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BERICHT/041: Aurora, im Reich des Polarlichts - ein ernst zu nehmendes Publikum ... (SB)



Es ist für die naturwissenschaftlichen Disziplinen nicht einfach, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren, denn die Kernthemen sind meist so komplex, dass selbst Experten untereinander Verständigungsschwierigkeiten über die fachlichen Details haben. Der Versuch, die eher trockenen Inhalte für den Laien interessant und verständlich darzustellen, bringt daher leider oft eine übermäßige Vereinfachung des Themas mit sich. Der wissenschaftliche Gehalt wird auf ein Minimum reduziert und zugunsten der einfachen Verdaulichkeit durch bunte Animationen und Grafiken ersetzt. Dass man aber auch einen guten Kompromiss zwischen Unterhaltung und wissenschaftlichem Gegenstand finden kann, zeigt beispielsweise der Instagram-Kanal der NASA, der spektakuläre Aufnahmen von Sternen und Galaxien mit leicht zu verstehenden Zahlen und Fakten kombiniert. Der Heimvorteil der Astronomie sind dabei die hübschen und interessanten Bilder, die zwar wenig mit der hochgradig mathematischen Wissenschaftsdisziplin dahinter zu tun haben, sich aber publikumswirksam verwerten lassen. Auch das Planetarium Hamburg versucht die Gratwanderung, einerseits als "Sternenkino" ein Unterhaltungsprogramm zu produzieren, andererseits einen Bildungsauftrag zu erfüllen. Während es der NASA noch gelingt, den wissenschaftlichen Rahmen zu tangieren, nähert sich das Planetarium bestenfalls asymptotisch und enttäuscht dadurch leider auch den geneigten Zuschauer auf der inhaltlichen Linie gründlich.

Besonders deutlich wird diese Problematik bei der Vorführung "Aurora - im Reich des Polarlichts", die seit dem 27. April 2017 auf dem Spielplan des Planetariums steht. Anlass der Veranstaltung ist die Arbeit des koreanischen Astrofotografen Kwon O Chul, dem erstmalig eine hochauflösende Echtzeitaufnahme des Polarlichtes mit Hilfe einer 3D Kamera gelungen ist. Das Bildmaterial, welches auf der 360° Leinwand des Planetariums gezeigt wird, ist durchaus spektakulär, geht jedoch in der positionslosen Gesamtaufführung unter. Die Macher konnten sich offenbar nicht entscheiden, ob sie einen Lehrfilm mit wissenschaftlichen Erklärungen oder eine audiovisuelle Show produzieren wollten und nahmen den missglückten Mittelweg. Statt die physikalischen Hintergründe des Himmelsphänomens zu durchleuchten, werden die Mechanismen nur kurz angerissen. Die Möglichkeit, komplexe Vorgänge mit Hilfe des Bildmaterials verständlich zu machen, wird wiederholt verschenkt. So entspricht der Informationsgehalt der 45-minütigen Show in etwa dem ersten Absatz eines Wikipedia Artikels. Auch die spirituelle, mystische Komponente der Aurora, die in den Kulturen der Polarregion tief verwurzelt ist, wird immer wieder eingeflochten. Gleichzeitig wird das Phänomen jedoch durch die bruchstückhaft eingestreuten physikalischen Fakten gründlich entzaubert. Der ständige Wechsel zwischen der mystischen Atmosphäre der Polarlicht-Aufnahmen und Computeranimationen von Feldlinien, wirkt dabei ungeschickt und ernüchternd.

Die Probleme dieser Vorstellung sind beispielhaft für einen Interessenskonflikt des Planetariums: Der wissenschaftliche Gehalt der Veranstaltungen ist zu niedrig, um sie als Kommunikationsmedium zwischen Astronomie und Besucher zu verstehen. Gleichzeitig ist der reine Unterhaltungswert als "Sternenkino" im Vergleich zu konkurrierenden Formaten wie Kino und Theater nicht überragend.

Es wäre schön, wenn man dem Besucher deutlich mehr inhaltliches Interesse zutrauen würde, statt sich auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen. Das Planetarium hat mit der technischen Ausstattung eigentlich alle Möglichkeiten, komplexe Zusammenhänge leichtgängig zu erläutern und sollte diese intensiver nutzen, um eine echte Brücke zwischen Wissenschaft und Besucher zu schlagen.


Das Nordlicht über hell erleuchteten Tipi-Zelten - © HugMEDIA by Kwon O Chul

Nur leuchtende Partikel oder die Geister der Verstorbenen?
© HugMEDIA by Kwon O Chul


Aurora - im Reich des Polarlichts

Vorführung am 27.04.2017 im Planetarium Hamburg

8. Mai 2017


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