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ANTIQUARIAT/128: "Stille Brüller" von Sergio Aragonés (SB)


Sergio Aragonés


Stille Brüller



"Stille Brüller" heißt ein Sammelband mit Onepagern aus der Feder des bekannten spanisch-mexikanischen Meister-Cartoonisten Sergio Aragonés, der im Juli 2000 "direkt aus den US-Bestsellerlisten" im Stuttgarter Dino Verlag erschien. Wenn auch der Titel, der Bezug darauf nimmt, daß Aragonés' Comics ohne Worte auskommen, etwas merkwürdig erscheint (im amerikanischen Oroginal heißt es treffender "Louder than words"), ist dafür alles andere umso gelungener. Das liegt natürlich in erster Linie am Maestro selbst, der hier in bewährter Manier seine spitze Feder führte.

Nicht nur für Freunde der Satirezeitschrift "MAD" gilt Sergio Aragonés seit etlichen Jahren als Inbegriff des schnellgezeichneten Gags. Er versteht es, die Dinge auch ohne Worte für jedermann verständlich und prägnant auf den Punkt zu bringen. Sein Markenzeichen sind die von skurrilen Gestalten und witzigen Details nur so strotzenden Wimmelbilder. Und so erblickt der Betrachter schon auf dem Titelbild dieses Albums mehrere Hundertschaften seiner Geschöpfe in den aberwitzigsten Posen und Verkleidungen.

Bei Aragonés Gags ist der Leser gefordert - mal mehr, mal weniger. Viele der Onepager sind Selbstgänger, die sich dem Betrachter auf den ersten Blick erschließen, doch bei einer ganzen Reihe der kleinen Begebenheiten kommt es darauf an, auch kleinste Details oder Gesten zu beachten, um die Pointe zu erfassen, wie etwa in der Episode mit dem Kunstspringer: Nach einem - wie man an den gleichgültigen Gesichtern der Prüfer erkennen kann, nur leidlich gelungenen Sprung - halten diese ihre Tafeln mit den Punktzahlen hoch. 10, 5, 4, 5, lautet die Bewertung. Der Schwimmer steigt aus dem Becken und geht fort. Wo steckt da der Witz, fragt sich der Betrachter. Bei genauerem Hinsehen stellt man dann zu seinem größten Vergnügen fest, daß einer der Kampfrichter, derjenige, der im Unterschied zu den anderen die Note "10" vergab, und, wie nun weiter auffällt, in den ersten Bildern nicht zu sehen war, eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Schwimmer besitzt - es ist sein Bruder!

Erstaunlich ist es auch, wie Aragonés es versteht, seine mit wenigen Strichen skizzierten Geschöpfe - sei es nun Mensch oder Tier - mit so viel Ausdruck in Gestik und Körperhaltung zu versehen, daß sich der Betrachter "wie von selbst" ganze Geschichten dazu ausdenkt, die dann anstelle der Worte in Sprechblasen treten. Daß Aragonés die Ausdrucksmittel der Körpersprache so exzellent zum Einsatz bringt, kommt nicht von ungefähr: Er interessierte sich von klein auf an für pantomimische Darstellung und lernte selbst Pantomime bei Marcel Marceau.

Ein Vorwort von Sergio Aragonés und ein mit weiteren Skizzen von Aragonés illustrierter Beitrag des Redakteurs des amerikanischen Originals runden dieses gelungene und empfehlenswerte Album ab, an dem man sich stundenlang ergötzen kann, und das, wie man so schön zu sagen pflegt, "in keiner Comic-Sammlung fehlen sollte".


Sergio Aragonés wurde 1937 in Spanien geboren und wuchs in Frankreich und Mexiko auf. Er studierte Architektur und besuchte zur gleichen Zeit Kurse des Pantomimen Marcel Marceau. Anfang der 60er Jahre zog er nach New York, wo er für das MAD-Magazin zu arbeiten begann. Er erfand die "marginal thinkings", winzige Gags, die sich an den Seitenrändern des Satiremagazins tummelten. 1982 schuf er "Groo den Wanderer", eine unterhaltsame Parodie auf Conan und ähnliche Fantasy-Helden.

21. September 2009


Stille Brüller
von Sergio Aragonés
Dino Verlag Stuttgart, Juli 2000
160 S., Softcover, Kleinformat, damaliger Preis DM 16,90
ISBN 3-89748-255-X