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ENGLISCH/005: Fehler, Versprecher, Ausrutscher - Die Rache der Sprache (SB)


FEHLER, VERSPRECHER, AUSRUTSCHER - Die Rache der Sprache


slips of pen and tongue



Versprecher sind eigentlich kein typisch englisches Problem. Sie kommen in jeder Sprache und jeder Mundart vor. Insofern ist dieser Beitrag als eine spezielle Ergänzung zum englischen Vokabelschatz zu verstehen, die das Thema "Versprecher - Fehler - Ausrutscher" um- und zusammenfassen soll. Wer sich auf das glatte Parkett einer fremden Sprache begibt, muß auch über ihre Tücken und Stolpersteine bescheid wissen, um in der Auseinandersetzung mit diesen Unannehmlich- wie den eigenen Unzulänglichkeiten einigermaßen über die Runden zu kommen. Hier also eine analytische Auflistung der Ecken, die es zu umrunden gilt:

1. Unbeabsichtigte Ausrutscher - slips

Unbeabsichtigte Fehler werden im Englischen "slips" genannt. "Slip" wird analog zum deutschen Ausrutschen oder Ausgleiten verwendet, und heißt beim Laufen und Gehen wie auch im übertragenen Sinne "den Halt verlieren", (englisch: loosing your footing, while you are walking). Man ist nicht konzentriert genug und tritt versehentlich daneben oder, wie der Engländer sagen würde: "You trip on your words and it slows you down!"

Im Englischen unterscheidet man "slips of the tongue" und "slips of the pen". Das sind Ausrutscher, die einem beim Sprechen oder beim Schreiben unterlaufen, Versprecher und Schreib- oder Tipfehler.

Slips of the tongue

Slips of the tongue, normale Versprecher, kommen häufig vor. Sie beruhen oftmals einfach auf Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit, weil sich der Versprechende allzu sicher ist (Nachrichtensprecher beispielsweise, die ihren Text ablesen). Gerade, wenn etwas gesagt wird, das man zur täglichen Routine zählt, das man ganz selbstverständlich sagt, ohne sich Mühe zu geben oder sich besonders darauf zu konzentrieren, oder weil man den Inhalt des Gesagten für lapidar und leicht hält, rutscht man aus. Solche Ausrutscher rufen bei den Zuhörern, die glauben, daß solche Fehler vermeidbar sind, so etwas wie Schadenfreude hervor. Für den Sprechenden sind sie dagegen oft furchtbar peinlich, weil er genauso denkt, sich vielleicht sogar etwas auf seine gepflegte Ausdrucksweise einbildet und letztlich bei anderen genauso lachen würde. Weil der Mensch sich offenbar am liebsten über die Fehler der anderen amüsiert, sind gestellte, absichtliche Versprecher auch ein beliebtes Stilmittel in Witzen und Sketchen. Darüber hinaus werden sie heutzutage mangels besserer Ideen, oder um von den wirklich brennenden und brisanten Problemen abzulenken, gerne von Kabarettisten und Comedy-Darstellern aufgegriffen, die damit Politiker oder andere Personen der Öffentlichkeit schlicht nur der Lächerlichkeit preisgeben, ohne inhaltlich zu werden.

Viele Ausrutscher sind jedoch in der ganz grundsätzlichen Nervosität oder Unsicherheit, möglicherweise auch Angst, einem oder mehreren anderen Menschen gegenüberzutreten, begründet. Anders gesagt scheut man sich gewöhnlich, die sichere Distanz der Beobachterzone zu durchbrechen und sich Gehör zu verschaffen, erschrickt dann vor der eigenen Stimme, der eigenen Stellungnahme und den damit verbundenen Konsequenzen und verhaspelt sich gewissermaßen als Ausdruck dieser ambivalenten Haltung. Schließlich kann man auch beim Laufen nicht gleichzeitig vorwärtsgehen und zurückweichen.

Das ist nun beileibe nicht witzig, sondern eigentlich das recht traurige Thema von der Kontaktarmut und Vereinzelung der Menschen, die sich selbst nur über Anerkennung von anderen definieren, und eine typische Erscheinung dieser Zeit.

Auch über diesen furchtsamen, unsicheren Menschentyp wird sich gerne lustig gemacht. Vielleicht deshalb, weil es eigentlich jeden so sehr betrifft, daß man sich im Vergleich zu der karikaturartigen Übertreibung immer noch als der Bessere fühlen kann.

