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REZENSION/008: James H. Hatfield - Das Bush-Imperium (SB)


James H. Hatfield:


Das Bush-Imperium

Wie George W. Bush zum Präsidenten gemacht wurde



Wer die von James H. Hatfield verfaßte, nun auf deutsch vorliegende Biografie über US-Präsident George W. Bush liest, den kann nicht nur aus datumstechnischen Gründen das Gefühl überkommen, eine Reise in ein anderes Jahrhundert angetreten zu sein. Obwohl die Hauptperson des Buches, dessen schöner, einem Klassiker der Rockgruppe Creedence Clearwater Revival entlehnte Originaltitel "Fortunate Son" in der deutschen Ausgabe durch das wuchtigere, den Grundtenor dynastischer Herrschaftssicherung jedoch weniger präzise treffende "Bush-Imperium" ersetzt wurde, gerade mal anderthalb Jahre im Amt ist, hat sich das von Hatfield gezeichnete Profil Bushs seit den Ereignissen des 11. September auf atemberaubende Weise weiterentwickelt. Heute wirkt der Präsident der Vereinigten Staaten gerade aus dem Blickwinkel des vom Krieg gegen den Terrorismus betroffenen Rests der Welt wie eine ins Groteske überzeichnete Karikatur der amerikanischen Globalhegemonie, die in Bushs Gestalt mit einer aggressiven Selbstherrlichkeit in Erscheinung tritt, die nicht umsonst zur Metapher des texanischen Cowboys greifen läßt.

Damit ist man genau dort angelangt, wo Hatfield die Geschichte des in jeder Beziehung begünstigten Sprosses eines einflußreichen Clans von Geschäftsleuten und Regierungsfunktionären ansiedelt. Die Stärke des Buches liegt in der detaillierten Schilderung der politischen Herkunft des heutigen Präsidenten, die in seiner Zugehörigkeit zu einer einflußreichen politischen Dynastie und seiner Amtszeit als zweimaliger Gouverneur des Lone Star States, der zwar nur einer von 50 US-Bundesstaaten ist, jedoch von seiner geographischen Größe wie wirtschaftlichen Potenz her jeder europäischen Konkurrenz standhält, angesiedelt ist. Daß Bush nach einer bis ins mittlere Alter gedehnten Jugend als draufgängerischer Trunkenbold und Weiberheld mit einigen dunklen Stellen in seinem Leumund überhaupt eine politische Karriere einschlagen konnte, ist, wie Hatfield ausführlich belegt, allein seinem einflußreichen Vater George Bush, dem 41. Präsidenten der Vereinigten Staaten, zu verdanken.

Die Grundthese des Buches, George W. Bush habe seinen Aufstieg zur Regierungsmacht keineswegs besonderen Fähigkeiten, sondern allein seiner begünstigten Herkunft wie der skrupellosen Wahrnehmung des eigenen Vorteils zu verdanken, wird von Hatfield überzeugend dargestellt, wirft jedoch die Frage auf, ob unter den spezifischen Bedingungen des politischen Systems in den USA überhaupt andere, sprich demokratischere Möglichkeiten zur Umsetzung des Wählerwillens Geltung erlangen können. Die Karriere des Sohns eines texanischen Oligarchen mit tiefen Wurzeln in der WASP-Ostküstenelite ist eher ein Beleg dafür, daß in den USA in der Regel Vertreter der weißen angelsächsischen protestantischen Mehrheit an die Schaltstellen der Macht gelangen, da es zum Erringen einer Präsidentschaft umfangreicher Unterstützung durch die Eliten des amerikanischen Kapitals, das wiederum für die meisten Vertreter ethnischer Minderheiten off limits ist, bedarf.

Da Hatfield sich zur demokratischen Tradition der USA bekennt und ihm die darin verankerten Freiheitsrechte heilig sind, hat er jedoch allen Grund, die Manipulationen, mit denen sich der Bush- Clan in die Position einer der einflußreichsten Familien des Landes manövrierte, anzuprangern. Dabei nimmt die Aufdeckung der unterschlagenen Fehltritte und gezielten Irreführungen in der offiziellen Selbstdarstellung des US-Präsidenten bisweilen den Charakter einer moralischen Inquisition an, die angesichts dessen, was die Regierung Bush heute an ganze Weltregionen negativ beeinflussender Politik betreibt, übertrieben wirkt. Wenn der Autor ausführlich schildert, wie Bush seiner möglichen Einberufung zum Kriegseinsatz in Vietnam durch das Privileg entging, seinen Wehrdienst als Pilot der Nationalgarde ableisten zu können, oder sich die vielen Gerüchte um seinen privaten Exzesse mit auf abenteuerlichem Wege erlangten Zeugenaussagen zur Tatsache verdichten, dann bestätigt der vermeintliche Widerspruch zu seiner heutigen Position als honoriger Staatschef und Hüter nationaler Werte doch nur, was der Leser in der Regel bereits über den korrupten Charakter der politischen Klasse weiß.

