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ANTIQUARIAT/106: "Bouncer" von Alexandro Jodorowsky und François Boucq (SB)


Alexandro Jodorowsky, François Boucq


Bouncer

Band 2 "Die Gnade der Henker"



Der Autor Alexandro Jodorowsky und der Zeichner François Boucq haben sich an ein neues Genre herangemacht und gemeinsam einen Western inszeniert, den Zweiteiler "Bouncer". Keine idealisierten Helden, keine falsche Nostalgie, den Westen der Vereinigten Staaten in seiner ursprünglichen Härte wollten sie zeigen.

Nun ja ...

Wem das erste Album nicht bekannt ist, der muß beim zweiten mitten in die Geschichte einsteigen, was aber - hierfür ein Pluspunkt - nicht schwerfällt, obwohl man über eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse natürlich dankbar gewesen wäre. Einige dürftige Informationen zu dem im Mai 2002 erschienenen ersten Band liefert das Egmont Ehapa-Magazin (Ausgabe Frühling-Sommer 2002): "Der Amerikanische Bürgerkrieg ist gerade beendet und das Land steht noch immer unter Schock. Die drei von Dorman Brüder, der Priester, der Soldat und Bouncer, sind auf der Suche nach einem legendären Diamanten - ihre Suche wird das majestätische Panorama des amerikanischen Westens mit Blut tränken ..."

Im zweiten Band hat sich jener Bouncer unterdessen von seinen Brüdern getrennt und auf die Seite der Guten geschlagen. Er hat sich seines jungen Neffen Seth angenommen, der den Tod seiner Eltern rächen will, die bei einem brutalen Überfall eben jener Dorman-Brüder umkamen, und bringt ihn nun zu seinem Meister, einem Mann namens "Crazy Butterfly", der ihn einst die Kunst des Tötens lehrte. Doch sie kommen zu spät - "Crazy Butterfly" liegt im Sterben und Bouncer muß nun selbst zum Lehrmeister des Jungen werden. Eine Reihe von zum Teil lebensgefährlichen Prüfungen erwartet Seth, die dieser, beseelt von seinen Rachegefühlen, allesamt bewältigt. Nach längerer Zeit kehren die beiden in die Stadt zurück, wo sich inzwischen einiges getan hat. Zum einen haben die van Bohlen-Brüder im "Infierno Saloon" das Regiment übernommen und Bouncer, der dort normalerweise als Aufpasser arbeitet, muß erst einmal aufräumen; zum anderen ist eine junge neue Lehrerin angekommen, in die sich Seth prompt verliebt. Als er erfährt, daß die junge Frau ausgerechnet die Tochter des verhaßten Ralton, des Mörders seiner Eltern ist, weiß er nicht mehr, was er tun soll. Tötet er Ralton, verliert er Deborahs Liebe, tötet er ihn nicht, verliert er seine Selbstachtung. Doch Bouncer weiß Rat ...

Am Ende ist Ralton tot, Seth bekommt seine Deborah und es wird sogar noch der verfluchte Diamant gefunden, mit dem die Geschichte ihren Ausgang nahm.

Man kann davon ausgehen, daß der "amerikanische Westen", so es ihn überhaupt gegeben hat, nicht im entferntesten Ähnlichkeit mit den in "Bouncer" dargestellten Verhältnissen hat. Das Szenario wirkt eher wie eine aus Filmen, Büchern und Museumsartefakten zusammengestellte und mit einem kräftigen Schuß Karl May- und Lederstrumpf-Romantik gewürzte Wildwest-Phantasie, allenfalls die Landschaften können vielleicht als "authentisch" gelten.

Ungetrübter Lesegenuß kommt eigentlich nur dort auf, wo es gelingt, über die merkwürdig geschliffene Sprache und das hoffnungslos klischeeüberladene Szenario hinwegzublicken. Denkt man sich dann auch noch die coole Sonnenbrille (!) weg, mit der der Zeichner seinen Oberschurken ausgestattet hat, kann man die ausgefeilten und sowohl vom grafischen als auch vom Gesichtspunkt der inhaltlichen und stimmungsmäßigen Dichte her sehr gelungenen Zeichnungen und Seitenkompositionen durchaus genießen.

Für Western-Fans, die einfach Spaß an diesem Genre haben und nicht auf den unerfüllbaren Anspruch einer fiktiven "Ursprünglichkeit" aus sind, also durchaus zu empfehlen!

Mittlerweile sind fünf Bände dieser Serie erschienen.

24. November 2008


Bouncer (2) "Die Gnade des Henkers"
von Alexandro Jodorowsky und François Boucq
Ehapa Comic Collection, März 2003
56 Seiten, Hardcover, 12,- Euro
ISBN 3-7704-2808-0