Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → LITERATUR

BUCHTIP/1121: Von Geiz und Ausbeutung (amnesty journal)


amnesty journal 5/2008 - Das Magazin für die Menschenrechte

Von Geiz und Ausbeutung
Das Buch "MenschenrechtsFragen" gibt einen lesenswerten Überblick über aktuelle Fragen der Menschenrechtspolitik.

Von Ali Al-Nasani


Wie steht es um die Menschenrechte in Europa? Wie wirkt sich die Globalisierung auf die Menschenrechtspolitik aus? Und welche Chancen und Risiken ergeben sich aus der zunehmenden Professionalisierung von Menschenrechtsorganisationen? Diese Themen werden in dem jüngst erschienenen Sammelband "MenschenrechtsFragen" kontrovers diskutiert.

In ihrem Beitrag zur Europäischen Menschenrechtspolitik stellt Herta Däubler-Gmelin, die ehemalige Bundesjustizministerin und derzeitige Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, vor allem Defizite in den Ländern Osteuropas fest. Fehlende Zivilgesellschaft, gelenkte Medien und Diskriminierung von Minderheiten seien Symptome der ehemals autoritären Gesellschaftssysteme. Doch auch für die anderen Länder Europas mahnt Däubler-Gmelin effektiveren Menschenrechtsschutz an und verweist auf die immer noch fehlende Aufklärung geheimer CIA-Flüge und der Verschleppung von Gefangenen in Folterlager.

In ihrem Beitrag zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen beschreibt die Misereor-Expertin Elisabeth Strohscheidt anhand von Beispielen aus Peru, Nigeria und China, wie Konzerne ihre Verpflichtungen zum Schutz der Arbeitnehmer umgehen. Sie stellt fest, dass extreme Armut das Resultat einer Wirtschaftspolitik ist, die keine gerechte Verteilung vorhandener Ressourcen zulässt. Für das ausgebeutete Personal der Firmen in den Ländern der "3. Welt" ist der Geiz der "1. Welt" alles andere als "geil".

Sicherlich ist es kein Zufall, dass es mit Gerhart Baum gerade der ehemalige UNO-Sonderbeauftragte für den Sudan ist, der in seinem Beitrag daran erinnert, dass die internationale Menschenrechtspolitik mit dem Konzept der Schutzverantwortung im Schlussdokument des Reformgipfels von 2005 eine neue Norm des Völkerrechts aufgestellt hat. Die Staatengemeinschaft hat sich verpflichtet, gemeinsam die Verantwortung zu tragen, Zivilbevölkerung vor Kriegsverbrechen, Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Dieses Konzept der "Responsibility to protect" beleuchtet auch die langjährige Mitherausgeberin des Jahrbuchs Menschenrechte, Sabine Kurtenbach. Als Indikatoren von gewaltsam ausgetragenen Konflikten benennt sie die Einschränkung von Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit bei einer gleichzeitigen Konzentrierung politischer Macht. Als Instrument der Durchsetzung internationalen Rechts sieht Kurtenbach den Internationalen Strafgerichtshof, der in einer Art Vergangenheitspolitik geltendes Recht durchsetzt, Gewalt als Mittel der Konfliktaustragung delegitimiert und dadurch Vertrauen in internationale Menschenrechtsnormen schafft.

Zu den Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme von Amnesty nimmt Michael Meier-Borst Stellung und beschreibt als die fünf wesentlichen Elemente für den Erfolg der Organisation die politische Unabhängigkeit, die Qualität der Recherche, die Nachhaltigkeit des Engagements, die Benennung von Unrecht und die Wirksamkeit des Handelns.

Die Aufsatzsammlung erscheint anlässlich des 6. Geburtstags von Volkmar Deile, dem langjährigen Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion und gibt durch die Diskussion der Themen und den gegenseitigen Bezug der Autoren aufeinander einen lesenswerten Überblick über aktuelle Fragen der Menschenrechtspolitik.


Der Autor Ali Al-Nasani ist Referent für Lobbyarbeit und internationale Kommunikation der deutschen Amnesty-Sektion.


MENSCHENRECHTSFRAGEN
Hg. von Heiner Bielefeldt, Franz-Josef Hutter,
Sabine Kurtenbach, Carsten Tessmer
zum 65. Geburtstag von Volkmar Delle.
Von Loeper Literaturvertag
Karlsruhe 2008,
208 S., 16,90 Euro


*


Quelle:
amnesty journal, Mai 2008, S. 37
Herausgeber: amnesty international
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
Telefon: 0228/98 37 30
E-Mail: info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de

Das amnesty journal erscheint monatlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Nichtmitglieder können das amnesty journal für
30 Euro pro Jahr abonnieren.


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2008