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BUCHBESPRECHUNG/026: Nicola Vendola verfasste ein Manifest für ein besseres Italien (Gerhard Feldbauer)


Tageszeitung »neues deutschland« - 27. Oktober 2011 / "Politisches Buch"

Fabbriche di Nichi

Nicola Vendola verfasste ein Manifest für ein besseres Italien

von Gerhard Feldbauer


Von Freunden und Sympathisanten »Nichi« genannt, ist Nicola Vendola eine der herausragendsten aber auch schillerndsten Persönlichkeiten der heutigen Linken Italiens. Jg. 1958, begann er seinen politischen Werdegang in der IKP, stieg als Vorsitzender des Jugendverbandes ins Zentralkomitee auf, war 1991 gegen die Umwandlung in die sozialdemokratische Linkspartei PDS und dann Mitbegründer der neuen KP Rifondazione Comunista (PRC). Für Mitte Links gewann er 2005 in der Region Apulien die Wahlen, wurde Präsident und 2010 wiedergewählt. In eben jenen Jahr gründete er enttäuscht darüber, dass sein Vorschlag, das Regenbogen genannte linke Wahlbündnis (Kommunisten, Linksdemokraten, Restsozialisten und Grüne) in eine linke Bündnispartei umzuwandeln, in der PRC angelehnt worden ist eine neue Partei, die Sinistra Ecologia e Libertà (Linke für Umwelt und Freiheit).

Vendola bekennt sich zu seiner Homosexualität, hat nichts dagegen, wenn sein katholisches Glaubensbekenntnis erwähnt wird und stellt ebenso seinen Hang zum Anarchismus heraus. In Süditalien, wo Bakunin einst die italienische Arbeiterbewegung aus der Taufe hob und diese zur stärksten Sektion der Internationale wurde, fällt vor allem Letzteres noch heute auf fruchtbaren Boden. Der »Mann mit dem Ohrring«, wie er sich gern nennen lässt, genießt den Ruf eines populären Linken, den viele auch weiter als Kommunisten sehen.

Auf dem Gründungskongress seiner SEL hielt der begabte Rhetoriker vor den 1500 Delegierten eine zündende Rede, in der er auf die stattfindenden Klassenkämpfe verwies, an denen sich die Partei beteiligen müsse, nannte den Generalstreik als wichtiges Kampfmittel und zitierte Rosa Luxemburg sowie Antonio Gramsci, dessen Zivilgesellschaft man wieder mit Leben erwecken müsse. Vendola fordert entschieden den Rücktritt Berlusconis als Premier und verlangt Neuwahlen, zu denen er für eine Koalition mit der linksliberalen Demokratischen Partei (einer Fusion aus Linksdemokraten und katholischem Zentrum) eintritt und für die er als Spitzenkandidat antreten will. Er steht aber auch einem Bündnis mit der von den Kommunisten angeführten Federazione della Sinistra aufgeschlossen gegenüber. Beim Generalstreik gegen die Abwälzung der Folgen der verfehlten Wirtschaftspolitik auf die Arbeiter und Rentner marschierte er am 6. September in Rom mit den Führern von Mitte Links an der Spitze der über Einhunderttausend Demonstranten, die den Rücktritt Berlusconis forderten.

Die Tage des faschistoiden Regierungschefs sind gezählt. Die Opposition fordert Neuwahlen und Vendola hat für seine Kandidatur in Form eines Buches gerade sein Wahlprogramm vorgelegt. Auch wenn er den Klassenkampf nicht direkt erwähnt, spricht er deutlich die Probleme an, die das tägliche Leben breiter Wählerschichten ausmachen, vor allem der Jugend und der arbeitenden Menschen, darunter Schutz der Umwelt, erneuerbare Energien und Schaffung von Arbeitsplätzen. Das Forum, in dem versucht wird, diese Fragen mit den Bürgern zu diskutieren und sie in das Ringen um die Gestaltung besserer gesellschaftlicher Verhältnisse einzubeziehen, sind die »Fabbriche di Nichi«, Vendolas »Produktionsstätten« von Ideen zur Lösung der akuten Probleme Italiens.

Vendola kann als Regierungschef in Apulien auf Erfolge verweisen: entschiedener Kampf gegen die Mafia, Ausbau von Windkraft und Solarenergie, Förderung regionaler Wirtschaftsprojekte und Ablehnung von Privatisierungen. Wenn die »Washington Post« meinte, Vendola sei »der italienische Obama«, dürfte dieses Urteil allerdings an der Realität schon deshalb vorbeigehen, weil der italienische Linksdemokrat ein Gegner der von diesem US-Präsidenten fortgeführten Expansionskriege weltweit ist.

Vendolas Manifest, dem ein breiter Leserkreis zu wünschen ist, kann auch den Politikern der deutschen Partei DIE LINKE als Standardlektüre wärmstens empfohlen werden.


Nicola Vendola:
Es gibt ein besseres Italien. Manifest für eine neue Politik.
Verlag Antje Kunstmann, München 2011. 173 S., 17,30 EUR


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Quelle:
Neues Deutschland vom 27.10.2011, S. 17
mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2011