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BUCHTIP/1031: "Das Klo im Kino" (idw)


Ruhr-Universität Bochum - 21.03.2007

"Das Klo im Kino"

RUB-Absolvent veröffentlicht sein erstes Buch
Über die Bedeutung des stillen Örtchens in Kinofilmen


John Travolta wird in "Pulp Fiction" ausgerechnet nach dem Gang zur Toilette erschossen und Christiane F. wickelt im gleichnamigen Film ihren Drogenkonsum hauptsächlich auf dem Bahnhofsklo ab. Das sind nur zwei Beispiele aus dem Buch "Das Klo im Kino" von RUB-Absolvent Philipp Alexander Tschirbs, das jetzt im LIT-Verlag erschienen ist. Entgegen der Annahme, Leinwandhelden "müssten" nie und die Toilette sei für den Film eine Tabuzone, zeigt der Autor, dass Kloszenen im Kinofilm häufiger vorkommen als gedacht und für den Fortgang des Films meist erhebliche Bedeutung haben. Oft verbreitet das (verschmutzte) Klo eine beklemmende Atmosphäre und dient der negativen Charakterisierung einer Person, die sich in einer biografischen Krise befindet. Tschirbs hat für sein Buch über 530 internationale Filme analysiert und beleuchtet nahezu alle Genres der Filmgeschichte, vom Zeichentrickfilm über die Liebeskomödie bis hin zum Actionfilm und Horrorthriller. Das Buch enthält zahlreiche Schwarz/Weiß-Abbildungen und eine Filmografie der analysierten Kinofilme von 1924 bis 2006.

Tabus auf dem Klo

Das so genannte stille Örtchen ist keineswegs ein so stiller und unscheinbarer Ort, wenn es um seine Rolle im Kinofilm geht. Es dient dazu, die Atmosphäre einer Szene zu intensivieren, sei es im positiven wie im negativen Sinn. Bei dem Versuch, die Kloszenen inhaltlich zu gruppieren, findet Tschirbs heraus, dass sie meist Tabubrüche zeigen: Das Klo dient als Ort für körperliche Gewalt ("Full Metal Jacket"), für Drogenkonsum ("Basic Instinct"), Sexualität ("Boys Don?t Cry") sowie als Versteck in gefährlichen Situationen ("Schindlers Liste"). Daneben bietet es aber auch eine Plattform für besonders lustige Momente, denkt man an den zeitungslesenden Hund auf der Toilette in der Komödie "Bruce Allmächtig". Das Klo fungiert allgemein als Rückzugsort für Handlungen, die man nicht auf der Straße erledigt. Der Regisseur setzt das Klo als Szeneort somit absichtlich ein, um dem Zuschauer den Eindruck zu vermitteln, er werde Zeuge einer geheimen Aktion. Den prägnanten Titel der Arbeit hat der Autor ganz bewusst gewählt: "Zum einen grenzt er sich durch den Begriff "Klo" vom Waschraum an sich ab, zum anderen durch den Begriff "Kino" von sonstigen Video- und Fernsehdokumenten."

Vom "Gemeinschaftsabort" zum "Privatkabinett"

Neben der Filmanalyse macht der Autor auch eine Reise durch die Kulturgeschichte der Toilette. Er stellt fest, dass die mediale Entwicklung des Klos kontrovers zu seiner Kulturgeschichte verläuft: Bis ins 19. Jahrhundert nutzten die Menschen ohne Scham die Straße als Abort, erst allmählich privatisierte sich die Toilette in Form eines Klohäuschens und später durch einen abschließbaren Raum innerhalb der Wohnung. Obwohl das Kino bereits seit 1895 existiert, zeigte die Filmindustrie in ihren ersten Jahrzehnten nahezu kein einziges Klo. Tschirbs wurde erst in einem Film von 1960 fündig: "Alfred Hitchcock war wohl der erste Regisseur in den USA, der in "Psycho" mit Janet Leigh eine Frau die Toilette benutzen ließ." Die zunehmende Privatisierung des Klos in der Gesellschaft geht einher mit einem lockereren Umgang mit dem Klo in den Kinofilmen. "Vielleicht ist gerade diese Differenz ein Grund dafür, dass man in Komödien besonders über peinliche Toilettenszenen lacht oder besonders fasziniert ist, wenn man einen Einblick in bizarre Aktivitäten auf einem Klo erhält", so Tschirbs. Denn gerade dies sind Szenen, die dem Zuschauer im wahren Leben wegen der meist verschlossenen Toilettentür verborgen bleiben.

Auch Leinwandhelden "müssen" mal

Die Idee, sich mit dem Klo in Spielfilmen zu beschäftigen, kam Philipp Tschirbs bereits während seines Studiums der Film- und Fernsehwissenschaft an der RUB: "In der Fachschaft stieß ich auf Werner Piepers "Scheiß-Buch" und dessen Aussage, über das Klo im Film gäbe es nicht viel zu berichten, da die Zelluloidhelden nie "müssen"." Da ihm direkt eine Kloszene mit Ewan McGregor in "Trainspotting" einfiel, trat er den Gegenbeweis an und sammelte Filme, in denen Kloszenen vorkommen. Das erste Ergebnis belief sich auf 20-25 Filme aus den 1990ern. Tschirbs weitete die Suche aus, forschte in älteren und internationalen Kinofilmen aller Genres und extrahierte am PC knapp 4300 Filmstandbilder, die alle eine Toilette zeigen. Seine Analysen führte er auch nach dem Magistertitel im Sommer 2004 an seinem jetzigen Wohnort Nürnberg fort. Sein Werk ist das erste filmwissenschaftliche Buch, das sich mit dem Thema "Klo im Kino" beschäftigt. "Der Autor dieser absolut seriösen Arbeit hat tatsächlich viel gefunden - gerade bei den modernen Klassikern des Films", heißt es in der aktuellen Märzausgabe der Fachzeitschrift "edp-Film".

Titelaufnahme
Tschirbs, Philipp Alexander: Das Klo im Kino.
Band 3 der Reihe Filmwissenschaft.
Berlin, LIT-Verlag 2007, 296 Seiten, broschiert,
zahlreich illustriert, 24,90 Euro.
ISBN 3-8258-0100-4. Auch erhältlich
unter: http://www.lit-verlag.de/isbn/3-8258-0100-4

Weitere Informationen zum Buch unter:
http://www.daskloimkino.de

Vorwort, Klappentext und Inhaltsverzeichnis einsehbar unter:
http://www.deutschesfachbuch.de/info/detail.php?isbn=3825801004&word=deutschesfachbuch’tschirbs

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution2


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 21.03.2007
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2007