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BIBLIOTHEK/401: Vertrag über den Ankauf der Sammlung Salzmann unterzeichnet (idw)


Universität Augsburg - 24.07.2009

"Bibliothek der verbrannten Bücher" mit großer Zukunft an der Universität Augsburg

Vertrag über den Ankauf der Sammlung Salzmann für die Universitätsbibliothek Augsburg wurde heute in München unterzeichnet.


Augsburg/München - Wie das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst heute mitgeteilt hat, ist der Vertrag, der die Universitätsbibliothek Augsburg zum künftigen Standort der "Bibliothek der verbrannten Bücher" bestimmt, unter Dach und Fach. Unterzeichnet haben diesen Ankaufsvertrag heute Mittag im Ministerium der Sammler und bisherige Eigner dieser Bibliothek, Georg P. Salzmann, weiterhin Wissenschaftsminister Dr. Wolfgang Heubisch, Prof. Dr. Alois Loidl als Vizepräsident der Universität Augsburg und der Vorsitzende des Vereins "Patenschaften für verbrannte Bücher e.V."

"Ich freue mich, dass die Sammlung Salzmann ihren Platz nun in der Universitätsbibliothek Augsburg gefunden hat", betonte Heubisch anlässlich der Vertragsunterzeichnung. "Als einmalige Quellensammlung, die einen repräsentativen Überblick über die in der NS-Zeit geächtete deutschsprachige Literatur bietet, ist sie sowohl für Forschung, Lehre und Studium als auch die politische Bildungsarbeit von großer Bedeutung. Mein Dank gilt dem Sammler Georg P. Salzmann und allen, die dazu beigetragen haben, dieses Zeitzeugnis für Wissenschaft und Öffentlichkeit in Bayern zu erhalten und zugänglich zu machen."

"Bester Teil der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts"

Salzmann selbst meinte, mit der Übernahme seiner Sammlung durch die Universitätsbibliothek Augsburg ist ein weiterer Schritt getan, "dass es den Nazis über sechzig Jahre nach ihrem ruhmlosen Ende nicht doch noch gelingen könnte, den besten Teil der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts aus dem Gedächtnis der Deutschen zu tilgen. Dafür bedanke ich mich bei allen, die mitgeholfen haben, diese Bibliothek aufzubauen und zu bewahren."

Große Zukunft in Augsburg

"Die Sammlung Salzmann hat bei uns eine große Zukunft vor sich", versprach Dr. Ulrich Hohoff, Direktor der Universitätsbibliothek Augsburg. "Sie passt hervorragend zu unserem Bestand, wird eigene Räume bekommen und ab 2010 allen Interessierten bis 24 Uhr zugänglich sein. Wir schieben viele Aktionen in der Universität und mit weiteren Partnern an, damit diese einzigartige Sammlung in der Forschung, im Studium und in der Bildungsarbeit stärker zur Geltung kommt."

"Weltweit einzigartige benutzbare Gedenkstätte"

Wolfram P. Kastner nannte die "Bibliothek der verbrannten Bücher" "eine weltweit einzigartige benutzbare Gedenkstätte für die beste Literatur deutscher Sprache, die die Nazis auf alle Zeit vernichten wollten. Sie bietet eine hervorragende Chance, diese Bücher vor dem Vergessen zu bewahren."

Umfang und Bedeutung der Sammlung Salzmann

"Bibliothek der verbrannten Bücher" nennt der Gräfelfinger Georg P. Salzmann, seine umfangreiche Büchersammlung mit rund 12.000 Bänden, die er in privater Initiative begonnen und in mehr als 30 Jahren systematisch aufgebaut hat. Er ist inzwischen 80 Jahre alt und möchte sein Lebenswerk gesichert und fortgeführt sehen.

Ein Gutachten der Bayerischen Staatsbibliothek kam 2008 zu dem Ergebnis, dass die "Bibliothek der verbrannten Bücher" in der vorliegenden Fülle heute nicht mehr aufgebaut werden könne. Sie ist die weltweit umfangreichste Sammlung zum Thema und konzentriert sich auf das Werk jener Autoren, deren Bücher von den Nazis bei den "Bücherverbrennungen" am 10. Mai 1933 ins Feuer geworfen wurden und deren Lektüre während der Herrschaft der Nationalsozialisten verboten war. Zahlreiche Autoren haben lange in Bayern gewohnt und/oder gearbeitet, etwa Bertolt Brecht, Marieluise Fleisser, Leonhard Frank, Oskar Maria Graf, Ödön von Horvath, Erich Kästner, Hermann Kesten, Annette Kolb, Heinrich Mann, Klaus Mann, Thomas Mann, Ernst Toller und Jakob Wassermann. Die Werke zahlreicher Schriftsteller in der Sammlung Salzmann sind heute kaum mehr im öffentlichen Bewusstsein.

