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BERICHT/025: Wie wird man Lektor im Buchverlag? (Agora - Uni Eichstätt-Ingolstadt)


Agora - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ausgabe 1 - 2010

Wie wird man Lektor im Buchverlag?

Von Walter Hömberg


Sprachkenntnisse, Teamfähigkeit und Fachwissen sind die wichtigsten Einstellungskriterien und Anforderungen für Lektoren im Buchverlag. Das ergibt eine soeben abgeschlossene empirische Untersuchung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde.

Der Lektor im Buchverlag ist für die empirische Berufsforschung ein unbekanntes Wesen. Noch nie wurden bisher in Deutschland repräsentative Daten über Berufsbild, Anforderungsprofile und Arbeitsweisen dieses Kommunikationsberufes ermittelt. Dieses Forschungsdefizit versucht eine Studie zu beheben, die seit 2005 an der Katholischen Universität Eichstätt durchgeführt wurde. Anlage und erste Ergebnisse des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts hat diese Zeitschrift bereits vorgestellt ("Agora", Ausgabe 1/2007). Im Folgenden werden einige weitere Resultate der telefonischen Befragung von 311 fest angestellten Lektoren mitgeteilt. Die gesamte Studie liegt seit Kurzem in Buchform vor. Entsprechend der Vielfalt des Verlagswesens sind auch die Anforderungen, die an Lektoren und Berufseinsteiger gestellt werden, mannigfaltig. "Was sind in Ihren Augen die drei wichtigsten Kriterien, die jemand erfüllen muss, um in Ihrem Betrieb als Lektor eingestellt zu werden?" Die Antworten auf diese offen formulierte Frage (insgesamt 944 Nennungen) lassen sich in fünf Kategorien bündeln:

• Anforderungen an die Ausbildung
• Anforderungen an die Berufsbildung
• erforderliche Kenntnisse
• erforderliche Fertigkeiten
• erforderliche Eigenschaften.

Insgesamt wird heute von angehenden Lektorinnen und Lektoren ein breites Spektrum an Wissen, Kenntnissen, Fertigkeiten und persönlichen Eigenschaften gefordert. Am häufigsten sind "Fertigkeiten" genannt (27 Prozent der Antworten) - eine Mischung aus Kompetenzen und Verhaltensweisen, die überwiegend den sogenannten Soft Skills entsprechen. Es folgen die Kategorien "(Aus-)Bildung" und "Eigenschaften" mit jeweils 22 Prozent der Nennungen. Spezielle "Kenntnisse" nehmen einen Anteil von 20 Prozent an den Einstellungskriterien ein. Berufliche "Erfahrungen" bilden das Schlusslicht: Nur 8 Prozent der Antworten entfallen darauf.

Eine genauere Betrachtung der Kriterien zeigt, dass heute ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorausgesetzt wird. Die Fachrichtung ist zum Teil von untergeordneter Bedeutung. Für die Arbeit in einem Fach- oder Sachbuchverlag ist ein Studium im entsprechenden Bereich jedoch sinnvoll. Wichtig sind außerdem eine breite Allgemeinbildung und - je nach Programmbereich und Ausrichtung des Verlages - ein fundiertes Fachwissen. Eine berufliche Ausbildung im engeren Sinne wird nur selten als Bedingung gefordert.

Bezüglich der geforderten beruflichen Erfahrung scheint es empfehlenswert, schon während des Studiums den Kontakt zur Branche zu suchen und durch mehrwöchige Praktika Einblicke in die Verlagsarbeit zu gewinnen - auch wenn dies eher selten explizit von den Verlagen gefordert wird. Praktikanten müssen die ersten Erfahrungen nicht unbedingt bei Branchenriesen sammeln - gerade kleine Verlage bieten einen guten Einstieg in den Beruf. Eine engagierte Mitarbeit im Praktikum ist außerdem die beste Selbstempfehlung für einen Volontariatsplatz. Praktikum und/oder Volontariat werden jedoch nur von insgesamt zehn der befragten Lektoren als eines der wichtigsten Einstellungskriterien genannt. 53 Befragte geben hingegen an, dass einschlägige Erfahrungen im Lektorat oder im Verlags-, Buch- und Medienbereich vorhanden sein sollten. Darin zeigt sich, dass das Lektorat nach wie vor auch Chancen für Quereinsteiger aus Buchhandel, Journalismus und verwandten Berufsfeldern bietet.

