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BUCHTIP/1109: Zwei Neuerscheinungen zur Vogelbestimmung (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 4/2008

Kosmos Vogelführer für unterwegs
Von Katrin & Frank Hecker
192 S., ca. 300 Farbfotos, Softcover, 11 x 18,5 cm.
Franckh-Kosmos, Stuttgart, 2008.
ISBN 978-3-440-11130-0. EUR 7,95.

Welcher Vogel ist das?
Von Detlef Singer
430 S, 1410 Farbfotos, Softcover, 13,5 x 19 cm.
Franckh-Kosmos, Stuttgart, 2008.
ISBN 3-440-11415-5. EUR 19,95.


Das sind zwei handliche Bücher mit vielen, teilweise sehr guten Vogelfotos, die als Bestimmungsbücher angepriesen werden. Beide sind vom NABU empfohlen, doch hat sie sich wohl niemand vom NABU vorher einmal kritisch angesehen und sich ein Bild darüber gemacht, welche Vogelführer wirklich empfehlenswert sind. Das "Gütesigel" ist also eher ein Marketingversuch als eine Auszeichnung zweier Neuerscheinungen für das Bestimmen der Vögel draußen.

Das größere Buch von Singer ist die Neuauflage eines Fotoführers von 2002, identische Bilder, überarbeiteter Text. Die Fotosammlung ist durchaus eindrucksvoll und bietet vor allem bei Singvögeln gute Ergänzung zu gängigen Feldführern. Für Laubsänger, Spötter, Lerchen oder andere "little brown jobs" liefert eine gestochen scharfe Nahaufnahme manch hilfreiche Zusatzinformation. Der Text ist ordentlich, verliert sich aber auch in Gemeinplätze, sodass der Raum keineswegs immer optimal ausgenutzt ist. In der Bildergalerie vermisst man manche Kleider; auch anderes fiel der Begrenzung des Druckraums zum Opfer, mit dem durch gelegentliche Redundanz (z. B. vier Fotos vom Eisvogel und drei vom Bienenfresser) auch etwas großzügig umgegangen wurde. Ärgerlich sind marktschreierische Anpreisungen. Auf dem Buchdeckel werden vorne "Alle Vögel Europas" angekündigt, auf der Rückseite dann aber nur noch "alle wichtigen Vogelarten Europas". Na ja, in den Text ähnlicher Arten sind mit ein bis zwei Sätzen Weidensperling, Italiensperling (ohne Bild), Orpheusspötter, Halbringschnäpper (ohne Bild) oder Theklalerche wie beiläufig dazwischen gequetscht; mit dem "alle" darf man es also nicht zu genau nehmen. Um bei den Verlagsprodukten zu bleiben: Zum Vogelbestimmen draußen lieber die Frage "Was fliegt denn da?" (FALKE 2006, S. 320; übrigens keine Empfehlung vom NABU) und daheim zum Nacharbeiten "Welcher Vogel war das?".

Den kleinen "Vogelführer für unterwegs" darf man von vorneherein nicht unter dem Gesichtswinkel Vogelbeobachtung oder gar Feldornithologie betrachten. Alle diesbezüglichen Überlegungen sind realitätsfern. Auch ein Anfänger kann mit einer beliebigen Fotoauswahl und ein paar mehr oder minder treffenden Sätzen nicht viel anfangen. Ein Wald ohne Sommergoldhähnchen (aber mit Haselhuhn, das einem ja ständig über den Weg läuft), Geschwätz ("bestimmen Sie Vögel ganz einfach nach ihrem Lebensraum" - "in den meisten Fällen brauchen Vogelbeobachter zum Bestimmen nicht einmal das Fernglas") oder ein Schwarzmilan mit fehlendem Innenflügel belegen, dass alles andere als ein tauglicher Ratgeber "für unterwegs" und über "alle mitteleuropäischen Arten" (Einbandtext) präsentiert wird. Der Zweck des Unternehmens ist vielmehr, auf dem Billigsektor unter 10 Euro mit einem bunten Vogelbilderbuch dabei zu sein und ein Marktsegment zu besetzen. Für wen sind dann solche Produkte überhaupt nützlich? Die meisten Menschen in Deutschland können z. B. mit dem Wort "Fitis" nichts anfangen. Hier werden sie kurz informiert, um was es sich dabei eigentlich handelt und können sich den kleinen Vogel in einem schönen Foto anschauen. Mehr ist kaum zu holen. Aber das wäre schon eine ganze Menge, wenn minimales Grundwissen über heimische Vögel zu geringem Preis optisch ansprechend unter die Leute kommt. Übrigens: Es gibt auch kleine Kostbarkeiten für Anfänger, die keine bleiben wollen: Die Merkmale von Gelb- und Orpheusspötter einschließlich der unterschiedlichen Handschwingenprojektion lassen sich an zwei untereinander stehenden Fotos ausgezeichnet vergleichen. E. Bezzel


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 4/2008
55. Jahrgang, April 2008, S. 159
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,60 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 47,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2008