Hatfield beschränkt sich jedoch nicht auf die vordergründigen Flecke am guten Ruf des Präsidenten, sondern lotet die Strukturen, Interessen und Kräfte, die George Bush die Präsidentschaft beschert haben, insbesondere hinsichtlich der Wahlkampffinanzierung gründlich aus. Die Wirkung von Sonderinteressen auf den angeblich egalitären Charakter der amerikanischen Demokratie ist angesichts der Rekordsummen, die Bush bereits im Wahlkampf um das Amt des texanischen Gouverneurs zur Verfügung standen und die im Wahlkampf für das Weiße Haus zu nie gekannten Höhen aufliefen, nicht zu bestreiten, und der Autor verzichtet auch nicht darauf, den Zusammenhang von Wahlkampfspenden und politischen Gefälligkeiten am konkreten Beispiel zu belegen.

Von besonderem Interesse für die Einschätzung der Regierungspolitik dieser US-Administration sind die Kapitel, in denen Hatfield den "mitfühlenden Konservativismus", unter dessen Banner Bush das Weiße Haus erobert hat, mit seiner sozialfeindlichen Politik als texanischer Gouverneur illustriert. "Tough Love", so das sozialpolitische Schlagwort der Bush-Berater im Umgang mit allen, die den amerikanischen Traum eher als Schrecken denn Glück erleben, sorgt dafür, daß an existenziellen Überlebensvoraussetzungen stets überreichlicher Mangel herrscht. Daran hat sich seit seinem Umzug von der texanischen Hauptstadt Austin nach Washington D.C. nichts geändert, vielmehr zeigen die Steuergeschenke der Bush-Regierung an Besserverdienende und die Großindustrie, daß der Klientelismus gerade in Kriegszeiten in voller Blüte steht.

Wo weiterhin kräftig von unten nach oben umverteilt wird, bedarf es eines gut ausgebauten Gewaltapparats, mit dem die Habenichtse daran gehindert werden, den Spieß umzudrehen. Hatfields umfangreiche Ausführungen zum kompromißlosen Eintreten des texanischen Gouverneurs für die Todesstrafe selbst in Fällen, in denen hartgesottene Racheengel weich werden, lassen die ansonsten in der betont faktenorientierten Darstellung etwas farblos bleibende Persönlichkeit Bushs besonders scharf hervortreten. Wer einige der Reden verfolgt hat, mit denen Bush die US-Bevölkerung auf den sogenannten Krieg gegen den Terrorismus eingestimmt hat, der fühlt sich bei der Lektüre des Buches in dem Eindruck, es beim US-Präsidenten mit einem skrupellosen Machiavellisten zu tun zu haben, allemal bestätigt.

Die seit dem 11. September so bedeutsamen Verbindungen des Bush-Clans zur saudischen Bin Laden-Gruppe und der im Mittelpunkt subversiver Machenschaften stehenden Bank of Credit and Commerce International (BCCI) wie der CIA-Hintergrund des Vaters werden eher kursorisch abgehandelt. An diesen Stellen der Lektüre wird man am deutlichsten daran erinnert, daß das Buch in einer Zeit geschrieben wurde, in der man noch nicht ahnen konnte, daß die Regierung Bush ganz auf den mobilisierenden Effekt der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon setzen würde. Um so wertvoller sind die Rechercheergebnisse Hatfields, für die er eine Vielzahl von Personen befragte, die Bush zum Teil sehr nahegestanden haben, erinnern sie doch daran, daß der virtuelle Ausnahmezustand, in dem sich die amerikanische Bevölkerung seit dem 11. September befindet, und die Ermächtigung der US-Regierung zu beispielloser Verfügungsgewalt die Wirksamkeit konventioneller Legitimationszwänge erheblich einschränken, es also gute Gründe für das Weiße Haus gibt, für die Fortdauer dieses Zustands zu sorgen.