Durch die praktische Tätigkeit im Verlagswesen lassen sich Kontakte knüpfen und Netzwerke aufbauen, die beim Berufseinstieg sehr wichtig sein können. So weisen einige Lektoren darauf hin, dass Beziehungen ein entscheidendes Kriterium bei der Einstellung sein können. Dabei ist es nicht nur bedeutsam, dass man selbst die richtigen Leute in den Verlagen kennt. Manche Arbeitgeber erwarten auch, dass ein Lektor nützliche Kontakte für den Verlag zu Autoren, externen Dienstleistern oder Fachexperten mitbringt.

Die Anforderungen an die Kenntnisse der Lektoren sind umfangreich. Am wichtigsten ist es jedoch, dass sie die deutsche Sprache perfekt beherrschen (85 Nennungen). Auch Fremdsprachenkenntnisse sind von Vorteil (25 Nennungen). Die Kenntnis betriebswirtschaftlicher Methoden, des (Buch-)Marktes und der Zielgruppen sind hingegen weniger wichtige Kriterien - ebenso wie Belesenheit oder die Kenntnis der Verlagsbranche (jeweils zwischen 10 und 17 Nennungen). Noch seltener zählt bei der Einstellung, ob der Bewerber sich mit den neuen Medien und elektronischer Datenverarbeitung auskennt bzw. eine Ahnung von der Buchherstellung oder von Didaktik hat (jeweils zwischen 5 und 7 Nennungen). Marketingkenntnisse werden nicht ein einziges Mal genannt - und das, obwohl gerade in kleinen Verlagen der Lektor häufig auch in diesem Bereich tätig ist. Zu den nur zum Teil erlernbaren Anforderungen gehören Sprachgefühl (40 Nennungen) und Textverständnis (19 Nennungen). Außerdem zählen soziale Kompetenz (62 Nennungen), Organisationstalent (49 Nennungen) und Kommunikationsfähigkeit (42 Nennungen) zu den wichtigsten Fertigkeiten, die ein Lektor besitzen sollte. Aber auch der Teamfähigkeit wird ein große Bedeutung beigemessen (24 Nennungen). Dies gilt auch für Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen (16 Nennungen). Einige Lektoren gaben an, dass ein Bewerber ein Gespür für Bücher haben muss, eine Leidenschaft für sie (18 Nennungen). Andere halten Talent und eine Neigung zum Beruf für besonders wichtig (3 Nennungen). Dazu gehört auch, dass ein Lektor Gespür für Qualität besitzt sowie Themen und Trends erkennen und Konzeptionsarbeit leisten kann (jeweils 9 Nennungen).

Bei den Anforderungen an die persönlichen Eigenschaften kommt vor allem der Neugier, dem Interesse und der Vielseitigkeit eine große Bedeutung zu (41 Nennungen). An zweiter Stelle steht die Belastbarkeit (35 Nennungen). Mit deutlichem Abstand folgen Akribie, Sorgfalt, Genauigkeit und Geduld (23 Nennungen). Aber auch geistige und zeitliche Flexibilität werden gefordert (20 Nennungen) - ebenso wie Kreativität (18 Nennungen) und Engagement (14 Nennungen). Außerdem sollte ein Lektor über gesunden Menschenverstand verfügen, lernfähig sein und eine schnelle Auffassungsgabe und eine hohe Konzentrationsfähigkeit haben (13 Nennungen). Häufig entscheiden die Persönlichkeit und das Erscheinungsbild über eine Anstellung. Immerhin 21 Lektoren gaben an, dass es besonders wichtig ist, dass ein Bewerber ins Team bzw. zum Verlag passt. Und vier Befragte erwähnen, dass ein Bewerber vor allem Idealismus mitbringen und wenig Karrierebewusstsein haben sollte. Er müsse bereit sein, für wenig Geld viel Arbeit zu leisten.

