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NEUERSCHEINUNG/565: 09/07 · "Wilhelm Busch und die Folgen" (SB)


Ralf König, Laska Comix, Ulf S. Graupner, Volker Reiche, DuO, Flix, Martin tom Dieck, Ulf K. & Martin Baltscheit, Anike Hage


Wilhelm Busch und die Folgen

Eine Hommage in neun Streichen von deutschen Comic-Künstlern



Daß Wilhelm Busch, der wohl immer noch bekannteste deutsche humoristische Zeichner und "Vater der Comics", am 15. April des vergangenen Jahres seinen 175. Geburtstag "feierte" und sich am 9. Januar diesen Jahres zusätzlich auch noch sein 100. Todestag jährte, hat sich inzwischen weit herumgesprochen. Mit zahlreichen Aktivitäten wurde im Wilhelm Busch Jahr 2007 der Schöpfer von "Max und Moritz" geehrt. Eine davon war die Ausstellung "Wilhelm Busch und die Folgen - Eine Hommage in neun Streichen von deutschen Comic-Künstlern", die vom 9. September bis 2. Dezember 2007 im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover zu sehen war.

Als Begleitbuch zur Ausstellung erschien ein gleichnamiger Comic-Band (148 Seiten in Farbe, Ehapa Comic Collection, 15 Euro). In diesem Album, so heißt es in der dazugehörigen Pressemitteilung, "... adaptieren zwölf deutsche Vertreter der 9. Kunst die klassischen Bildergeschichten von Wilhelm Busch und zeigen, was sie persönlich mit Wilhelm Busch verbindet, indem sie sich seine bekanntesten Charaktere aneignen und diese in ganz eigenem Stil umsetzen. Jede Interpretation der beliebten Figuren und Geschichten zeugt von der Eigenständigkeit des Comic- Künstlers uns offenbart zugleich eine tiefe Verbundenheit mit Wilhelm Buschs Werk."

Wenn auch mit Sicherheit den meisten Lesern nicht jeder einzelne Beitrag der Anthologie gefallen wird - dazu sind sie einfach zu unterschiedlich - und man nach der Lektüre die "tiefe Verbundenheit" der einzelnen Zeichner mit Wilhelm Buschs Werk nicht unbedingt in jedem Fall zu erkennen vermag, erhält man doch immerhin anhand dieser, wie gesagt, höchst unterschiedlichen Beiträge, zwar keinen Überblick, auf jeden Fall aber einen kleinen Einblick in die gegenwärtige deutsche Zeichnerszene, zumal Leben und Werk der beteiligten Zeichner ihrem Beitrag in einem kurzen Abriß vorangestellt wurden. Obendrein sind einige der Geschichten außerdem recht unterhaltsam.

Nach einer lesenswerten Einführung von Andreas C. Knigge, in der er sowohl allgemein die Entwicklung der Bildergeschichte zum Comic umreißt als auch die Rolle Wilhelm Buschs in dieser Entwicklung im Besonderen aufzeigt, beginnt der Band - nicht ohne Grund - mit gleich vier knollennasigen Beiträgen von Ralf König, der beinahe schon gewohnt genial an seine Aufgabe heranging. Als einer der wenigen "Doppelbegabungen" deutscher Comic-Kultur versteht er es nicht nur, ausgesprochen witzige, dabei aber auch bissige und entlarvende Bilder zu zeichnen, er setzt darüberhinaus seine Geschichten so treffend ins Wort, daß wohl auch Wilhelm Busch seine Freude daran gehabt hätte. So bringt er "Im Vorhinein" die Liebe der Deutschen zu "ihrem" Wilhelm Busch humorvoll auf den Punkt:

Man weiß: Der Deutsche ist belesen,
denn in der Bildung liegt sein Wesen.
Schiller, Heine, Brecht und Kant,
liest man gern im ganzen Land.
Und will man's wissen noch genauer,
studiert man Böll und Schopenhauer!
Drum blüht der Zweig der Lit'ratur
so üppig auch in Deutschland nur.

Geht's jedoch um Bildgeschichten,
gilt diese Leidenschaft mitnichten.
Comics? Die liest der Franzos'!
Der Deutsche rümpft die Nase bloß.
Man weiß wohl noch vom Asterix
und Micky Maus - sonst kennt man nix.
Hier und da hört man ein wenig
von Strizz und Flix und Moers und König,
doch der Comic steht im Rufe
des tiefsten Schunds auf höchster Stufe.

