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FRANZÖSISCH/153: Lehrmittel (4) Praktischer Sprachlehrgang Französisch (SB)


Micheline Funke und Braco Lukenic


Praktischer Sprachlehrgang Französisch

Der Standardkurs für Selbstlerner



Dieser Sprachkurs besteht zum einen aus dem "Praktischen Lehrbuch Französisch", zum anderen aus vier Audio CDs. Buch und CDs sind auch unabhängig voneinander zu erwerben, die Audio CDs stellen eine Ergänzung zum Buch dar, nicht umgekehrt. Die Einführung im Lehrbuch macht mit der Systematik des Kurses vertraut und gibt erste Hilfestellungen für den Autodidakten. Das Niveau dieses Sprachlehrgangs ist von Beginn an hoch angelegt. Nach den 20 Lektionen soll man in der Lage sein, die Prüfung zum Europäischen Sprachenzertifikat Niveau B1 (z.B. an der Volkshochschule abzulegen) zu bestehen. Entsprechend straff und konventionell wird der Stoff - Alltagssituationen, die einen Basiswortschatz von 1.800 Wörtern vermitteln sowie grundlegende Grammatikkenntnisse - präsentiert.

Wer sich noch nie mit der französischen Sprache befaßt hat, wird einige Anfangsschwierigkeiten haben und auch, wer über wenig Übung als Autodidakt verfügt, wird auf eine ganze Reihe, nicht immer erwarteter, Probleme stoßen. Aus diesem Grund ist es ratsam, wenn man sich schon für diese Art des Lernens entschieden hat, die Tips und Anleitungen im Buch zunächst genau zu befolgen. Als geübter Selbstlerner hat man andere Möglichkeiten und sollte diese unbedingt einsetzen. Je nach Intensität der Beschäftigung mit den Texten und Aufgaben (etwa 2-3 Std. über den Tag verteilt) lassen sich diese durchaus in einem halben bis einem Jahr bewältigen.

Der Lehrgang ist so konzipiert, daß man das Buch allein verwenden kann, bezieht sich aber trotzdem in den Lektionen und mit einem auf diese zugeschnittenen Kapitel zum Hör- und Sprechtraining auf die Audioversion. Wer keine Möglichkeit hat, Französisch zu hören oder sich auf französisch auszutauschen, sollte nicht auf die CDs verzichten. Der Kurs ist kompakt, führt zielstrebig und systematisch voran. Nüchtern angelegt läßt er das Abenteuer des Sprachenerwerbs völlig missen. Es gibt keine Überraschungen. Doch sollte man sich, auch wenn er einen etwas antiquiert-schulischen Eindruck erweckt, nicht täuschen lassen: Im Gegensatz zu den modernen Regelschulbüchern, denen weitgehend die Systematik abhandengekommen zu sein scheint, bietet er eine echte Anleitung. So besticht diese Ausgabe nicht nur dadurch, daß man zu Beginn jeder Lektion erfährt, was sie zu vermitteln sucht. Wertvoll sind die Hinweise zu Aussprache, Betonung und Schreibweise, die Übersicht über grammatische Fachausdrücke mit Verweis auf die entsprechende/n Lektion/en zu Beginn, Verbtabelle, die klare Aufteilung in Basistexte, Grammatik, Übungen und begleitende sowie zusätzliche Informationen.


Ein erläuternder Blick auf Lektion 3, zunächst werden die Lernziele genannt:

Ihre Lernziele in dieser Lektion sind:
- Einladen, auf eine Einladung reagieren
- Angaben zur eigenen Person machen
- Zum Geburtstag gratulieren
- Die Grundzahlen ab 21
- Die Verben avoir, aller, faire, prendre - Präsens
- Der Fragebegleiter quel
- Die Ländernamen und Nationalitäten
- Die Angleichung der Adjektive

(Praktisches Lehrbuch Französisch, S. 43)

