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BERICHT/004: Schlachtfeld Balkan - Krieg der Werte (SB)


"Yuropa" zwischen Vergangenheit und Zukunft

Veranstaltung in der junge Welt-Ladengalerie am 19. Mai 2016 in Berlin


Das Ende der sozialistischen Staatenwelt hat den Antikommunismus nicht überflüssig gemacht. Ganz im Gegenteil erscheint er unverzichtbarer denn je, um auch noch die letzte Erinnerung an die verlorengegangene Chance, aus dem stählernen Gehäuse kapitalistischer Vergesellschaftung auszubrechen, rückstandslos zu tilgen. Noch ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der DDR wird mit doktrinärer Insistenz auf diesen Staatsleichnam eingeprügelt, als erwarte man jeden Moment die Wiederkehr des Projekts, die Herrschaft des Menschen über den Menschen zumindest vom politischen Anspruch her zu überwinden, und ein Ende dieser affirmativen Geschichtspolitik ist nicht abzusehen. Daß dieses Anliegen bei allen Irrwegen und Vergeblichkeiten nicht gänzlich aussichtslos zu sein erscheint, ergibt sich schon aus der Dialektik seiner aggressiven Unterdrückung.

Von der bleiben auch die Nachfolgestaaten Jugoslawiens nicht verschont, wiewohl der dort unauflöslich mit der Person Josip Broz Titos verbundene Weg eines ideologisch weniger rigiden Sozialismus nie so sehr im Mittelpunkt antikomunistischer Propaganda stand wie die in unverkennbarer NS-Tradition des Bolschewismus bezichtigte Sowjetunion. Für viele Linke der alten BRD symbolisierte die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (SFRJ) eine erstrebenswerte Alternative zu dem als zu autoritär empfundenen Modell der sowjetisch dominierten Staatenwelt. Zwischen den großen Machtblöcken als führendes Mitglied der antikolonialistischen Blockfreienbewegung lavierend, erfreute sich die SFRJ großer Beliebtheit unter vielen Ländern des Globalen Südens, das an libertäre Ideen gemahnende Konzept der Arbeiterselbstverwaltung galt als weniger restriktive Alternative zur sozialistischen Planwirtschaft, die Nationalitätenpolitik konnte zumindest in sozialistischer Zeit den Ausbruch ethnisch bestimmter Differenzen verhindern, und die föderale Verfassung garantierte den sechs jugoslawischen Republiken ein gegenüber zentralistischen Staatsapparaten hohes Ausmaß an Selbstbestimmung.

Das alles war sicherlich nicht ideal gelöst, wie der gewaltsame Staatszerfall in den 1990er Jahren zeigte, aber der eigenständige Charakter Jugoslawiens war immer einen Blick darauf wert, wie die Probleme einer sozialistischen Gesellschaft auch angegangen werden können. Die heutigen Nachfolgestaaten können indes kaum beanspruchen, daß die Ablösung der bis zum Tode Titos 1980 verbindlichen Staatsdoktrin des Sozialismus durch neoliberale Marktgesellschaften das Gros in ihnen lebender Menschen besser gestellt oder auch nur politisch emanzipiert habe. Soziale Verelendung, Nepotismus, mafiöse Parallelstrukturen, Klassengesellschaften von frühkapitalistischer Brutalität, rassistischer und faschistischer Revisionismus gehören zu den hervorstechenden Merkmalen einiger der die Zerfallsprozesse der 1990er Jahre fortschreibenden Kleinstaaten auf dem Gebiet Ex-Jugoslawiens.


Auf dem Podium - Foto: © 2016 by Schattenblick

Wiljo Heinen übersetzt für Tanja Petrovic
Foto: © 2016 by Schattenblick

Dessen ungeachtet wird heute, wie die Linguistin und Sozialwissenschaftlerin Tanja Petrovic in einer Veranstaltung in der junge Welt-Ladengalerie berichtete, der positive Rückbezug auf den jugoslawischen Sozialismus gemieden oder, wenn er dennoch erfolgt, als rückwärtsgewandt gebrandmarkt. Anlaß ihres Vortrags mit anschließender Diskussion war die Vorstellung ihres 2015 auf deutsch im Verbrecher Verlag erschienenen Buches "Yuropa. Jugoslawisches Erbe und Zukunftsstrategien in postjugoslawischen Gesellschaften", das 2012 zunächt auf serbokroatisch veröffentlicht wurde. Der 1974 in Serbien geborenen und heute in Slowenien lehrenden Wissenschaftlerin geht es im Rahmen ihrer Untersuchungen zur kulturellen Identität in postjugoslawischen Gesellschaften auch darum, das Verhältnis zwischen den Nachfolgestaaten Jugoslawiens und der Europäischen Union zu bestimmen, hat es doch wesentlichen Einfluß darauf, inwiefern das Vermächtnis des Sozialismus noch irgendeine Bedeutung für künftige Gesellschaftsentwürfe haben wird.