Ergänzend zu der offenen Frage nach den wichtigsten Einstellungskriterien wurde den Lektoren eine Liste mit zehn Fähigkeiten und Kenntnissen vorgegeben, deren Wichtigkeit sie anhand einer Viererskala bewerten sollten. Das Ergebnis dieses Frageblocks zeigt wiederum, dass der Kenntnis der deutschen Sprache und Rechtschreibung die größte Bedeutung zugesprochen wird. 89 Prozent der Befragten gaben an, dass es sehr wichtig für einen Lektor sei, die eigene Sprache in Wort und Schrift gut zu beherrschen. Den zweiten Platz nimmt die Teamfähigkeit ein. Sie wird von 72 Prozent der Lektoren für sehr wichtig gehalten. Erst an dritter Stelle steht das Fachwissen, knapp gefolgt von nervlicher Belastbarkeit und der Kenntnis einschlägiger Computerprogramme. Sich im Buchmarkt und im Verlagswesen gut auszukennen, wird deutlich weniger hoch bewertet. Dies empfinden nur noch 41 Prozent der Befragten als sehr wichtig. Eine noch geringere Bedeutung kommt dem speziellen Wissen über Herstellung, Marketing und Vertrieb zu. Dieses wird nur noch von knapp 29 Prozent der Lektoren als sehr wichtig eingestuft. Auf den letzten Plätzen liegen weit abgeschlagen die Kategorien Layoutkenntnisse, Führungsqualitäten sowie gute Grundkenntnisse in Betriebswirtschaft. Dass diesen eine so geringe Bedeutung beigemessen wird, erstaunt allerdings, da sie bei der Frage nach den wichtigsten Einstellungskriterien öfter genannt wurden als beispielsweise Kenntnisse im Bereich der Herstellung oder der elektronischen Datenverarbeitung. Ansonsten entsprechen die Einschätzungen der Wichtigkeit einzelner Fertigkeiten und Kenntnissen jedoch weitgehend den Nennungen der Einstellungskriterien.


Frage an die Lektoren: "Ich lese Ihnen nun einige Eigenschaften und Kenntnisse vor: "Wie wichtig sind die Ihrer Meinung nach, wenn jemand eine beruflich Tätigkeit in Ihrem Arbeitsbereich anstrebt?"

Als "sehr wichtig" wurden eingestuft:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9. 10.
Gute Kenntnisse der deutschen Sprache und der Rechtschreibung
Teamfähigkeit
Das für den jeweiligen Programmbereich nötige Fachwissen zu besitzen
Nervlich stark belastbar zu sein
Die wichtigsten Computeranwendungen zu beherrschen
Den Buchmarkt und das Verlagswesen gut zu kennen
Über Herstellung, Marketing und Vertrieb gut Bescheid zu wissen
Layout Kenntnisse
Über Führungseigenschaften zu verfügen
Gute Grundkenntnisse in Betriebswirtschaft
89,1 %
72,0 %
68,8 %
61,2 %
59,2 %
41,2 %
28,7 %
16,4 %
13,6 %
6,5 %

Vergleicht man die Angaben der Lektoren untereinander, so fällt auf, dass es deutliche Unterschiede bei der Beurteilung gibt. Technische Kenntnisse und Fertigkeiten bezüglich Computer und Layout beispielsweise werden von Lektoren im Bereich elektronischer Medien und von Publishing-on-Demand-Verfahren besonders hoch bewertet. Die Einschätzung der Layoutkenntnisse hängt zusammen mit der Zahl der in einem Verlag beschäftigten Lektoren: Je weniger von ihnen in einem Verlag arbeiten, desto größer schätzen sie die Wichtigkeit dieser Kenntnisse ein. Eine relativ große Bedeutung wird den Layoutkenntnissen außerdem von Lektoren zugesprochen, die überwiegend am Text arbeiten. Die geringste Bedeutung sprechen ihnen hingegen die Belletristik-Lektoren zu. Dafür sind für die Belletristik-Lektoren - ebenso wie für die Sachbuchlektoren - die Sprach- und Rechtschreibkenntnisse von auffällig großer Bedeutung. Darüber hinaus zeichnen sich diese Gruppen dadurch aus, dass sie die Kenntnis der Buch- und Verlagsbranche signifikant höher bewerten. Für Lektoren, die überwiegend am Text arbeiten, trifft dies deutlich weniger zu; dies ist dadurch zu erklären, dass sie in viel geringerem Umfang an der Programmarbeit mitwirken. So verwundert es auch nicht, dass die Wichtigkeit der Branchenkenntnisse mit der Zahl der von einem Lektor betreuten Lizenztitel zusammenhängt. Je mehr Lizenzen ein Lektor bearbeitet, desto wichtiger ist es für ihn, den Buchmarkt und das Verlagswesen gut zu kennen. Die Bedeutung der Kenntnis von Herstellung, Marketing und Vertrieb steigt mit der beruflichen Erfahrung der Lektoren. Doch auch die Größe eines Verlages hat einen entscheidenden Einfluss darauf. So sind Kenntnisse in diesen lektoratsfremden Bereichen für solche Angehörigen des Berufs, die allein im Lektorat tätig sind, besonders wichtig. In großen Verlagen mit vielen fest angestellten Lektoren werden diese Aufgaben eher von eigenständigen Abteilungen übernommen.

