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ENGLISCH/915: Lehrmittel (32) BBC Learning English mit 'The Teacher' (SB)


Unwiderstehlich "British" bis unter die Haarspitzen - vergessen unmöglich gemacht


Sitzen Sie gerade an Ihrem Rechner? Dann geben Sie doch mal spaßeshalber den Begriff "The Teacher" in das Google-Feld und mehr nicht. Platz eins auf der sich daraufhin öffnenden Googleliste ist mit "Learning English - The Teacher" überschrieben. [1] Wenige Augenblicke oder "mouse clicks" später werden Sie ihn dann auch persönlich kennenlernen, den sämtliche Klischees eines englischen oder britischen Privatlehrers verkörpernden und sich gleichzeitig allen pädagogischen Richtlinien entziehenden "Teacher"!

The Teacher vor dem typischen Ambiente eines bürgerlich britischen Wohnzimmers - Foto: © 2013 by BBC Learning English, Neil Edgeller

'Hello, I'm a very interesting and very intelligent man.'
Pete Staves, The Teacher
Foto: © 2013 by BBC Learning English, Neil Edgeller

Auf der Webseite des BBC worldservice "Learning English" strahlt Ihnen bereits das unverwechselbare Grinsen des gekonnt spießigen, meist schlips- und hutbewehrten Konterfeis entgegen, das mit dem leicht belustigten, baff erstaunten, Gesichtsausdruck charakterisiert werden kann, als habe dieser gerade eine großartige Entdeckung gemacht, die er nun unbedingt an seine Schüler weitergeben will.

Derart aufgesetzter Enthusiasmus kann doch eigentlich nur massive Abwehr ernten, besonders bei schulgeschädigten, eingefleischten Lernmuffeln, die dies sofort als pädagogischen Kunstgriff enttarnen und sich vielleicht nur zur Bestätigung des eigenen Urteils einen der dreiminütigen Lehrfilme "reinziehen" ... und anschließend zum Teacher "konvertieren". Wie ist das möglich?

Letztlich überzeugt das eigentlich einfache "Lehrer"prinzip durch seine hartnäckige und konsequente Wiederholung, mit der "The Teacher" in buchstäblicher und wortwörtlicher Übertreibung nicht nur den Lehrstoff, sondern auch seine eigene Rolle durch den idiomatischen Kakao zieht:

"Hello, I'm a very intelligent and interesting man...", führt er sich für gewöhnlich ein, das britische "Understatement" mit Füßen und Selbstüberschätzung tretend. Im Verlauf eines einzigen Lehrvideos räumt er mit sämtlichen Vorurteilen auf, die man so mit dem Lernen gemeinhin verbindet. Kurzum: The Teacher schafft ein völlig neues Lernkonzept, das selbst konsequente Sprachlernverweigerer damit überwältigt, sich wortgetreu mit der englischen bzw. der hier besonders "britisch" zelebrierten Sprache auseinanderzusetzen. Das ist für solche, die immer schon mal verschollene Kenntnisse auffrischen wollten, sicher ein Anfang, denn zum kompletten Rekapitulieren reicht das hier Gebotene nicht, wirkt aber höchst motivierend.

Die "Lessons" des BBC-Englischlehrers sind auf eine bestimmte Anzahl kleiner Videobeiträge (alles in allem etwa 43) begrenzt, die sich auf der BBC-Webseite direkt ansehen, aber auch einzeln herunterladen lassen. Sie können auch noch durch entsprechende PDF-Dateien textlich vertieft werden - und mehr nicht. Von diesem leicht verdaulichen, wenig belastenden Appetithäppchenangebot läßt man sich gerne zum aufmerksamen Hinschauen zu Zuhören verführen. Die "Lessons", für die das Team Pete Staves (der Interpret des Teachers), Paul Scott und Neil Edgeller (Autor und Produzent) 2007 den "English speaking Union President's award" von keinem geringeren als dem Präsidenten der ESU "himself" HRH The Duke of Edingburgh [2] verliehen bekam, sind einfach mitreißend komisch und zwar im klassischen Sinne des britischen, hintersinnig-schwarzen Humors. Man findet darin ebenso sprachliche Anlehnungen an die Karikaturkommentare des ersten, satirischen Punch- Magazins [3] wieder wie die fortgesetzte Tradition von Parodien und Persiflagen, mit denen in Monty Python's Flying Circus [4] alles aufs Korn genommen wurde, was die britische Gesellschaft und Medienöffentlichkeit der späten 60er und frühen 70er Jahre prägte und bewegte.

