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CAMPUS/002: Offener Brief - versprochen, gebrochen ... 2 (AStA HfbK)


AStA HfbK - 2. April 2014
Allgemeiner Studierendenausschuss der Hochschule für bildende Künste Hamburg

Offener Brief

Unterstützung des Antrags auf kollektive Niederschlagung aller Studiengebührennachforderungen



Dr. Dorothee Stapelfeldt
Zweite Bürgermeisterin
Behörde für Wissenschaft und Forschung
Rathausmarkt 1
20095 Hamburg

Hamburg, den 02. April 2014


Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

wir wenden wir uns an Sie als Bürgermeisterin und Senatorin. Wir schließen uns mit diesem Brief dem Antrag auf Niederschlagung aller offenen Forderungen von Studiengebühren an. Mit diesem Anliegen hatten sich bereits die Rechtsanwälte des AStA der HfbK an Sie gewandt. Leider haben Sie diesem Anliegen bislang nicht entsprochen, welches von uns unterstützt wird. Unser Ziel ist es, in Hamburg nunmehr einen endgültigen Schlussstrich unter das Thema Studiengebühren ziehen zu können. Als Angehörige eines Senats, der sich um die Abschaffung der unsozialen Studiengebühren in Hamburg verdient gemacht hat, sehen wir es als Ihre Aufgabe an, nunmehr auch die Altlasten zu beseitigen, welche durch die vormalige Einführung von Studiengebühren entstanden sind.

Denn wie Sie selber gesagt haben:
"Studiengebühren sind sozial ungerecht und in Deutschland mittlerweile zum Auslaufmodell geworden."

Viele Studierende und ehemalige Studierende der HfbK und anderer Hochschulen werden aber gerade zur Zeit wieder durch Mahnschreiben und teilweise durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Zahlung von vermeintlich ausstehenden Studiengebühren, teils in vierstelliger Höhe, angehalten. Auch offene Widersprüche gegen Studiengebühren wurden dabei nicht berücksichtigt. Zudem wurden bereits mehrfach Kontenpfändungen und Schufaeintragungen veranlasst.

Dies betrifft sogar ehemalige Studierende, die bereits in anderen Bundesländern wohnhaft sind oder als erziehende Eltern von solchen Maßnahmen besonders hart betroffen sind.

In den letzten Monaten baten deshalb viele Studierende und Ehemalige den AStA der HfbK erneut um Hilfe. Auf den Studierenden und Ehemaligen lastet ein immenser existenzieller Druck. Um diesen Druck von den Studierenden zu nehmen, fordern wir Sie hiermit auf, sämtliche Nachforderungen von Studiengebühren endgültig niederzuschlagen.

Neben der Tatsache, dass allgemeine Studiengebühren in Hamburg bereits Geschichte sind, gibt es vielschichtige Gründe dafür, die Nachforderungen niederzuschlagen:

- Vollstreckungsmaßnahmen zum Einzug von Bildungsgebühren sind aus unserer Sicht generell kein adäquates und legitimes Mittel. Sie stellen gerade bei finanziell schlecht gestellten Studierenden eine unbillige Härte dar. Dies betrifft die überwiegende Mehrzahl der Absolventen der HfbK.

- Das Menschenrecht auf Bildung schließt seine Unentgeltlichkeit mit ein. Studiengebühren widersprechen diesem Grundsatz.

- Viele Studierende hatten ihr Studium unter den Rahmenbedingungen der Unentgeltlichkeit begonnen und mussten davon ausgehen, dieses auch zu diesen Bedingungen beenden zu können. Diese Rahmenbedingungen während eines bereits begonnenen Studiums zu ändern, widerspricht unseres Erachtens eindeutig dem Vertrauensschutzprinzip.

- Auch sehen wir die Gleichbehandlung gegenüber den Studierenden- Generationen, die noch vor 2007 oder wieder ab 2012 studiengebührenfrei studieren konnten und können, als ein wichtiges Argument für eine dauerhafte Niederschlagung noch ausstehender Forderungen.

- Rechtlich sehr fraglich ist auch, ob die Erhebung von Studiengebühren bei gleichzeitigen Befreiungsmöglichkeiten für bestimmte Gruppen, die nicht ans Einkommen gekoppelt sind, gegen das Gleichbehandlungsgesetz verstößt.

