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ENGLISCH/710: Britain today (37) Ein Lord zu Weihnachten (SB)


Ein Lord für 29 Pfund


"Lord"-Titel als Geschenk unter dem Weihnachtsbaum



"Die spinnen, die Briten", dieses modifizierte Zitat eines berühmten Galliers fällt einem angesichts der immer skurrileren Blüten ein, die das Weihnachtsgeschäft der Überflußgesellschaft auf der traditionsgebundenden britischen Insel treibt.

Während sich hierzulande zunehmend Menschen aufgrund von ungezahlten Rechnungen zum Fest auf der Straße wiederfinden und vermutlich weder Lust auf Weihnachten haben, noch einen Sinn in Geschenken sehen, fragen sich die Angehörigen der immer reicher werdende Elite jedes Jahr aufs Neue, mit was sie denjenigen, die ohnehin schon alles haben, d.h. den mit allen erwerblichen Gütern des modernen Luxus gesegneten britischen Gentlemen oder -women zu Weihnachten überhaupt noch schenken können. Seit einigen Jahren gibt es in diesem Falle eine recht seltsame Option:

Warum nicht einmal statt des üblichen Buchs oder Parfüms den Titel eines "Lords" und den damit verbundenen Glanz und Standesdünkel eines Landadeligen verschenken? Für den Kaufpreis von erschwinglichen 29 britischen Pfund (rund 42 Euro) könne absolut jeder die Seite wechseln und den Rang eines Herrenmenschen bekleiden.

Dafür verkauft die britische Internetseite Buyagift.com seit zwei Jahren winzige Parzellen des schottischen Guts Glencairn, deren Erwerb mit dem Titel des "Laird" ("Gutsherr") verbunden ist. Dieser Rang entspreche dem eines "Lord" oder einer "Lady", gibt das Unternehmen an. Der Erwerb ist dann auch mit der Berechtigung verbunden, diesen Titel vor seinem Namen zu nutzen.

Abgesehen von dem bloßen "Gefühl", anderen Mitbürgern gegenüber eine gehobene Stellung einzunehmen, ist mit dem Titelerwerb kein weiteres Recht, z.B. das Anrecht, auf dem Anwesen zu bauen, verbunden. Und anders als ein echter "Lord" gehört der "Laird" auch nicht wirklich dem britischen Adelsstand an, d.h. er genießt nicht einmal die entsprechenden Vorrechte in der Gesellschaft.

Der vermeintliche Festtagsgag, zu einem geringen Aufpreis selbst zum Adel dazuzugehören, hat allerdings auch einen nicht zu unterschätzenden Nebeneffekt: Kritische Gedanken, die sich in den Gemütern aufgrund bestehender Privilegien regen, die die britische Kaste der "Lords" und "Ladies" für sich beansprucht, werden durch solche Handelserwerbe im Keim erstickt oder zumindest relativiert. Der billige Kauf eines Quasi-Privilegs, das in Wahrheit keinen Unterschied macht, bestätigt nur die ohnehin bestehenden Verhältnisse.


27. Dezember 2006