Kurzum, die Beschäftigung mit dem allzu Wörtlichen kann durchaus Überraschungen bieten, obwohl die Herangehensweise dieses Internetformats, das von der English Speaking Union u.a. "als eigenständiges und geschlossenes Lehrprogramm, das ohne Zusatzmaterialien auskommt" ausgelobt wurde, denkbar einfach ist und mit leichten Abweichungen ein durchgehend gleiches Vortragsmuster präsentiert. Gerade Letzteres animiert die Aufmerksamkeit und bedient sich des satirischen Mittels der Überspitzung, wie das folgende Beispiel zeigt:

"Hello, I'm a very interesting and very intelligent [...] man."

Zunächst vielleicht unverständliche Varianten dieser Begrüßungsformel bringen das Anliegen sofort auf den Punkt, zum Beispiel

"I'm a very interesting and intelligent and very hairy man."

Oder:

"Hello, I'm a very interesting and intelligent sailor ..., er, man."

Auch die folgenden, einführenden Sätze wiederholen sich fast immer mit dem jeweils aktuellen und daher variablen "Topic" der Lektion:

"And today these boats and I are getting together to teach you some English idioms."
"I bet you've never been taught by some boats before. Ha. Har."

Ein bedeutungsvoller Blick des "Teachers", eine Kunstpause und es folgt eine kurze Situationsbeschreibung, in die eins der drei Idiome dieser Lektion, in der ein Begriff aus der Schiffahrt vorkommt, hineinpaßt, zum Beispiel:

"Oi! Wait for me. That's right. I've missed the boat."

Daran schließt sich ebenfalls auf die immerzu gleiche Weise die eigentliche Erklärung:

"In English, if we miss an opportunity to get involved in something because we waited too long, we say 'I missed the boat'."

Es folgt die Wiederholung nach erneuter Kunstpause mit Blick über den Brillenrand, in komischer Anlehnung an herkömmliche Sprachdidaktik:

"I missed the boat."

Und dann die Überleitung zum nächsten Idiom (im Bilderrahmen im Hintergrund schwimmt jetzt ein Schiff):

"Oh well maybe I can catch this next one.
Ah, The Titanic. She's a nice, safe looking boat.
Aah, yes, from now on it'll be plain sailing.
In English, if something is very easy and there are no problems, we can say 'It's plain sailing'."

Was sich in verschriftlichter Form nicht so vermitteln läßt, aber den Reiz dieses Konzepts ausmacht, ist die betont minimalistische, kleinbürgerliche Kulisse, in der diese Szenen stattfinden. In geringfügigen Varianten der innenarchitektonischen oder dekorativen Ausgestaltung spielen sie immer in dem gleichen platzverknappten Wohnzimmer eines kleinen (semi-detached) Reihenhauses vor dem unverzichtbar riesigen Kaminsims der elektrischen Heizung und dem Goldrandbilderrahmen. Er gibt wechselweise vom Film bis zu handschriftlichen Notizen all das wieder, was früher auf der Schultafel stattfand. Im Hintergrund gleichfalls unumgänglich die spießige Dekor-Tapete, wie man sie in vielen mit Teppich-Velour ausgelegten Mittelstandswohnungen der nicht so wohlhabenden englischen Bevölkerung finden kann.

In seiner pantomimisch unterstützten Einmann-Vorführung beschränkt sich der Teacher mit seiner Kostümierung zumeist auf die aussagekräftige Kopfbedeckung (von Kapitänsmütze bis Mobilisten-Lederkappe) oder seltsame Brillen. Hilfsmittel wie Schreibstifte, überdimensionales Werkzeug, die unerläßliche cup of tea werden von Helfern im Hintergrund angereicht, von denen nur kurz Hand und Arm ins Bild geschoben wird. Verschiedene Lautuntermahlungen aus Stummfilmzeiten unterstützen das Slapstickähnliche dieser Darstellung. "I would give my right arm to meet Mr. Bean", sagt der Teacher und "PLOPP", Bildschnitt, der Arm steckt versteckt unter dem weißen, steifgestärkten Oberhemd, der rechte Ärmel ist lose mit einer Sicherheitsnadel über die Brust drapiert und "The Teacher" kann den ihm zugeworfenen Filzschreiber nicht mit der linken Hand fangen. Dem Lernenden werden so auch die Konsequenzen der hautnah und pantomimisch umgesetzten Begriffe und Wendungen deutlich vor Augen geführt.

