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NEUERSCHEINUNG/537: 11/06 · Simpsons Comics (121) "Die Gruppe 'Ex'"


Ian Boothby, Phil Ortiz, Mike Decarlo und andere


Simpsons Comics (121)

"Die Gruppe 'Ex'"


Ein Beispiel dafür, daß die im Springfielder Mikrokosmos spielenden Geschichten immer wieder für eine Überraschung gut sind, ist die November-Ausgabe der Simpsons-Comics. Sie bietet eine Geschichte in der Geschichte in der Geschichte, die einen für den Leser völlig unvorhersehbaren Verlauf nimmt.

"Die Gruppe 'Ex'", um die es hier geht, bildet sich aus einem Zufall heraus aus einer Selbsthilfegruppe von liebeskranken Versagern, die sich urplötzlich in der Lage sehen, in einer Notsituation gemeinsam handeln zu müssen, um einen Menschen zu retten. Ihren Egoismus und Fluchtreflexe für einen Moment beiseiteschiebend, schafft die Notgemeinschaft das Unmögliche und fühlt sich hinterher besser als je zuvor. Auch der Liebeskummer ist erstaunlicherweise wie weggeblasen. Aus dieser Erfahrung heraus leitet die Gruppe aber nun nicht etwa, wie man sich vielleicht wünschen würde, ab, daß man, wenn man sich zusammentut, auch als sogenannter Loser eine Stärke entwickeln kann, die man selbst und andere einem nicht zugetraut hätten. Vielmehr wird in psychologistischer Manier analysiert, daß der Adrenalinschub für das Verschwinden des Liebeskummers verantwortlich ist, so daß die Gruppenmitglieder nun für sich den Schluß daraus ziehen, auch in Zukunft extreme Erlebnisse, ähnlich dem, das sie zusammen erlebt haben, zu suchen.

Gesagt, getan, der "Verein der tollkühnen Teufel mit Liebeskummer" sucht und findet neue Herausforderungen. Schon bald zeigt sich der Erfolg, denn das neugewonnene Selbstvertrauen jedes Einzelnen wirkt sich positiv auf die Umgebung aus. Aus den Verlierern sind attraktive Gewinner geworden, die sich binnen kurzem im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses sehen. Neue Mitglieder werden gewonnen, das Fernsehen will einen Bericht bringen, eine neue, eine gigantische Herausforderung muß her.

Ein Fallschirmabsprung soll es sein, aber kein gewöhnlicher, sondern natürlich ein extrem gewagtes Unternehmen. Jeder Teilnehmer bekommt ein Stückchen des Fallschirms, der erst in der Luft zusammengesetzt werden soll. Ob das gelungen wäre, erfährt man nicht, denn es stellt sich - zu spät, denn man befindet sich bereits im freien Fall - heraus, daß keiner der Teilnehmer sein Stoffstück dabeihatte, zu beschäftigt waren alle damit gewesen, sich in der Bewunderung ihrer neugewonnenen Anhänger zu sonnen.

"... Und weil die Bewohner von Springfield so übergewichtig sind, sorgten die Schockwellen des Aufpralls dafür, daß Kalifornien vom Kontinent abbrach und im Meer versank und nie mehr gesehen wurde." Ups, war war denn das? Am Ende findet der Leser erleichtert heraus, daß das ganze nur eine Erfindung war - ein kurioser und von Comic-Machern immer wieder gerne genutzter Widersinn, daß man auch in einer unübersehbar fiktiven und noch dazu extrem abstrakten Kunstwelt darauf beharrt, zwischen Schein und Sein zu unterscheiden. Grampa Simpson hat Klein Maggie eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt. Auf die Frage von Lisa, warum denn am Ende seiner Geschichten immer alle außer ihnen sterben würden, antwortet Grampa, daß seine Enkel nun mal die einzigen seien, die er in dieser Stadt mag und Kalifornien würde er nicht mögen, weil die mal einen Film gedreht hätten, der ihm nicht gefiel.

Nachdem der Opa sich verabschiedet hat, findet Bart ein Foto, das diesem aus der Tasche gefallen ist. Es zeigt seine Freundin Bea, die bereits verstorben ist, was, wie Lisa weiß, dem Großvater das Herz gebrochen hat. Lisa vermutet, daß Grampa die Geschichte deshalb erzählt hat, weil er sie so sehr vermißt. In Anlehnung an die Geschichte vermutet Bart, daß sein Großvater aber wohl keine extremen Sportarten ausprobieren will, um über seinen Kummer hinwegzukommen. Weit gefehlt - das letzte, sehr anrührende Bild, zeigt Grampa beim Skateboarden (das Skate hat er heimlich seinem Enkel gemopst) Seite an Seite mit seiner Freundin Bea, die in durchscheinender Farbgebung als lebendige Erinnerung zu erkennen ist.

Bei aller Rührung, die da womöglich aufkommt, ist es dennoch bedauerlich zu sehen, daß die einzige Art von Zusammenhalt, die bei den Simpsons großgeschrieben wird und etwas zählt, die der Zweierbeziehung und der Kleinfamilie ist.


Simpsons Comics (121) "Die Gruppe 'Ex'"
Ian Boothby (Geschichte), Phil Ortiz (Zeichnungen),
Mike Decarlo (Tusche), Art Villanueva (Farben)
Panini, Stuttgart, November 2006
44 Seiten, Heft, 2,50 Euro