ansprache eines Römers auf einer vor langer Zeit abgehaltenen Zusammenkunft von Vertretern der neun mächtigsten Familien dieser Stadt scheint eingeleuchtet zu haben, denn im Rom des 18. Jahrhunderts hat die Kirche ihren festen Platz. "Gewissen, von klein auf geschult, das Laster von der Tugend zu unterscheiden, um der Versuchung zu widerstehen und der Obrigkeit zu gehorchen! Was könnten sich jene, die diese Regeln niemals respektieren werden, besseres erhoffen?", hatte er bei jenem schicksalhaften Treffen weiter ausgeführt. In der Tat, man ist weit gekommen. Die im Hintergrund agierenden Familien halten nach wie vor die Fäden in der Hand. Eines wollen sie auf keinen Fall: Die Macht aus der Hand geben und auf ihre Privilegien verzichten.

Genau das droht ihnen jedoch, denn wie der Hohe Kardinal und Vorstand der Kongregation für die Glaubensdoktrin, Monsignore Trebaldi, erkannt hat und während einer Zusammenkunft der Familienvertreter betont, breitet sich bei den Völkern der Wille nach Selbstbestimmung aus. Um den Träumen nach Freiheit und Gerechtigkeit entgegenwirken zu können, so führt er weiter aus, bedarf es einer autoritären und diktatorischen Kirche, die er mit Unterstützung aller neun Familien zu schaffen gedenkt. Der Papst, schwach wie er ist, muß sterben, damit Trebaldi an seine Stelle treten kann - gewählt von jenen Kardinälen, die ihn entweder von sich aus unterstützen oder ihm aus Angst ihre Stimme geben. "Und wir werden auf immer die einzigen sein, die das Gesetz verspotten!", beendet er seine Rede.

Warum ihm bei diesem Vorhaben der angeblich mit dem Teufel gezeugte Armando Catalano, genannt der "Skorpion", ein Dorn im Auge ist, enthüllt der erste Band dieser neuen Serie noch nicht. Der gutaussehende Lebemann und Reliquienräuber, der auf seiner Schulter das eingebrannte Zeichen eines Skorpions trägt, hält sich zwar an den in den Katakomben eingemauerten sterblichen Überresten von märtyrerischen Heiligen schadlos, doch dürfte das allein nicht ausreichen, um das Todesurteil des mächtigen Trebaldi auf sich herabzubeschwören ...

Man merkt, daß mit Autor Stéphen Desberg und Zeichner Enrico Marini zwei Profis am Werk sind, die die Möglichkeiten des Genres gekonnt einzusetzen verstehen. Hier nur ein Beispiel: Über mehrere Seiten hinweg verlaufen zwei Erzählstränge parallel, für den Leser deutlich durch die unterschiedliche Farbgebung gekennzeichnet. Monsignore Trebaldis Besuch in der Kirche, bei dem er sich vom Priester die Existenz des Skorpions bestätigen läßt, ist in Grüntönen gehalten, während die Szenen, in denen der Skorpion in den Katakomben nach den sterblichen Resten des heiligen Alastor fahndet, sich in fackelerleuchtetem Rot abspielen. Obwohl die Schauplätze mitunter von Bild zu Bild wechseln und so auf beeindruckende Weise "Gleichzeitigkeit" suggerieren, weiß der Leser immer sofort, was sich wo abspielt. Als der Skorpion mit seiner Fackel ans Tageslicht tritt, kennzeichnet die Vermischung von grün und rot auf raffiniert in das Bild eingebundene Weise die Rückkehr der Handlung zu einem Erzählstrang.

Wie schon in seinen neueren "Gipsy"-Alben ist Enrico Marini darüberhinaus die Verschmelzung von skizzenhaft gehaltenen, in zarten Aquarelltönen kolorierten Landschaften, Stadtanlagen und Interieurs mit den im Vordergrund agierenden Figuren gelungen. Ein gelungener Auftakt zu einer neuen Serie, der Lust auf eine Fortsetzung macht. Nicht nur für Mantel und Degen-Fans.


Stéphen Desberg und Enrico Marini
Der Skorpion (1) "Das Teufelsmal"
Carlsen Verlag, Hamburg, Juni 2001
56 Seiten, Softcover, farbig
ISBN 3-551-74941-8