Wie relevant ist die nervliche Belastbarkeit? Für Lektorinnen ist diese Eigenschaft wichtiger als für ihre männlichen Kollegen. Darüber hinaus korreliert die Einschätzung der Bedeutung der nervlichen Belastbarkeit mit der Zahl der Lizenztitel und der wöchentlichen Arbeitszeit. Dies zeigt, dass die Relevanz dieser Kategorie vor allem von der Arbeitsbelastung der Lektoren abhängt. Die Überprüfung anhand der Zufriedenheit mit der täglichen Arbeitsbelastung bestätigt dies. Es gibt einen deutlichen negativen Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit der nervlichen Belastbarkeit und der Zufriedenheit mit der täglichen Arbeitsbelastung. Teamfähigkeit ist vor allem für die "Textarbeiter" sehr wichtig. Sie sind bei ihrer Tätigkeit besonders auf Absprachen mit anderen Personen wie verantwortlichen Lektoren, Autoren, Layoutern, Herstellern etc. angewiesen. Führungseigenschaften hingegen benötigen vor allem Cheflektoren und Lektoren in leitenden Positionen. Kenntnisse in Betriebswirtschaft werden mit zunehmender Zahl der Berufsjahre immer wichtiger. Dies deutet darauf hin, dass mit der Berufserfahrung auch die Verantwortung der Lektoren steigt.

Es gibt kaum einen anderen Medienbereich, der so heterogen ist wie das Buchverlagswesen. Das betrifft sowohl die programmatische Ausrichtung und das inhaltliche Profil als auch die Betriebsgröße, wo das Spektrum vom Kleinverlag bis zum Multimediakonzern reicht. Dazu wurde separat eine schriftliche Umfrage bei den Verlagen durchgeführt. Entsprechend vielfältig sind die Qualifikationsanforderungen an die Lektorinnen und Lektoren. Die Befragung dieser Berufsgruppe ergab, dass Lektoren in großen Verlagen in Zukunft wohl wesentlich stärker von den Wandlungsprozessen durch die Ökonomisierung betroffen sind. Projektkalkulation, Verkaufschancen, ökonomische Interessen und planerische Aufgaben werden hier verstärkt das Berufsbild prägen. In kleinen Verlagen werden hingegen nach wie vor klassische Allrounder gefragt sein, die neben der Lektoratsarbeit auch kompetent Aufgaben in Vertrieb, Herstellung und Öffentlichkeitsarbeit übernehmen.

Mit den Herausforderungen der Zukunft und dem Wandel des Berufsbildes wachsen die Anforderungen an die Qualifikationen und Kompetenzen der Lektoren. Deshalb ist es notwendig, ihre Aus- und Weiterbildung stärker zu fördern und so die Grundlage dafür zu schaffen, dass sie auch in der Zukunft mit den Entwicklungen in der Branche Schritt halten können.


Die hier vorgestellte Studie ist soeben in der UVK
Verlagsgesellschaft Konstanz erschienen.

Prof. Dr. Walter Hömberg ist seit 1988 Inhaber der Lehrstuhls für Journalistik I an der KU. Seine Arbeitsgebiete sind Journalismusforschung, Kulturkommunikation und Mediengeschichte. Am Forschungsprojekt Lektor waren Susanne Pypke und Christian Klenk beteiligt.


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Quelle:
Agora - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ausgabe 1/2010, Seite 33-35
Herausgeber: Der Präsident der Katholischen Universität,
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
Redaktion: Presse- und Öffentlichkeitsreferat der KU,
85071 Eichstätt
Tel.: 08421 / 93-1594 oder -1248, Fax: 08421 / 93-1788
E-Mail: pressestelle@ku-eichstaett.de
Internet: www.ku-eichstaett.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2010