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BUCHBESPRECHUNG/004: Kuki Gallmann - Ich träumte von Afrika (Autobiog.) (SB)


Kuki Gallmann


Ich träumte von Afrika



Als junge Frau erwacht Kuki Gallmann beim Klang formelhaft gesprochener, lateinischer Worte und begreift, daß ein Priester gerade dabei ist, ihr die Sterbesakramente zu erteilen. Sie hatte einen schweren Verkehrsunfall und lag im Krankenhaus. "Ich bin noch nicht tot", wehrt sie sich, und mit diesen Worten beginnt für sie der erste Schritt in ein neues Leben: Sie lernt Paolo kennen, der beim gleichen Unfall, der ihr Bein zertrümmerte, seine Frau verloren hat.

In einer autobiographischen Darstellung beschreibt die 1943 in Italien geborene Kuki Gallmann, wie Paolo ihren Kindheitstraum von Afrika zu neuem Leben erweckt. Er will ihr Kenia zeigen, sobald sie wieder laufen kann. Als der Zeitpunkt gekommen ist, und sie endlich den Gips abnehmen darf, ist ihr Bein verdreht zusammengewachsen und außerdem kürzer als das andere. Sie empfindet sich als Krüppel. Trotzdem reist sie mit Paolo nach Kenia.

Dem Kapitel ihres ersten Besuchs ist ein Shakespeare-Zitat vorangestellt: "Ich sprech' von Afrika und goldner Freude", und dieses Zitat faßt in Kürze ihre Faszination zusammen. Sie weiß, daß sie an keinem anderen Ort der Welt leben will. Da sie und auch Paolo offensichtlich über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen, sich den Traum einer Auswanderung zu erfüllen, gibt es nur einen Grund, die Reise hinauszuzögern: Kuki Gallmann will wieder richtig gehen lernen, bevor sie nach Kenia übersiedelt. Dazu sind erneute Operationen erforderlich, die sich über mehrere Jahre hinziehen.

Das Buch beginnt mit der schicksalhaft anmutenden Geschichte des schweren Autounfalls, der das weitere Leben der Autorin in eine neue Richtung lenkt. Es setzt sich fort in den erlebnisreichen Beschreibungen eines Lebens in Afrika, das nach europäischen Maßstäben - trotz einkehrender Gewohnheit und Alltäglichkeit - immer interessant, aufregend und auch unberechenbar erscheint, und das auch für Kuki Gallmann alles andere als nur positive Auswirkungen haben wird. Sie beschreibt die Geschehnisse, die ihren Alltag ausmachen, gewöhnliche wie herausragende, sehr blumig und überaus ergreifend.

Da ihr Leben sehr eng mit ihrer afrikanischen Wahlheimat verknüpft ist, vermittelt sie beim Lesen gleichzeitig einen Eindruck von den Verhältnissen und Möglichkeiten in Kenia, wie sie sich aus der Sicht der wohlhabenden weißen Bevölkerung in den 70er und frühen 80er Jahren darstellten. Die Menschen, die sie dort kennenlernt, gehören zum großen Teil zu den schillernsten Gestalten Kenias und sind zum Teil Nachfahren oder Bekannte der Legenden ostafrikanischer Kolonialzeit. Auch zur Zeit ihrer Auswanderung - und wahrscheinlich noch heute - führen diese Menschen dort ein privilegiertes Leben, und wer Wert darauf legt, kann im Abglanz einstmals berühmter Schauplätze wandeln. Musterbeispiel hierfür ist Diana Broughton, die Gattin Lord Delameres, die zur Zeit Kuki Gallmanns noch immer für ihre Bewunderer Hof hält und als eine Art Sinnbild für die dekadente Glorie der britischen Kolonie betrachtet werden kann.