Doch sind psychologische oder philosophische Betrachtungen und Konzepte, zu denen dann auch der sogenannte Freud'sche oder der plazierte, als Hilferuf gedachte, Versprecher gehören würden, eigentlich nicht Thema dieses Beitrags, betreffen die psychologischen Versprecher doch vor allem jene in der eigenen Muttersprache.

Der Englischlernende, dem ebenfalls eine Menge Fehler unterlaufen können, hat dafür immer eine bei "native-speaker"n akzeptierte Entschuldigung, die sich auf seiner mangelnden Kenntnis der Sprache, dem Reinfall auf sogenannte "Falsche Freunde" (ähnlich klingende Vokabeln oder vermeintliche Parallelen zu Fremdworten in der eigenen Muttersprache) gründet.

Ein typischer Versprecher eines Nicht-Muttersprachlers gibt zum Beispiel das folgende Phantasiegespräch wieder, wie es vielleicht auf einer Party in London stattgefunden haben könnte:

Einer der Gäste steht längere Zeit etwas abseits, ohne sich am allgemeinen Gespräch zu beteiligen und ein anderer, offensichtlich näherer Bekannter des Gastes, tritt auf ihn zu und beginnt seine Unterhaltung mit den Worten: "You're very 'incognito' these days". Worauf der andere, der offensichtlich weder auf Gesellschaft aus ist noch weiß, was er von dieser Ansprache halten soll, den Bekannten nur mit erhobenen Augenbrauen anstarrt und weiterhin schweigt. Schließlich ist er ganz offiziell unter seinem Namen gekommen, und er ist auch gar nicht berühmt genug, noch kann er sich einen anderen triftigen Grund vorstellen, seine Identität zu verbergen. "Oh, sorry", meint nun der Freund, "I was going to say 'incommunicado'. You don't seem to be communicating much these days." Womit er zwar die Verwirrung seines Freundes beseitigt und das Mißverständnis bereinigt, aber den mißglückten Gesprächsbeginn noch lange nicht gerettet hat.
(Beispiel aus BBC-English-Lehrsendung "Can I help you", Übersetzung Schattenblick-Red.)

Slip of the pen

Verlassen wir die Party an dieser Stelle, und wenden wir uns nun der Fehlerquelle zu, die besonders leicht auch den Englischlernenden bzw. vielmehr seine Gesprächspartner zur Verzweiflung treiben kann - "the slip of the pen", den Verschreiber oder den Tippfehler, wobei letzterer ja wiederum noch aus anderen Gründen des "Fingerausrutschens" entstehen kann.

So schreibt ein ehemaliges Aupairmädchen (au pair girl) ihrer Gastfamilie in England über die Geschenke, die sie aus England mitgebracht hat: "I gave my father the 'paperbags' and he enjoyed reading them very much ..."

An diesem Satz scheint oberflächlich betrachtet nichts Seltsames zu sein, keine Schreib- oder Tippfehler zumindest. Dennoch sitzt die englische Gastfamilie etwas ratlos vor diesen Zeilen, die keinen Sinn zu ergeben scheinen, es sei denn, daß dieser Vater eine etwas verquere Vorliebe dafür entwickelt hat, die Aufdrucke von Einkaufstüten zu studieren. Schließlich fällt der englischen Gastmutter ein, daß das Mädchen in den letzten Tagen ihres Aufenthalts in ihrer Stadt eine ganze Reihe englischer Kriminalgeschichten erworben hat - 'Paperbacks'.

Um diese Sorte von Versprechern zu beschreiben, sagt man im Englischen: "He picked the right mental drawer, but the wrong pair of socks".

2. Malapropism: unangebrachte Wortverwechslungen

Im Englischen gibt es für die Fehler oder Ausrutscher, die dadurch entstehen, daß man sich auf einer Sprachebene bewegen will, die weit über der eigenen Reichweite liegt und die man nicht beherrscht, ein eigenes Wort: "Malapropism".

Mrs. Malaprop gehörte zu jenen englischen Damen, die sehr viel Wert auf eine besonders gepflegte Ausdrucksweise legte, und von mehreren Möglichkeiten, etwas auszudrücken, immer die komplizierteste wählte - nur leider lag sie meist ein klein wenig daneben. So im folgenden Beispiel aufgezeichnet:

Mrs. Malaprop: " ... I was quite irritated to hear about this letter. I thought she had persisted from corresponding with him."

