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NEUERSCHEINUNG/535: 10/06 · Simpsons Comics (120) Jubiläumsausgabe


Ty Templeton, Andrew Pepoy, Art Villanueva


Simpsons Comics (120)

"Sandwich-Fieber"



"Zehn Jahre Simpsons-Comics in Deutschland" heißt es in diesem Monat. Eine amerikanische Erfolgsgeschichte, die auch bei uns ihre Blüten treibt - Deutschland gilt als europäische "Simpsons"- Hochburg, die Comics sind hierzulande sogar beliebter als in ihrem Heimatland, wo sich die Fans mehr auf die TV-Serie konzentrieren, die den US-Amerikanern mittlerweile offenbar bekannter ist als ihr Grundgesetz. Einer Umfrage aus dem Jahr 2006 für das McCormick Tribune Freedom Museum zufolge kann nur einer von vier US-Bürgern mehr als eine der fünf Freiheiten benennen, die ihnen der Erste Zusatz zur Verfassung garantiert. Dagegen kennt mehr als die Hälfte die Namen von mindestens zwei Familienmitgliedern der Simpsons. 22 Prozent der US-Amerikaner kennen sogar die Namen aller fünf Cartoonfiguren. Aber nur einer von 1000 Befragten konnte alle fünf Freiheiten des Ersten Verfassungszusatzes aufzählen (Redefreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit sowie die Freiheit, Petitionen zur Abschaffung von Mißständen zu verfassen).

In den 80er Jahren schuf Matt Groening, Jahrgang 1954, der seine Karriere einst als Musikjournalist mit Schwerpunkt Reggae begonnen hatte, unter dem Titel "Life in Hell" eine Reihe von Zeitungs-Comicstrips mit depressiven Hasen über die Hölle, in der wir alle darben. Diese erregten die Aufmerksamkeit des Fernsehsenders Fox, der daraus eine Show machen wollte. Hierfür erfand Groening aber lieber etwas Neues: "Die Simpsons" und später die Science-fiction-Persiflage "Futurama". Der erste kurze Film mit den Simpsons lief 1987 in der Fernseh-Nummernrevue "The Tracey Ullman Show". Zwei Jahre später bekamen sie eine eigene Serie und 1993 einen Comic-Ableger.

Trotz der Komplexität der Serie kann jedes Kind die Inhalte verstehen, auch ohne alle Anspielungen zu erkennen. Dies ist einer der Gründe für ihren Erfolg. Die "Simpsons" sind der comicgewordene Traum des Kleinbürgers, frei von Ideologie und Verantwortung leben zu können. Doch genau dies führt Matt Groening immer wieder ins Absurde, indem er das Politische wieder und wieder in die Welt der "Simpsons" einbrechen läßt. Auf diese Weise hat die Serie fast alle politischen Debatten der letzten zwanzig Jahre durchgespielt und zeigt beispielhaft auf, daß es das Apolitische gerade dort nicht gibt, wo man um jeden Preis einem politischen Bewußtsein zu entkommen versucht.

Auch in der Jubiläumsausgabe lassen sich solche Andeutungen finden: Bekanntlich geht Homer Essen über alles. Aber daß er wegen eines schlichten Truthahn-Sandwichs in einem türkischen Gefängnis landet, wo er sich die Zelle mit dem Erz-Schurken Hank Scorpio teilen muß, ist selbst für Simpsons-Verhältnisse eine tolldreiste Geschichte. Wie es dazu kam? Nun, zufällig entdeckte Homer, daß es ein Land namens "Turkey" (Türkei) gibt, ein Land, in dem er seiner Meinung nach das ultimative Turkey- (Truthahn-) Sandwich finden würde. Auf einem Basar wurde er fündig und ließ sich zwei einpacken, um sie in der Heimat zu genießen. Doch am Zoll kam Homer nicht vorbei und so landete er in der Gefängniszelle. Gerade hat Homer Hank seine Geschichte erzählt, da stürmen zwei Aufseher herein, die vor Homers Augen eines der beiden Sandwiches verspeisen, um, wie sie sagen, den "unrechtmäßig erlangten Besitz wieder dem Vaterland zuzuführen". In heißen Ländern muß man verderbliche Lebensmittel bekanntlich rasch verzehren oder zumindest kühl lagern, was beides offensichtlich nicht geschah, denn die Uniformierten kippen mit akuter Lebensmittelvergiftung aus den Latschen.

Dies ist der Auftakt zu einer wahrlich simpsonesken Fluchtgeschichte, gegen die die Abenteuer von James Bond geradezu simpel wirken. Nichtsdestotrotz ergeht man sich lustvoll in Anspielungen an die Filme mit dem britischen Superagenten, angefangen beim Titel (im amerikanischen Original "Sandwiches are forever") der sich an "Diamonds are forever" von 1971 anlehnt. Auch die Übersetzung "Sandwich-Fieber" wurde dem Titel "Diamantenfieber" der deutschen Synchronisation angeglichen. Hank Scorpio ist unschwer als Parodie auf die schurkischen Gegenspieler Bonds zu erkennen, auch die Weltraum-Attacke von Scorpio hat eine Entsprechung zum Film "Diamantenfieber" in dem der verbrecherische Blofeld mit Hilfe gestohlener Diamanten einen Laser konstruiert, mit dem er von einem Satelliten aus die Erde bedroht.

Am Ende ist der Bösewicht Präsident von Frankreich, Antiheld Homer bekommt endlich sein ersehntes Sandwich, Marge ist froh, daß alles überstanden ist, und die aufrechte Lisa zeigt sich, erstaunlich, erstaunlich, ein klein wenig bestechlich, als sie aus der Hand des Schurken einen Globus aus purem Gold annimmt. Pures Jubiläumsvergnügen also, daß durch Jubiläumsquiz, Bongo- Glückwunsch-Galerie, Malwettbewerb und XXL-Poster ergänzt wird und der Erfolgsstory der "Simpsons" einen weiteren Abschnitt hinzufügt.


Ty Templeton (Story und Zeichnungen), Andrew Pepoy (Tusche),
Simpsons Comics (120) "Sandwich-Fieber"
Art Villanueva (Farben)
Panini, Stuttgart, Oktober 2006
44 Seiten, Heft, Euro 2,50
Mit Extra: Jubiläumsposter