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FRANZÖSISCH/011: Warum einsprachiges und zweisprachiges Wörterbuch? (SB)


Mit dem Wörterbuch auf Kriegsfuß?


Teil 2. Das einsprachige und das zweisprachige Wörterbuch

Wieso eigentlich zwei?



Lernt man eine Fremdsprache, ist es gut, sich möglichst bald mehr in der jeweiligen Sprache aufzuhalten als in der eigenen. Dafür ist ein einsprachiges Wörterbuch recht nützlich, und zwei Jahre Französisch reichen durchaus, um damit anzufangen. Wenn man jedoch Lust dazu hat, kann man sich ruhig auch schon früher mit einem solchen Wörterbuch befassen; es ist nicht schlimm, wenn man zunächst nichts versteht, sondern lediglich einen Eindruck gewinnt. Eine Übungsmöglichkeit, die sich anbietet, wäre zum Beispiel, auch wenn es aufwendig erscheinen mag, einen unbekannten Begriff immer zunächst im einsprachigen Wörterbuch nachzusehen und erst, wenn man die Erklärung auch nicht versteht, das zweisprachige zur Hand zu nehmen. Geht es allerdings um die Frage, welches von beiden man sich anschaffen sollte, würde ich immer erst das zweisprachige wählen.

Das einsprachige Wörterbuch eignet sich natürlich hervorragend zum Blättern und Stöbern. Man kann wunderbar vom Hundertsten ins Tausendste geraten, wenn man die ganzen Begriffe, die das Wort erklären sollen und die man auch nicht versteht, wiederum im selben Wörterbuch nachschlägt. Es schadet allerdings überhaupt nichts, wenn man eine Vielzahl der nachgeschlagenen Wörter nun immer noch nicht versteht oder die gefundene Erklärung alles noch schleierhafter macht. Was primär zählt, ist die Beschäftigung mit der Materie, und ich garantiere, es läßt einen irgendwann nicht mehr in Ruhe - man muß es einfach wissen. Und das behält man dann auch.


Verfolgen wir doch gleich einmal ein Beispiel:

"cachet n. m. Petit sceau gravé portant en relief ou en creux les armes, les initiales de celui qui le possède:"

Das Wort "cacher" kennt man vielleicht gerade noch als verstecken - aber das hilft hier nicht weiter. "Graver", "relief", "initiales" sind dem Deutschen ja noch verhältnismäßig ähnlich -aber der Rest ...

Also weiter mit "sceau". Und da findet sich dann:

"seau n. m. Cachet officiel employé pour un acte authentique; l'empreinte même de ce cachet."

Also, da das nicht unbedingt weiterbringt, sehen wir mal das nächste Wort "en creux". Da haben wir dann:

"creux, creuse, adj. Qui a une cavité intérieure:"

Aber was heißt denn nun "cavité"?

"cavité n. f. Creux, vide dans un corps solide:"

Gehen wir mal davon aus, daß ich "vide" nun kenne - es handelt sich also um eine Art Aushöhlung in etwas Festem. Kommen wir zu "sceau" zurück, so ist es ein Ding mit einem Relief oder einer Aushöhlung. Jetzt wäre der Begriff "armes" noch hilfreich. Als erstes findet man natürlich die Bedeutung "Waffen", die vielleicht vorher schon bekannt war, in dem Zusammenhang jedoch rein gar nichts sagt. Doch hier nicht aufgeben, weitere Alternativen werden geboten. Nachdem man den ganzen militärischen Aspekt hinter sich gebracht hat, stößt man schließlich auf:

"Emblèmes figurés sur l'écu"

Bis zum Emblem zu gelangen ist nun keine Schwierigkeit, aber das nächste störende Wort folgt auf dem Fuße. Also muß ich nun mindestens unter "écu" nachschlagen. "Emblèmes" hat, davon gehen wir jetzt einfach einmal aus, etwas mit Emblem, also Figur oder Zeichen zu tun. Ich gebe allerdings zu, der Begriff "écu" ist noch ein wenig schwieriger erklärt, als der ursprüngliche Begriff "sceau". Hier spätestens käme dann das zweisprachige Wörterbuch ins Spiel.