- Die Studiengebühren würden - selbst im Fall ihrer rigorosen und erfolgreich forcierten Eintreibung - nicht mehr in die Haushaltsjahre fallen, für die sie eigentlich vorgesehen waren, sondern in das Haushaltsjahr 2014. Damit würden sie den gesetzgeberisch vorgesehenen Zweck verfehlen. Eine gesetzeskonforme Verwendung ist nicht mehr möglich. Die bisher nicht gezahlten Studiengebühren fehlen zur Zeit nirgends, da sie weder bereits eingeplant noch früher schon ausgegeben wurden. Durch eine Niederschlagung entstünde den Hochschulen keine zusätzlichen finanziellen Probleme.

- Die Verwendung der Studiengebühren war zu Zeiten ihrer Erhebung zweckgebunden und müsste es auch heute sein. Tatsächlich kämen sie jetzt im Falle ihrer Beitreibung aber nur dem allgemeinen Haushalt zu Gute und nicht den Hochschulen. Dies wäre unter rechtlichen Gesichtspunkten unzulässig.

- Da die Studierenden mit der Zahlung von Studiengebühren seinerzeit einen Beitrag zur Verbesserung der Lehre leisten sollten, ist es rechtlich fragwürdig, ob ein Einsatz der Nachforderungen für heutige Zwecke legitim wäre. Denn eine Verbesserung der Studienbedigungen ist für die Betroffenen nachträglich nicht mehr möglich.

- Die Verfassungskonformität der Studiengebühren allgemein ist bis heute noch nicht und bezüglich der nachgelagerten Studiengebühren nicht unter allen Gesichtspunkten abschließend gerichtlich geklärt. Daher können die ursprünglichen gesetzlichen Regelungen auch nicht als Rechtsgrundlage für die heutige Beitreibung von vermeintlichen Außenständen dienen.

- Zuletzt steht der bürokratische Aufwand zur Eintreibung der Nachforderungen in keinem Verhältnis zum Ertrag. In vielen Fällen würde und wird die Unpfändbarkeit der Forderungen festgestellt, allerdings hätte und hat diese negative Folgen für die Schuldner, weil Eintragungen ins Schuldnerverzeichnis die Folge sein könnten und sind. Weitere Folge wären und sind Schufaeintragungen, die wiederum zu Konten- und Kreditkündigungen führen könnten. Im übrigen hätten und haben die meisten ehemaligen Studierenden die Möglichkeit Stundungsanträge zu stellen, welche aber das Problem nur immer weiter in die Zukunft verlagern.

- Die fortgesetzte Beitreibung von Studiengebühren hätte und hat voraussichtlich viele neue Prozesse zur Folge, weil die Studierenden gehalten wären und sind, offene Rechtsfragen zu klären und alle Probleme individuell über Anwälte und Gericht zu lösen.

Angesichts dessen sollte endlich ein Schlussstrich unter die Altlasten gezogen werden und zwar nicht nur im Einzelfall, sondern kollektiv. Deshalb fordern wir Sie dazu auf, die Niederschlagung der Studiengebührennachforderungen zu veranlassen.

Sollten Sie die Problematik nicht kurzfristig im positiven Sinne entscheiden können, so bitten wir Sie bis zur abschließenden Klärung eine Aussetzung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen zu veranlassen.

Mit freundlichen Grüßen,


Erstunterzeichner_innen:
Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA) HfbK, Studierende und ehemalige Studierende der HfbK und anderer Hochschulen, Rechtsanwälte Martin Klingner und Mark Nerlinger (Kanzlei 49), Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), freier Zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs), Grüne Jugend Hamburg, AStA Hafen City Universität (HCU), AStA Technische Universität Harburg (TU), AStA Hochschule für Musik und Theater (HfMT), AStA Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW), Stupa HAW, Fachschaftsrat Finnougristik/Uralistik der Universität Hamburg, Boykotteducation HfbK, Die Initiative Rock gegen Rechts (since 1978)

Unterstützende Einzelpersonen:
Die Liste liegt der SB-Redaktion vor.

*

Quelle:
AStA HfbK
Allgemeiner Studierendenausschuss der Hochschule für bildende Künste Hamburg
Lerchenfeld 2, Raum 41, 22081 Hamburg
E-Mail: asta@hfbk.de
Internet: www.hfbk.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2014