Eigentlich wollte sie sagen: "I thought she had desisted from corresponding with him". Also auf deutsch: "Ich dachte sie habe von einer weiteren Korrespondenz mit ihm Abstand genommen." Wobei "to desist" ein selten verwendetes Wort ist, was jedoch ein hohes Bildungsniveau anzeigen soll. Mit dem Wort "to persist" (deutsch: aufrechterhalten) hielt die Dame zwar das gleiche Sprachniveau (war also in der richtigen Schublade), entblößte sich jedoch damit, genau das Gegenteil von dem, was sie wollte, zu sagen.

Des gleichen, als sie in einem Smalltalk über Fernreisen mit überschlagender Stimme einwarf: "There are so many 'allegories' on the banks of the river Nil!" wobei sie sich wieder einmal so gewählt ausdrücken wollte, daß ihr das schlichte Wort 'alligators' einfach nicht distinguiert genug war.

3. Freudsche Versprecher - Freudian slips

Der Vollständigkeit halber sei hier auch noch der Freudsche Versprecher erwähnt, der im Englischen "Freudian slip" genannt wird. Freud erklärte diese Art von Ausrutscher, mit dem man seine eigentlichen Absichten preisgibt, als eine Art Durchbruch des Unterbewußtseins.

Einfacher, und ohne das Unterbewußtsein zu bemühen, ausgedrückt: Man sagt das, was man eigentlich denkt und durchbricht die Maske der Selbstdarstellung, die man ansonsten ständig aufrecht zu erhalten sucht.

Für denjenigen, dem sehr viel an dieser Selbstdarstellung liegt, kann das sehr peinlich werden. Ein Durchbruch des Unterbewußtseins (the subconscious) ermöglicht zumindest die Verschiebung der Verantwortung für die Folgen des Versprechers auf eine weitere Instanz wie einen verschütteten tiefsitzenden Wunsch oder eine große Angst, die einen zu besagtem entlarvendem Versprecher getrieben hat. Womit auch Freuds Zuflucht zu dieser Instanz hinreichend erklärt ist. Kann sich eine solche doch für den nächsten peinlichen Versprecher gut als Ausrede verwenden.

Im folgenden einige Beispiele dafür. Freud selbst erklärte den "Freudschen Versprecher" mit einem Beispiel, in dem, seiner Theorie nach, ein überstarker Wunsch Grund des Ausrutschers wurde:

Eine Patientin wollte entgegen Freuds dringendster Empfehlung eine Reise nach Budapest unternehmen. Um dennoch seine Einwilligung zu erhandeln, beabsichtigte sie ihn mit einem Hinweis auf die kurze Zeit der Reise zu beschwichtigen. Statt aber, wie sie vorhatte, drei Tage zu sagen, rutschte ihr mit den Worten, "Ich fahre ja nur für drei Wochen", der eigentliche, tiefsitzende Wunsch heraus.

Einige Freudsche Ausrutscher können peinliche Konsequenzen mit sich bringen. Wenn man einen ungeliebten Verwandten nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus mit den Worten begrüßt:

"I'm so sad that you're better." statt "I'm so glad ..."

fragt sich dieser natürlich, ob das ein echter Ausrutscher war, oder ob es sich um einen Gedanken aus dem Unterbewußten handelt - "an honest mistake or a subconscious thought".

4. Der ungewollte Schüttelreim - Assembly errors oder Spoonerism

"Das ist doch nicht Claudia Fischer" hörte ich kürzlich eine Kollegin sagen, ein typischer "Verschüttler" beim Anblick einer der vielen Ablichtungen des berühmten Models. Für diese Art von Versprechern gibt es ganze Sammlungen berühmter und besonders amüsanter Exemplare.

Entweder werden die Anfangsbuchstaben der Silben eines Wortes, wie im Falle "Fischer" statt "Schiffer" oder die Anfänge mehrerer Worte eines Satzes miteinander vertauscht. Der englische Sprachwissenschaftler würde das folgendermaßen ausdrücken: 'The individual words themselves are wrongly assembled or sounds confused over a string of words or the first letters of words are mixed up: "parcark for carpark", "chish and fips for fish and chips".'

Im England des 19. Jahrhunderts, genauer an der Universität von Oxford, hat es ein Geschichtsprofessor namens William A. Spooner seinerzeit mit solch unbeabsichtigten "assembly errors" zu regelrechter Berühmtheit gebracht, weshalb im Englischen eine bestimmte Form von "assembly errors", bei denen die Anfangsbuchstaben verwechselt oder falsch wiederholt werden, Spoonerisms heißen.