Wenn man allerdings nur das einsprachige zur Verfügung hat -sprich Französischarbeit in der Schule? Nun, ich will es jetzt verraten, beim Wort "sceau" gibt es noch ein, zwei Hinweise zur Verwendung des Wortes. Und mir ist die Bedeutung spätestens aufgegangen bei "Confier une chose sous le sceau du secret, à la condition que le secret en sera bien gardé." Es ist also nicht aussichtslos.

Es ist nie ein Grund zu verzweifeln, wenn man nicht versteht - auch nach längerem Suchen nicht. Denn jedes einzelne kleine nachgeschlagene Wort übt, und gerade das, was man nicht wußte, beschäftigt einen weiter. Und wenn alle Stricke reißen, kann man ja immer noch im zweisprachigen Wörterbuch nachsehen:

"sceau m Siegel(abdruck m) n; fig Stempel m; pl Staatssiegel m"


Mit Sicherheit ist der Gebrauch eines einsprachigen Wörterbuchs zuerst ungewohnt, und man wähnt sich vielleicht verlassen auf weiter Flur. Aber dieser Zustand hält nicht an. Sei noch erwähnt, daß die obigen Beispiele aus "Larousse Élémentaire à l'usage des Allemands - Ein Schulwörterbuch mit französischen Definitionen", Larousse, Langenscheidt, stammen. Dieses Schulwörterbuch ist dem Gebrauch in Mittel- und Oberstufe entsprechend erstellt, also sagen wir einem Stand von 3 bis 6 Jahren Französisch angemessen. Es spricht allerdings nichts dagegen, sich schon früher an die schwierigere Ausgabe zu machen. Die deutsche Übersetzung stammt aus: Weis/Mattutat: "Wörterbuch der französischen Sprache", Bd. 1, Ernst Klett Verlag, Stuttgart.

Ich persönlich benutze das einsprachige Wörterbuch immer dann, wenn ich mit dem zweisprachigen nicht weiterkomme, wenn ich ein Wort, eine Bedeutung nicht finde oder wenn mir das Wort, das ich zum Beispiel in einer Übersetzung verwenden will, so unbekannt ist, daß ich es überhaupt nicht einzuschätzen vermag; wenn ich also nicht weiß, ob es an dieser Stelle nun angemessen ist oder ein Flop à la Lübke.


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Was bietet das einsprachige Wörterbuch noch?

Im Falle des kleinen Larousse ist einigen Wörtern mit schwierigerer oder unbekannterer Aussprache die entsprechende Umschrift in internationaler Lautschrift beigefügt. Vereinzelt gibt es Zeichnungen, wenn eine Beschreibung nicht ausreicht, um den Begriff deutlich zu machen. Zum Beispiel im Fall der "crevette", Krabbe oder des "crapaud", der Kröte. Dann gibt es noch eine kurze Liste gebräuchlicher französischer Abkürzungen und eine Liste jener, die im Wörterbuch selbst zur weiteren Definition der Begriffe verwendet werden. Ein "H", das aspiriert wird, also Bindung und Apostrophierung ausschließt, aber gleichfalls nicht ausgesprochen wird, ist mit einem Stern gekennzeichnet. Natürlich sind Wortart und grammatisches Geschlecht angegeben, bei Adjektiven zusätzlich die weibliche Form oder Endung und bei Substantiven mit schwieriger Pluralbildung die jeweils entsprechende Endung. Und nicht zu vergessen, die Anwendungsbeispiele.


Das zweisprachige Wörterbuch hat natürlich den Vorteil, daß man das nachgeschlagene Wort meist auf Anhieb versteht, obwohl die Interpretationsmöglichkeiten mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad steigen. Nicht immer hilft hier der Textzusammenhang weiter, und es heißt weiterstöbern.

Quellen:
"Larousse Élémentaire à l'usage des Allemands - Ein
Schulwörterbuch mit französischen Definitionen",
Langenscheidt.
Weis/Mattutat: "Wörterbuch der französischen Sprache",
Bd. 1 u. 2, Ernst Klett Verlag, Stuttgart.


Erstveröffentlichung am 1. März 1995


1. Februar 2007