Dann folgen Einladungsbeispiele und Antworten darauf mit jeweils deutscher Übersetzung und, bevor's ans Eingemachte geht, noch zwei orientierende Sätze zur Lektion:

Quoi de neuf Sie begleiten Romain und Morgane auf das Geburtstagsfest ihrer Freundin Sandrine. Sie werden die Bekanntschaft anderer Freunde machen. Für Sie ist es auch Gelegenheit, das Präsens wichtiger unregelmäßiger Verben zu entdecken, die Frage mit quel sowie Ländernamen und Nationalitätsbezeichnungen kennen zu lernen.
(ebd. S. 44)

Und vor dem Basistext in direkter Rede findet sich eine Übersicht zu den angekündigten Verben sowie dem Fragebegleiter, auf die man wiederum im Text stößt. Dann Vokabeln, die Ländernamen und Grammatik, Redewendungen, die Zahlen ab 21, eine deutschgefaßte Kurzinformation zum Feiern in Frankreich, schließlich Übungen zur jeweiligen und Zwischentests nach jeder 5. Lektion. Die Erläuterungen und Hinweise sind in deutscher Sprache gehalten.


Eine Plage sind die Multiple Choice-Aufgaben und Übungen, die man weniger deswegen löst, weil man sich einen Zugang zu dem jeweiligen Begriffs- und Grammatikfeld erarbeitet hat, sondern, weil das Schema der Übung bekannt ist. Aus dem Grunde sollte unbedingt zumindest das Multiple Choice-Verfahren ausgeschlossen werden, das eher Kreuzworträtsel- und Assoziationsfähigkeiten abfragt, als die erworbenen Sprachkenntnisse. Hier wären einfach Tips zur weiteren Vertiefung der Vokabel- wie Grammatikkenntnisse wie beispielsweise die Bildung eigener Sätze, das Verfassen kleiner Szenen etc. angebracht, auch wenn diese das Problem mit sich bringen, daß sie unüberprüft bleiben. Letzteres wäre dann noch die eine oder andere Überlegung wert: eine Sprachkurs-Infoline, ein E-Mail-Service mit Rückkorrektur?

Ausschlaggebend dafür, wie sehr sich der erarbeitete Stoff einprägt, ist weniger die Beharrlichkeit beim Auswendiglernen als die ausgiebige und vielfach variierte Beschäftigung damit. Es lohnt sich also, das Erlernte auf jede erdenkliche Weise so oft wie möglich zur Anwendung zu bringen - Rollenspiel auf französisch wäre eine von vielen Ideen dazu.

Von den vier CDs enthalten zwei die im Buch behandelten Dialoge (100 Min.). Diese sind in einer schnellen, dann noch einmal in einer langsameren Fassung gesprochen, letztere eigentlich nicht langsam genug. Die weiteren zwei CDs (95 Min.) enthalten die bereits erwähnten Übungen bzw. Hör- und Sprechtraining. Beschränkt man sich auf diese Audiofassungen, sollte man sie zumindest häufigstmöglich hören und vor allem französische Selbstgespräche führen: zunächst das Gehörte wiederholen und dann, mindestens so oft es einem in den Sinn kommt, den Faden weiterspinnen. Zwar fehlt hier die Korrektur, doch das Problem ist zu vernachlässigen, weil die kontinuierliche Beschäftigung mit der französischen Sprache Fragen aufwirft, seien es Verständnisfragen oder nur: Mache ich das jetzt richtig?, die wiederum ausgesprochen motivierend für das weitere Lernen sein können.

Darüber hinaus könnte man die Überlegung anstellen, ob sich nicht der Mut von seiten des Verlages auszahlen würde, noch eine CD mit einfachen, jedoch auf jeden Fall freien, vielleicht sogar literarischen Texten oder auch Lyrik, nebst ihrer schriftlichen Fassung, zum einfachen und wiederholten Hören beizulegen. Sie müßte so gestaltet sein, daß sie nicht schon deshalb Langeweile erzeugt, weil man mit ihr wie bei den üblichen Lehrbüchern per Lektion im Restaurant, beim Einkaufen, am Telefon, auf den Champs-Elysées, im Prado, Louvre oder auf der Tower Bridge landet.