Besonders zu Anfang, in den 70er Jahren, als Kuki Gallmann sich das erste Mal in Kenia aufhält, hat das Leben dort noch eine sehr viel unbändigere Note als bereits zehn und erst recht zwanzig Jahre später. Beispielsweise konnte noch jeder, der sich zum Jäger berufen fühlte, mit einem Gewehr losziehen und Löwen, Büffel oder auch Elefanten schießen. In den Beschreibungen solcher Szenen wird ihre ablehnende Haltung dieser Verhaltensweise gegenüber deutlich. Gleichzeitig weist sie jedoch darauf hin, daß diese Jäger die gleichen Menschen sind - nämlich Europäer - aus denen sich später die Hauptinitiatoren des kenianischen Umwelt- und Naturschutzes rekrutieren. Dieser allgemeine Wandel hin zur Erhaltung des afrikanischen Lebensraums wird für Kuki Gallmann noch besondere Bedeutung erlangen.

Mitten hinein in ihr glückliches, relativ sorgenfreies Leben drängen sich tragische Schicksalsschläge, die die Autorin alles in Frage stellen lassen, was sie bisher als vertraut, gewohnt und vor allem als dauerhaft betrachtet hat. Sie wird erneut vor die Frage gestellt, ob und in welcher Weise sie ihr bisheriges Leben verändern soll. Bei der Entscheidung, sich künftig für den Schutz bedrohter Arten in Kenia einzusetzen, sind ihre Freunde gleichzeitig Hilfe und Wegweiser. Zu ihren besten Freunden zählen Oria und Iain Douglas-Hamilton. Letzterer gilt als einer der weltweit bedeutendsten Elefantenexperten. Ein anderer guter Bekannter ist Richard Leakey, der neben seinem Vater zu den herausragenden Koryphäen afrikanischer Archäologie gehört, ein Museum in Nairobi leitet und der von Präsident Moi 1989 zum Leiter des "Wildlife"-Ministeriums zum Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen ernannt wird.

Sie gründet "The Gallman Memorial Foundation", die "Gallmann-Gedächtnisstiftung", das heißt, sie macht ihre 20.000 Hektar große Farm zu einem Schutzgebiet für bedrohte Tiere und Pflanzen (zum Vergleich: 20.000 Hektar = 200 km². Der Nairobi National Park umfaßt 117 km², der Amboseli National Park 400 und das Massai Mara Game Reserve, das wegen seiner großen Wildherden berühmt ist, erstreckt sich über 1800 km²).

Wahrscheinlich könnte man Kuki Gallmann bei den Beschreibungen afrikanischer Lebensweise leicht koloniales Denken und Verhalten nachweisen. Ihre Einsichten stammen in erster Linie aus den Kreisen des umfangreichen Hauspersonals und der angestellten Mitarbeiter, ohne die die riesige Farm gar nicht zu führen wäre. Sie gehören den unterschiedlichsten Volksstämmen an und werden genauso in Kuki Gallmanns Erzählungen aufgenommen wie ihre anderen Bekannten. Allerdings merkt man an ihrer Wortwahl immer - auch unabhängig von exotischen Namen -, ob sie gerade von einem Weißen oder von einem Schwarzen spricht. Da jedoch gleichzeitig nichts, was sie schreibt, leichtfertig, geringschätzig oder verächtlich klingt, sondern vielmehr ernst, aufgeschlossen und sehr freundlich, fällt es leicht, von einer Kritik abzusehen. Sie wirkt wie ein Mensch, der sich seines privilegierten Status in Afrika bewußt ist und der sich dadurch in einer besonderen Verantwortung sieht. Obwohl es vielleicht nicht der am leichtesten gangbare Weg ist, setzt sie ihre Energie für den Schutz und die Erhaltung eines Lebensraums ein, den es in vergleichbarer Weise kaum noch auf der Erde gibt - vor allem nicht in Privatbesitz - und den sie vor über zwanzig Jahren zu ihrer Heimat machte. Zu einem Freund, der sie nach Italien zurückholen möchte, sagt sie: "Ich bin in Kenia und will hier bleiben, doch diese Gunst muß ich mir erst noch verdienen."


Kuki Gallmann
Ich träumte von Afrika
Autobiographie
Ungekürzte Lizenzausgabe für die Bertelsmann Club GmbH, Gütersloh,
die Buchgemeinschaft Donauland Kremayr & Scheriau, Wien,
den Deutschen Bücherbund, Stuttgart und die angeschlossenen
Buchgemeinschaften
Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 1992
336 Seiten
Buch-Nr. 05608 5