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FILM/592: Zeichentrickfilmer Curt Linda gestorben (SB)


Individualist am Zeichentisch


Bis er 1998 sein Studio aufgab, galt Curt Linda als einziger freier Trickfilmer der Bundesrepublik mit durchgängigem Produktionsbetrieb. Mit ihm ging eine Ära zu Ende. Es ist bezeichnend, daß sein Rückzug aus dem Berufsleben kaum Beachtung fand. Am 30. April 2007 starb der Regisseur, Drehbuchschreiber und Produzent im Alter von 88 Jahren in Aschheim bei München.

Linda, der sich speziell der osteuropäischen Animationsfilmtradition verbunden fühlte, wollte nicht nur den Zeichentrickfilm einem erwachsenen Publikum zugänglich machen. Intelligente Unterhaltung mit gesellschaftlicher Stellungnahme, dabei zugleich einen Gegenentwurf zu der süßlichen Ästhetik des Disney-Kosmos zu liefern, das war sein Konzept, dem er seit 1961 treu blieb. So lehnte er auch lukrative Aufträge für Werbeproduktionen konsequent ab und hielt seine Linda-Film mit Geldern der Filmförderung und Aufträgen von öffentlich- rechtlichen Fernsehsendern wie ZDF und ORF am Laufen. So wurde unter anderem die 53teilige (und mittlerweile vielfach wiederholte) satirische Zeichentrickserie "Geschichten aus der Geschichte" (1972-76) - eine humorvolle Auseinandersetzung mit der antiken Sagenwelt - sowie die 13teilige Reihe "Opera presto" (1976/77) aus der Taufe gehoben, in der Opernklassiker parodiert wurden.

Bekannt wurde Curt Linda vor allem durch seinen 1969 entstandenen Film "Die Konferenz der Tiere" nach einer Vorlage von Erich Kästner. Unter anderem verfilmte er auch "Das kleine Gespenst" von Otfried Preußler (1992). Eine seiner letzten Arbeiten war der Kinder- und Märchenfilm "Die kleine Zauberflöte" (1997) nach der Oper von Mozart. Insgesamt zeichnete Linda die Vorlagen für rund 30 Trickfilme.

Im Zuge der immer mehr ins Feld drängenden Privatsender, die sich en gros mit preiswerten amerikanischen und asiatischen Zeichentrickserien eindeckten, zeichnete sich Anfang der 90er Jahre ein Ende der Zusammenarbeit mit den Öffentlich-Rechtlichen ab; zudem machten veränderte Produktionstechniken, die mehr und mehr auf preiswerte Computeranimationen zurückgriffen, es immer schwerer, sich auf dem Markt zu behaupten.

Bis zuletzt arbeiteten Curt Linda und seine Frau Barbara mit einer Riege hochqualifizierter Zeichner und stellten ihre Filme nahezu ausschließlich in Handarbeit her. Und das, obwohl die Linda-Film im Unterschied zu seit den 90er Jahren erfolgreichen deutschen Trickfilmern wie Eberhard Junkersdorf ("Die furchtlosen Vier") nie eine finanzielle Rückendeckung durch große Filmverleiher hatte. Linda, der 2001 für sein Lebenswerk mit dem Deutschen Filmpreis geehrt wurde, wollte keine Konzessionen bei der Stoffauswahl in Kauf nehmen und auch seine "sperrige" Ästhetik wäre bei einer derartigen Kooperation mit Sicherheit auf der Strecke geblieben.

10. Mai 2007