Berühmte Stilblüten aus seinen Vorlesungen waren z.B.: "You have all hissed my mystery-lectures". Eigentlich wollte er sagen: You have all missed my history-lectures. oder:

"We all know what it is to have a half formed fish within us." ... A half formed wish within us, war das, was er eigentlich meinte. Oder schließlich:

"The Lord is a shoving leopard." Statt: "The Lord is a loving shepherd."

Bei Spooner, der diese Blüten in schöner Regelmäßigkeit von sich gab, ging man davon aus, daß sie ihm aufgrund seiner Zerstreutheit bzw. nervlichen Überbelastung unterliefen. (Der englische Sprachwissenschaftler sagt dazu: "A result of absent mindedness or nervous exhaustion"). Doch sollte man sich da nicht so sicher sein, zumal bei ihm gerade diese besonders amüsante, geradezu spektakuläre Form des Ausrutschers vorherrschte, während ihm sonst praktisch keine Fehler unterliefen. Sollten diese "Unterhaltungseinlagen" möglicherweise von langer Hand vorbereitet und eingeplant gewesen sein? Schließlich gibt es kaum etwas besseres, um die Hörerschar bei der Stange zu halten, die, um ihrer Häme zu fröhnen, seinen Lesungen aufmerksam lauschte und der dann zumindest diese "Ausrutscher" fest im Gedächtnis blieben.

5. Logische Brüche - Slips of Logic

Slips of logic - diese Form von Stilblüten bzw. diese logischen Brüche können einem unterlaufen, wenn man unter Zeitdruck steht und den eigenen Standpunkt für sich selbst noch nicht formuliert hat, also praktisch gleichzeitig spricht, formuliert und die eigene Stellungnahme klärt. Dann kann es vorkommen, daß man am Ende eines Satzes vergißt, wie man ihn eigentlich begonnen hatte. Die folgenden Stilblüten stammen dann auch aus verschiedenen Interviews, in denen der Interviewte in die Enge getrieben werden sollte und deshalb unter besonderem Streß stand:

Ein Politiker: "We live in a throw-away-society. We don't make things to last. Even our buildings today have a short lifecycle. Where would you find a modern building that has lasted as long as an ancient one".

Ein Boxer: "Sure have been deads and injuries in boxing, but none of them serious".

6. Unbeabsichtigte Zweideutigkeiten - "Unintentional ambiguous statements"

Unbeabsichtigt ("purely accidental") oder getrieben vom Unterbewußten ("out of subconscious motives") kann man durch die Wahl seiner Worte dem Zuhörer eine weitere, andere Wertung nahelegen, ohne sie wirklich eindeutig von sich zu geben. So kann man sich, falls unerwartete Konsequenzen daraus erfolgen, immer darauf herausreden, man habe die andere Bedeutung des Wortes gemeint und für die falsche Interpretation sei allein der Zuhörer verantwortlich. In der Politik ist diese Kunst subtiler Wertung, Unterstellung und Beleidigung zur wahren Meisterschaft gereift. Dagegen sind die folgenden Beispiele aus dem Englischen noch recht platt und eher dem Anfängerstadium zuzuordnen:

"He is a very curious person".
"She is a very funny girl".

Die Worte "curious" und "funny" können eine positive Wertung besitzen. "Curious" bedeutet nicht nur "neugierig", sondern auch "interessiert", "wissensdurstig", doch das könnte man auch direkter und eindeutiger ausdrücken, indem man beispielsweise sagt: "He is very interested in ...", "he is eager to learn all about ..." usw. Ohne weiteren Zusatz und mit der entsprechenden Mimik heißt "curious" einfach "He is a very strange person" - also ein merkwürdiger, seltsamer Mensch, ein schräger Vogel, wahrscheinlich ziemlich verrückt.

Mit "funny" ist es genau das gleiche. Mit "Funny" können "fröhlich", "lustig", "unterhaltsam", "amüsant" und ähnliche positive Wertungen gemeint sein. Aber das würde man eindeutiger mit "happy", "laughing", "good humored", "amusing" usw. ausdrücken. "Funny" hat für sich i m m e r eine negative Implikation in die Richtung "mad, strange" also verrückt, sonderbar, genau wie "curious", von der Wertung her jedoch sogar etwas stärker.

Wenn man meistens davon ausgeht, Sprache zu beherrschen, sie zu verwenden, literarisch zu formen, sie mit Metaphern und Allegorien und anderen Stilmitteln zu kontrollieren, dann muß man vielleicht überrascht feststellen, daß sie sich auf ihre Weise mit all den genannten Versprechern rächt.

Slips give language a change to get its revenge

Erstveröffentlichung 26. Februar 1996
aktualisierte Fassung


30. Januar 2007