Aber ruft man: "Wilhelm Busch!"
Sofort: Trommelwirbel, Tusch!
Und schon tönt das Loblied: "Freilich,
dies Gesamtwerk ist uns heilig!"

Hans Huckebein und Plisch und Plum
gelten keineswegs als dumm!
Und wenn ich die Fromm' Helene
in Gesellschaft nur erwähne,
kichert und zitiert man froh,
wie sonst nur noch bei Loriot.

(...)

Auch wenn Ralf König, der nach eigenem Bekunden nach 25 Jahren "zu jeder schwulen Marotte etwa 30 Comics gezeichnet" hat (Interview in der NZZ Online vom 26.10.2007) sich mittlerweile auch zu anderen Themen Gedanken macht, sind seine ureigenen Interpretationen "Der fromme Schlomm", "Plüsch und Plumm" und "Schwein und Hammel", an denen wohl auch Wilhelm Busch seine Freude gehabt hätte, gewohnt respektlos und ganz im schwulen Milieu angesiedelt.

Eher "artig" wirkt die "Plisch und Plum"-Version von Laska Comix, in der die Geschichte der beiden frechen jungen Hunde quasi 1:1 nacherzählt wird. Bei näherem Hinsehen erweist sich diese Umsetzung aber als sehr interessant, da die Bilder zwar sehr an den Motiven der Originale angelehnt sind, zum anderen aber einen modernen Comic mit zusammenhängenden, zum Teil ineinander übergehenden und sich überschneidenden Einzelelementen ergeben, was auch zeigt, wie gut Buschs Werke als Comic "funktionieren". Das hätte der Meister gewiß interessant gefunden.

Während der langjährige "Mosaik"-Zeichner Ulf S. Graupner mit einer Version der "Entführung aus dem Serail" frei nach Wilhelm Busch an die frühen Ausgaben dieser Hefte erinnert und sich mit dem Reimen etwas schwertut ("Zuleima zeigt sich zugeleimt - (das schreib ich nur, weil es sich reimt)"), was das Lesevergnügen arg schmälert, tobt sich der sonst eher durch seinen netten "Mecki" und noch mehr durch seine Figur "Strizz" bekannte Zeichner Volker Reiche in einer sehr blutigen Version der ohnehin schon recht derben Geschichte "Das Pusterohr" aus.

Sehr sympathisch dagagen die Geschichte von Flix, der mit seinem Comic "held", den er 2002 als Diplomarbeit einreichte, schlagartig bekannt wurde. Wie viele seiner Comics ist auch Flix' "Meine fromme Helene" autobiographisch geprägt. Er beschreibt darin seine Erlebnisse, die er als Kind beim - verbotenen - Lesen der Geschichten von Wilhelm Busch hatte.

Das Comic-Duo DuO, das neben Annike Hage als Vertreter der jüngeren Zeichner-Generation geladen wurde, machte aus "Die beiden Enten und der Frosch" einen Manga. Auch wenn dieser Zeichenstil nicht jedem gefällt, muß man doch zugeben, daß die ins Disco-Ambiente verlegte und witzigerweise mit sämtlichen Originaltexten versehene Geschichte überzeugend dargebracht wird. Annike Hages Zeichnungen hingegen wirken etwas blaß und ihre Version der "Feindlichen Nachbarn" endet im Unterschied zum Original harmonisch.

Martin Baltscheits und Ulf K.s Version von "Hans Huckebein der Unglücksrabe" präsentiert sich geradezu kryptisch und hat mit der Vorlage kaum noch etwas zu tun. Am wenigsten aber überzeugt Martin tom Dieck, der eine Auswahl von Bildern aus dem sechsten Kapitel von "Maler Klecksel" adaptierte, indem er sie, zum Teil seitenverkehrt, abzeichnete, kolorierte, in neuer Reihenfolge anordnete und mit einzelnen Worten unterlegte.

Ein sehr gemischtes Album, wegen des Hintergrundes aber auch eine kleine Rarität.

8. Februar 2008


Wilhelm Busch und die Folgen
von Ralf König, Laska Comix, Ulf S. Graupner, Volker Reiche, DuO,
Flix, Martin tom Dieck, Ulf K. & Martin Baltscheit, Anike Hage
Ehapa Comic Collection. Stuttgart, September 2007
144 Seiten, Softcover, Kleinformat, 15,- Euro
ISBN 978-3-7704-3173-1