Auf keinen Fall sollte sich der Anfänger wie der Fortgeschrittene auf den einen Lehrgang beschränken, sondern soviele andere Quellen wie möglich hinzuziehen. Die Systematik bietet der Grundkurs, da kann man sich nicht verlieren. Die weitere Beschäftigung mit der Sprache, die zusätzliche Motivation, den Spaß an der Sache sucht man sich an anderer Stelle: Bücher mit ersten Texten und Vokabelhinweisen oder zweisprachige Ausgaben, Chansons, Radio, Filme, Gleichgesinnte, das Französische Institut... Diese Art des Lernens, die solide Basis, die man sich zunächst in Ruhe und mit Nachdruck verschafft, bietet über die Vielfalt hinaus noch die Möglichkeit, zu verweilen und gezielt das eigene Spektrum zu erweitern, einen Gedanken, eine Frage zu fassen, zu rekapitulieren und sich darauf zu besinnen, was man eigentlich erreichen will: Frankreich und die Menschen dort kennenlernen, Victor Hugo, Jean Paul Sartre oder Houellebeq im Original lesen, Rimbaud verstehen oder einfach Geschäftskontakte pflegen. Das geht auch.

Zu bemerken wäre noch, daß es sich bei den hier vermittelten Kenntnissen um das gesprochene Französisch handelt. Daß sich dieses mehr noch als im Deutschen von der Schriftsprache unterscheidet, sollte man wissen. Für das klassische Französisch stellt das hier Gelernte eine gute Basis dar, bedarf aber unbedingt der Vertiefung, wenn man sich vom Dialog fort zum Beispiel der Literatur zuwenden möchte, wenngleich die jüngere französische Literatur sich durchaus auch der gesprochenen Sprache bedient. Es wäre jedoch als ausgesprochener Verzicht und Verarmung zu betrachten, wollte man sich nur mit dieser befassen.

Knapp zusammengefaßt vermittelt dieser Lehrgang wichtige Grundlagen systematisch, über eine relativ kurze Durststrecke hinweg, wenn man sich ihm regelmäßig und gründlich widmet. Diese soliden Kenntnisse wiederum befähigen dazu, sich mit einem größeren Spektrum zum Erwerb der französischen Sprache gewinnbringend zu befassen. Wagen wir jedoch noch einen Blick darüber hinaus, den Blick auf grundsätzlichere Fragestellungen, die nicht nur das Erlernen einer Fremdsprache betreffen: Der Lehrgang an sich entspricht in Aufbau und Systematik dem konventionellen Verständnis von Sprache als einem durch Nachahmung zu erlernenden Regelwerk, das die Verständigung zwischen Menschen ermöglichen soll. Das heißt, er vermittelt dieses Regelwerk, nicht mehr und nicht weniger. Das wiederum bedeutet, er setzt auf seine Art unausgesprochen Grenzen, die möglicherweise genau das behindern, was viele, die Fremdsprachen erlernen, als ihre Grundmotivation ausmachen: einen Zugang zum anderen Menschen zu finden. Die als korrekt geltende Ausdrucksweise mag hier das Bemühen ersetzen, auf den anderen ohne Zwischeninstanz und mit der ganzen damit verbundenen Unsicherheit zuzugehen, die Grenzen negieren könnte. Das bedacht, besteht jedoch auch die Chance, das Regelwerk schließlich zu verlassen und in unbekannte Regionen vorzudringen - auch dafür sollte man es kennen.


Micheline Funke und Braco Lukenic
Praktischer Sprachlehrgang Französisch
Lehrbuch mit 4 Audio CDs
Langenscheidt Verlag, 2005
29,90 Euro
ISBN 3 468-80463-6


Erstveröffentlichung am 23. Januar 2006


23. November 2007