Tatsächlich sind es gerade diese wörtlich inszenierten Details, die dem Zuschauer die dazugehörigen "idioms" gewissermaßen "hinter die Ohren schreiben", was The Teacher, um noch ein Beispiel für seine wortwörtliche Lehrmethode zu geben, dann auch mit einem wasserfesten Stift tun würde ...

Möglicherweise nicht einmal unbeabsichtigt von den Gestaltern werden u.a. auch gesellschaftliche Mißverhältnisse, die sich sprachlich widerspiegeln lassen, thematisiert. Das geschieht meist nur in reflexartig kurzen Sequenzen, zum Beispiel die gespielte Furcht vor dem stets drohenden Boß im Nebenzimmer, Mißgeschicke in der Alltagsbewältigung oder auch die Gefahr, durch falsche oder unpassende Worte um die eigene Existenz gebracht zu werden. An der Resonanz der Konsumenten aus aller Welt, die man in einem Teacher-Blog auf der BBC-Webseite einsehen kann, läßt sich erkennen, daß damit durchaus der Nerv der Zeit getroffen wird.

In jeder Lerneinheit stellt der "Teacher" den potentiellen Nutzern seiner Videosequenzen die kleine Aufgabe, den "Lehrstoff" schriftlich in Form einer E-Mail zu vertiefen, indem er beispielsweise dazu auffordert, eigene Lebenssituationen zu schildern, auf die eine der neu gelernten idiomatischen Wendungen passen würde. Was hierauf von Englischlernenden aus aller Welt auf diese Weise an sozialen Problemen zur Sprache gebracht wird, geht über die Motivation, nur eine Fremdsprache zu erlernen, weit hinaus, und zeigt, daß ein guter Lehrer zunächst lernen muß, die gleiche Sprache wie seine Schüler zu sprechen, und wenn er dazu auch mit Händen und Füßen oder komischen Hüten argumentieren muß.

Fazit: Sehr bedauerlich, daß wohl keine weiteren Folgen dieser Serie zu erwarten sind.



Anmerkungen:

[1] Falls das in Ihrem Fall nicht so sein sollte, kopieren Sie den folgenden Link
http://www.bbc.co.uk/worldservice/learningenglish/language/theteacher/
in ihr Suchfeld und bestätigen Sie diese Wahl. Sie werden möglicherweise etwas entdecken, was Sie die nächsten Stunden, ob Sie nun wollen oder nicht, Englisch lernen läßt.

[2] HRH = His Royal Highness The Duke of Edingburgh ist hierzulande besser bekannt als "Prinz Philip" und Gemahl der Queen of England.

[3] Das Punch-Magazin war eine satirische Zeitschrift, die 1841 in London begründet wurde. Punch prägte den Begriff Cartoon als Bezeichnung für komische oder satirische Zeichnungen. Die Galionsfigur der Zeitung war die Handpuppe Mr. Punch (eine Kasperlefigur). Hier ein typischer Cartoon, der weniger von der Zeichnung als von den Worten lebt, und von einer Punch-Titelseite stammt, die den König von Rumänien, Ferdinand I, zusammen mit dem "Kaiser" abbildete: Kaiser: "So, you too are against me! Remember Hindenburgh fights on my side." King of Romania: "Yes, but freedom and justice fight on mine."

[4] Monty Python, zur weiteren Fortbildung siehe auch die completely unauthorized, completely silly and completely useless Monty Python web site [die völlig unautorisierte, völlig blödsinnige und komplett nutzlose Monty Python Webseite]
http://www.intriguing.com/mp/
oder
http://www.bbc.co.uk/comedy/montypython/


30. Januar 2013