Die Sammlung Salzmann hat große Bedeutung für die Literatur- und Kulturgeschichte und stellt ein unersetzliches Kulturgut dar. Bisher konnten einzelne Forscher sie in Salzmanns Privathaus nutzen. Salzmann hat außerdem über Jahrzehnte hin Schulklassen die Ereignisse rund um die Bücherverbrennungen von 1933 persönlich vorgestellt und dabei immer betont, jeder Einzelne könne dazu beitragen, dass die Verbrechen der NS-Zeit sich nie wiederholten.

Der lange Weg zum Ankauf

Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat sich seit mehreren Jahren für die dauerhafte Unterbringung der Sammlung Salzmann in Bayern engagiert.

Am 23. Januar 2007 forderte der Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur des Bayerischen Landtags, unter Mitberatung des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzen, die Staatsregierung auf, "ein Konzept zu Ankauf und Unterstützung der Salzmann Sammlung zu erarbeiten und dem Landtag darüber zu berichten". Der Bayerische Landtag schloss sich dem an. Seitdem arbeitet auch die Universität Augsburg - vor allem durch Dr. Ulrich Hohoff, den Direktor der Universitätsbibliothek - daran, die Sammlung in Augsburg öffentlich zugänglich zu machen.

Die Bayerische Staatsbibliothek erstellte im Auftrag des Ministeriums im Frühjahr 2008 ein Gutachten, an dem als Expertin auch Dr. Brita Eckert mitwirkte, die Leiterin des Sammelgebietes "Exilliteratur" in der Deutschen Nationalbibliothek, Frankfurt/M. Der Bayerische Landtag befasste sich mehrmals mit dem Konzept für die Unterbringung der Sammlung, an der auch Nürnberg großes Interesse zeigte. Am 7. Mai 2008 sprach sich der Hochschulausschuss mit knapper Mehrheit für die Universität Augsburg als Standort aus.

Der Kaufvertrag legt nun den Preis für die Sammlung auf 410.000 Euro fest. Vertragspartner sind die Universität Augsburg, Salzmann und der Verein "Patenschaften für verbrannte Bücher e.V.", der das Ziel verfolgt, die Sammlung Salzmann dauerhaft zu sichern und öffentlich zugänglich zu machen. Er konnte innerhalb weniger Jahre Spenden in Höhe von 40.000 Euro einwerben, die nun vollständig in die Kaufsumme eingehen.

Die Universität Augsburg konnte fünf Partner für ihr Anliegen gewinnen, die den Ankauf für das Körperschaftsvermögen der Universität auch finanziell unterstützen: die Stadt Augsburg, das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, die Bayerische Landeszentrale für Politische Bildung, die Bayerische Landesstiftung und als privaten Mäzen Dr. Georg Haindl, der auch Stifter des "Augsburger Universitätspreises für Versöhnung und Völkerverständigung" ist.

Eine Zukunft für die "Bibliothek der verbrannten Bücher"

Die Sammlung Salzmann soll in der Universitätsbibliothek Augsburg für Forschung, Lehre und Studium sowie im Rahmen der politischen Bildung dauerhaft zugänglich sein und, soweit nötig, konservatorisch gesichert werden. In Augsburg bestehen hierfür beste Voraussetzungen dank der international renommierten Sondersammlungen zu Bertolt Brecht (Staats- und Stadtbibliothek Augsburg) und Thomas Mann (Sondersammlung Klaus W. Jonas der Universitätsbibliothek Augsburg), an die viele Forschungsprojekte und hochwertige Ausstellungen anknüpfen konnten. Speziell zu Themen wie Bertolt Brecht, zur Familie Mann und in der Exilforschung ist Augsburg ausgewiesen. An der Universität bestehen jetzt neue Planungen für Forschungsprojekte mit der Sammlung an den Lehrstühlen für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft (Prof. Dr. Mathias Mayer) und für Didaktik der Geschichte (Prof. Dr. Susanne Popp), an der dem Elite-Masterstudiengang "Ethik der Textkulturen" zugeordneten Professur für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Ethik, am interdisziplinären Institut für Europäische Kulturgeschichte sowie in Kooperation mit mehreren Partneruniversitäten. Auch Neueditionen wichtiger Texte sind vorgesehen, ebenso Bildungsveranstaltungen mit Schulen und mit freien Bildungsträgern.

Zunächst gilt es aber, die rund 12.000 Bände der Sammlung Salzmann nach Augsburg zu transportieren und Band für Band im Online-Katalog zu erschließen. Für die kompakte Präsentation der neuen Sondersammlung werden eigene Räume in der Teilbibliothek Geisteswissenschaften eingerichtet. Die Universitätsbibliothek wird neben der Erschließung, Präsentation und Erhaltung vor allem Dienstleistungen zur Beratung, zu Ausstellungen (darunter eine Wanderausstellung), zu Lesungen sowie Internetangebote beitragen. Eine Kooperation mit dem Jüdischen Kulturmuseum Augsburg-Schwaben ist geplant, weitere Kooperationen sind in Vorbereitung.

Weitere Informationen unter:
http://idw-online.de/pages/de/news317917
http://idw-online.de/pages/de/news259640
http://idw-online.de/pages/de/news253200
http://idw-online.de/pages/de/news242139

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution58


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Augsburg, Klaus P. Prem, 24.07.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juli 2009