Die Enthüllung von Fakten, die vor US-Wahlen als besonders heiße Ware gehandelt werden, hat den Autoren nicht umsonst in den Selbstmord getrieben. Die Publikationsgeschichte der amerikanischen Ausgabe des Buches ist wohl der beste Beleg dafür, daß Hatfield, der sich vergeblich um einen persönlichen Kontakt mit dem Objekt seiner Recherchen bemüht hatte, seinen Finger auf empfindliche, nicht zur Exposition vorgesehene Stellen der Biographie des US-Präsidenten gelegt hat. Die aus dem Bush-Umfeld gegen ihn lancierte Kampagne, die sich einer unter fragwürdigen Umständen 1987 erfolgten Verurteilung des Autoren zu einer fünfjährigen Haftstrafe bediente, führte dazu, daß das erstmals im Oktober 1999 im New Yorker Verlag St. Martin's Press veröffentlichte Buch zurückgezogen und eingestampft werden mußte. Nachdem der renommierte Buchverlag seinen Vertrag mit Hatfield gekündigt hatte, obwohl dieser nach den aufwendigen zweijährigen Recherchen finanziell am Abgrund stand, nahm sich der kleine Verlag Soft Skull Press des brisanten Werkes an. Als dieser im Februar 2000 wegen des Vorworts zweier Journalisten ebenfalls gerichtlich dazu gezwungen wurde, die gesamte Auflage zu vernichten, konnte "Fortunate Son" schließlich im Juni 2001, also ein halbes Jahr nach der erfolgreichen Kür Bushs zum Präsidenten, mit einem neuen Vorwort endgültig in den USA erscheinen.

Der Autor konnte allerdings geltend machen, trotz heftiger Attacken aus dem Lager der Parteigänger Bushs inhaltlich niemals widerlegt worden zu sein. Gerade der gründliche Charakter seiner Arbeit, die den glücklichen Sohn in ein höchst unvorteilhaftes Licht rückte, veranlaßte seine Gegner statt dessen, seine berufliche Existenz so gründlich zu ruinieren, daß Hatfield mit 43 Jahren am 18. Juli 2001 seinem Leben ein Ende setzte. Der nunmehr dritten Version seiner Biographie Bushs hatte er ein ausführliches Nachwort angehängt, in dem er den im Wahlkampf heftig debattierten Verdacht, der Präsidentschaftskandidat Bush habe in seiner Jugend Kokain geschnupft, durch schwerwiegende Zeugenaussagen zur Gewißheit verdichtet. Da es auch in diesem Fall nicht zu einer Klage des Beschuldigten kam, der sich durch seine ausweichenden Antworten in dieser Sache selbst in die Bredouille manövriert hatte, darf der Vorwurf Hatfields, Bush kenne nur seinen eigenen Vorteil und lasse andere Menschen für Dinge bluten, für die er selbst nicht geradestehen will, als abschließendes Urteil des Autoren zur Person des US-Präsidenten gelten.

Des weiteren wurde die vorliegende Ausgabe durch zwei umfassende Artikel zu den Machenschaften ergänzt, mit denen die Präsidentschaftswahlen des Jahres 2000 zugunsten Bushs entschieden wurden. Die inzwischen beinahe vergessene Tatsache, daß der amtierende Staatschef des mächtigsten Landes der Welt praktisch durch einen Putsch an sein Amt gelangt ist, wird auf kompetente und überzeugende Weise abgehandelt. Sie läßt erahnen, daß der derzeitige Bewohner des Weißen Hauses nicht nur unter dem Zwang steht, Führungsqualitäten wie jeder andere US-Präsident auch zu beweisen, sondern daß er die Usurpation der Macht zu vertuschen hat.

Hatfields Buch ist jedem Leser, der diese Präsidentschaft nicht nur in ihrer außenpolitischen Bedeutung bewerten, sondern einen Einblick in das Getriebe liberal-demokratischer Herrschaftsicherung am Beispiel der USA erhalten und die dortigen Strukturen elitärer Einflußnahme kennenlernen will, wärmstens zu empfehlen. Sein bisweilen allzu spröder Schreibstil wird durch die Fülle des präsentierten Materials und dessen Wert für die heutige Beurteilung des US-Präsidenten mehr als aufgewogen.


James H. Hatfield:
Das Bush-Imperium
Wie George W. Bush zum Präsidenten gemacht wurde
(Atlantik Verlag Bremen)