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NEUERSCHEINUNG/523: 03/06 · Simpsons Comics (113) "Wer nicht fragt..."


Ian Boothby, Phil Ortiz


Simpsons Comics (113)

"Wer nicht fragt ..."



Das ist so nett, daß ihr unser Familientreffen hier veranstaltet!
Und vielen Dank, Marge, für diese tollen selbstgenähten Kleider!
Oh, gern geschehen. Nähen ist manchmal eine angenehme Abwechslung von all dem Kochen und Putzen.
Wie schön für dich, Marge! Es ist so erfrischend, heutzutage noch eine ganz normale, traditionelle Hausfrau zu treffen!
Du bist so Retro!

Marge muß sich an diesem Tag so einiges anhören, was die erfolgreichen Simpsons-Frauen von sich geben und wirkt dabei zusehends deprimierter. Als Lisa zu allem Überfluß auch noch anmerkt: "Sind sie nicht wunderbar, Mom? Es ist so schön, Verwandte zu haben, zu denen man aufblicken kann!", ist sie vollends entmutigt. "Du hast mal mich bewundert", klagt sie. Aber Marge wäre nicht Marge, wenn sie angesichts dieses Erlebnisses die Flinte ins Korn werfen würde. Sie schreibt sich für einige Volkshochschul-Kurse ein, die auch bald verblüffende Wirkung zeigen, denn sie erwirbt nicht nur Kenntnisse in Geschichte, Mathe und Geographie, Marge lernt auch, besser mit ihrer Zeit zu haushalten und entfaltet eine verblüffende Effektivität. Als sie ihrer Familie wenig später jedoch einen lückenlosen, bis auf die Minute im voraus getimten Fünfjahresplan vorlegt, der die Aktivitäten sämtlicher Familienmitglieder umfaßt, wird es den anderen unheimlich. "Alles, was du vorher für uns getan hast ... das war vielleicht nicht immer effizient, aber dafür hast du es mit Liebe gemacht!", interveniert Lisa und fügt hinzu: "Mom, wir lieben dich genau so, wie du bist!" Darüber freut Marge sich natürlich. Doch nun gibt es ein neues Problem: Wie kann sie ihr aufgepepptes Gehirn wieder in normale Bahnen lenken? "Wenn es doch nur eine Methode gäbe, mich schnell wieder etwas dümmer zu machen." Da weiß Homer natürlich Rat: Nach einem langen, mit viel Duff-Bier verbrachten Fernsehabend ("Ich spüre schon, wie mein I.Q. sinkt"), den die Familie in überzeugend dargestellter, kollektiver Dumpfheit gemeinsam erduldet, ist alles wieder beim alten ...

Selbst, wenn Marge jetzt wieder "nur noch" eine einfache Hausfrau ist, braucht sie sich dessen nicht zu schämen, jedenfalls nicht bei den "Simpsons". In dieser Serie wird das Hausfrauendasein mit soviel Respekt geschildert wie bei kaum einer anderen Funny- Reihe, wie überhaupt die Frauen in Springfield nicht als dümmliche Anhängsel ihrer Ehegatten daherkommen, sondern vielmehr als eigenständige Persönlichkeiten mit Charakter geschildert werden.

Über die überbordende Fülle an Informationen, die der "Animationswirbelwind" Simpsons-TV in Form von "zahlreichen einander prozeßförmig umspielenden und wechselseitig fortreißenden unterschiedlichen Ereignisgeschwindigkeiten" (FAZ, 20. November 2005) darbietet, ist schon viel gestaunt und geschrieben worden - der Comic hat demgegenüber den Vorteil, daß man ihn so lange betrachten kann, bis man schlau daraus geworden ist. So kommen auch kleine Gesten und Randbemerkungen, die man in der Fülle der bewegten TV-Bilder nur allzu leicht übersieht und überhört, zur Geltung und verschaffen den, wie man bald erkennt, nur vordergründig plakativen Figuren Tiefe. So sieht man beispielsweise nach der eingangs geschilderten Szene zwischen Marge und Lisa im nächsten Panel, wie Lisa mit gequältem Lächeln antwortet: "Oh, hey, Mom, das mach ich doch immer noch!" Dabei ist nicht nur immer wieder erstaunlich zu sehen, welcher Facettenreichtum von Gefühlsausdrücken auch bei einer einfach gestalteten Figur möglich ist, wenn man das graphische Repertoire entsprechend zu nutzen versteht, interessant ist auch, wie die Interaktion zwischen den Figuren, das, was zwischen Mutter und Tochter nicht ausgesprochen wird, beim Betrachter "ankommt". Marges zweifelnder Blick, mit dem sie Lisas Bemerkung quittiert, spricht Bände ...

Dies und noch viel mehr gibt es zu entdecken - unter anderem eine von Bart adaptierte "wirklich kurze Geschichte der Zeit" sowie seine ganz eigene Version des Dinosaurier-Sterbens - in der 113. Ausgabe der Simpsons Comics, die als Extra ein Porträt-Poster der beliebten Comic-Familie im XL-Format enthält.


Ian Boothby (Geschichte), Phil Ortiz (Zeichnungen)
Simpsons Comics (113) "Wer nicht fragt ..."
Panini, Stuttgart, März 2006
44 Seiten, Heft, Euro 2,50
mit Extra: XL-Poster