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STECKBRIEF/020: Popeye - Seemann mit Vorliebe für Spinat (SB)


SPINAACH!!!

Am 17. Januar 1929 betrat der bärenstarke Seemann Popeye die Bühne des "Thimble Theatre"


In Häfen wie diesen treibt sich viel Gesindel rum.
Wir müssen also sorgfältig auswählen.

Heh, du! Bist du ein Seemann?

Seh' ich aus wie'n Cowboy?

Du bist angeheuert!

"Seh' ich aus wie'n Cowboy?" - das waren die ersten Worte des ursprünglich als Nebenfigur in der Strip-Serie "Thimble Theatre" vorgesehenen Seemanns Popeye. Sein Schöpfer Elzie Crisler Segar, der die Serie seit 1919 zeichnete, brauchte für die gerade laufende Geschichte als komische Figur einen Seemann, über den man ein paar Mal herzhaft lachen konnte und den man anschließend wieder vergessen sollte.

So kam es, daß Olivias Bruder Castor Öl und ihr Verlobter Ham Gravy, die sich in den Kopf gesetzt hatten, mit ihrer Glückshenne Bernice zum Spielkasino auf Dice Island zu segeln, auf der Suche nach einem Seemann (sie hatten just festgestellt, daß sie keine Ahnung hatten, wie sie ihr neu erstandenes Boot bedienen sollten) auf einen merkwürdigen Kerl stießen, der mit seinem vorspringenden Kinn und einem fehlenden Auge zwar keine Schönheit, dafür aber umso mehr ein auffälliger Charakterkopf war. Vervollständigt wurde Popeyes Erscheinungsbild durch eine Pfeife, die in seine Gesichtsanatomie eingewachsen zu sein schien - und die er auch in Zukunft niemals ablegen sollte, nicht einmal bei der wildesten Rauferei. Nachdem Castor sich fachmännisch davon überzeugt hatte, daß der Bursche wirklich ein Seemann war (siehe oben), heuerte er ihn kurzerhand an.

An diesem Tag konnten weder die Leser des Strips noch Segar selbst absehen, was für eine ausbaufähige Figur da entstanden war, zumal Popeye in seiner Anfangszeit eher zu betont vorsichtigem Handeln neigte und lediglich den Hauptfiguren des Thimble Theatre diente. Erst später baute Segar seine "wahre" Kämpfernatur aus. Popeyes Wandlung begann, als dieser gegen ein Ungeheuer antreten mußte. Segar merkte dabei, welches Potential in dem kauzigen Seemann mit den dicken Unterarmen steckte, der plötzlich vernichtende Schläge austeilte.

Auf der Suche nach einer Begründung für die übermenschliche Stärke seines rauflustigen Seemanns kam der Elzie Crisler Segar auf ebenso simple wie einleuchtende Lösung: Spinat! Das grüne Blattgemüse bot sich deshalb an, weil damals, gegen Ende der 20er Jahre, seine Vorzüge von den Ärzten allerorten gepriesen wurden, so daß jedem klar war, daß Spinat, der Eisen und vielerlei andere gesunde Bestandteile enthielt, genau das richtige war, um Muskelschmalz und eine eiserne Konstitution zu entwickeln.

Was Ärzten und Gesundheitsaposteln nicht gelang, schaffte ein rauflustiger Seemann: Der Spinatkonsum der Amerikaner steigerte sich in der Zeit von 1931 bis 1936 um 33 Prozent! Manche Kinder verstiegen sich sogar soweit in der Bewunderung für ihren Helden Popeye, daß sie nichts anderes mehr essen wollten. Verschiedentlich forderten daher besorgte Mütter den Zeichner auf, Popeye sagen zu lassen, daß es auch noch andere Lebensmittel gibt, die man essen sollte.

In Segars Heimatstadt Chester kursierte übrigens das Gerücht, daß ein Mann namens Frank "Rocky" Feigle das Vorbild für Popeye war. Besagter Rocky war ein hagerer, drahtiger Kerl, der vormittags in der Schankstube aufräumte und für Ordnung sorgte. Am Nachmittag sah man ihn stets auf einem Stuhl vor besagtem Etablissement sitzen. Er war ein Original und stadtbekannt. Man sagte ihm nach, daß er noch nie in einem Kampf besiegt wurde. Für die Jungs - auch der kleine Segar gehörte dazu - war es eine sportliche Herausforderung, Rocky so lange zu provozieren und aufzustacheln, bis er sie wutschnaubend verfolgte - was ein rechtes Abenteuer war, denn alle erinnerten sich an die Geschichte, als drei junge Burschen ihn in den Wald gelockt hatten, um ihn auszurauben. Während Rocky binnen kurzem lässig wieder in die Stadt zurückkehrte und auf seinem Stuhl vor dem Wirtshaus Platz nahm, mußten die drei ihre Blessuren ärztlich versorgen lassen. Später, als Popeye berühmt war, waren die Leute in Chester davon überzeugt, daß Rocky Feigle, der mit seiner Pfeife, die er ständig im Mundwinkel trug und seinem verschmitzt-verkniffenen Gesichtsausdruck Popeye wirklich sehr ähnlich sah, jede Woche einen Scheck von Segar bekam.

Siehe auch: PORTRÄT/014: Elzie Crisler Segar - Zeichner von "Popeye" (SB)

22. Juni 2007