Der Beitritt der "sogenannten Restbalkan-Länder, die noch nicht in der EU sind," erscheint in Anbetracht der Krise, in der sich die EU befindet, längst nicht mehr so attraktiv wie zur Zeit der großen Osterweiterung der EU 2004. Wenn auch die alten Zuschreibungen - Westeuropa gegen Balkan, kapitalistisches Europa gegen sozialistisches Europa , Postkommunismus gegen Kapitalismus - nicht mehr tragen, so Petrovic, weil alle mit denselben Problemen der ökonomischen Krise, der daraus resultierenden Austeritätspolitik, der Gentrifizierung und Reduktion öffentlicher Räume zu kämpfen hätten, seien die Gesellschaften des ehemaligen Jugoslawiens heute ein Ort, an dem man sehr gut verfolgen könne, wie die Entwicklung Europas vor sich geht.

In ihrer Schilderung zum Stand der Dinge in den jugoslawischen Nachfolgestaaten wirft Tanja Petrovic einen kritischen Blick auf die Gleichsetzung von Sozialismus und Faschismus, die in den postjugoslawischen Gesellschaften immer mehr um sich greift, wofür sie revisionistische Entwicklungen im europäischen Rahmen verantwortlich macht. Diese geschichtspolitische Stigmatisierung verhindere, daß die Bürger sich ihrer eigenen Vergangenheit gewahr werden und aus ihr lernen können. Dementsprechend werde der neue Balkan als leerer Raum ohne Vergangenheit, in dem alles neu konstruiert werde, verstanden. Was naheliegenderweise als günstige Ausgangsposition für einen gesellschaftlichen Neubeginn begriffen werden könnte, werde als Müllhalde für all die Dinge betrachtet, die in Europa nicht gewünscht sind und die man von seinem Territorium fernhalten möchte.

Dies betreffe zum einen Migrantinnen und Migranten, was durch die auf Betreiben deutsch-österreichischer Vormachtpolitik erfolgte Schließung der sogenannten Balkanroute und das damit einhergehende Elend nicht besser ins Bild menschenfeindlicher Politik gesetzt werden kann. Für Tanja Petrovic gilt dies aber auch etwa für die Ansiedlung umwelt- und gesundheitsgefährdender Industrien, also das klassische Modell der verlängerten Werkbank, mit der in den Peripherien Lohndumping und die Externalisierung ökologischer Belastungen betrieben wird.

Wie schon an Forderungen während des Jugoslawienkrieges 1999 abzulesen war, die eine Umerziehung der Bevölkerungen des Westbalkans zum Gegenstand hatten, werden die Bürgerinnen und Bürger der postjugoslawischen Staaten wie Kinder behandelt, die nicht in der Lage seien, eigene Entscheidungen zu treffen und ihre Probleme zu lösen. Von tonangebenden Vertretern der EU werde dieses Narrativ als einzige zukunftversprechende Lösung für die Probleme dieser Länder angesehen. Erschwerend komme hinzu, so Petrovic, daß diese Sicht der Dinge von nationalistischen rechten Gruppierungen innerhalb der postjugoslawischen Länder aufgegriffen werde, die in der Europäischen Union die einzige Chance für die Zukunft ihrer Länder sähen. Dabei sei den Bürgerinnen und Bürgern klar, daß diese Zukunft nichts anderes als unterbezahlte Jobs, eine zerstörte Umwelt und die fortgesetzte Ethnisierung ihrer dementsprechend repressiv gemanagten Gesellschaften bereithalte.

Die Referentin kritisiert auch den paternalistischen Umgang mit den bereits der EU beigetretenen postjugoslawischen Staaten Slowenien und Kroatien, die man nun, da sie diesem furchtbaren Sozialismus entronnen waren, "zu Hause" willkommen hieß. Diese Wertung machte es den Bürgerinnen und Bürger Jugoslawiens weitgehend unmöglich, Zukunftsentwürfe zu entwickeln oder Forderungen im Geiste ihrer sozialistischen Vergangenheit zu stellen. Ein Wohlfahrtsstaat mit hohem Ausmaß an sozialer Sicherheit, ein kostenloses Bildungs- und Gesundheitssystem und andere Errungenschaften des in seine Einzelteile zerfallenen Staates, also all das, was sie schon einmal hatten, werde auf diese Weise unmöglich gemacht. Ohne diese sozialen Möglichkeiten wäre sie selbst heute nicht hier, so Petrovic, deren Eltern als Arbeiter nicht der Lage wären, ihre damals kostenlose Ausbildung zu finanzieren.


Verschiedene Buchcovver mit Themenbezug - Fotos: © 2016 by Schattenblick Verschiedene Buchcovver mit Themenbezug - Fotos: © 2016 by Schattenblick Verschiedene Buchcovver mit Themenbezug - Fotos: © 2016 by Schattenblick

Nachlese und Perspektive - Jugoslawien auf dem Büchertisch
Fotos: © 2016 by Schattenblick

Auf drei Feldern wirke sich die Beschränkung, positive Erfahrungen in einer anderen Gesellschaft in Anspruch zu nehmen, destruktiv auf die postjugoslawische Staatenwelt wie die Zukunft des europäischen Projektes aus. Dies betreffe zuerst die Rolle industrieller Arbeit im Rahmen europäischer Geschichtsschreibung. Zwar handle es sich bei diesem Vermächtnis um ein Kernelement der europäischen Kulturgeschichte, doch werde die Industrialisierung und Modernisierung der sozialistischen Länder im Rahmen des kulturellen Diskurses in Europa und der vielen Museen und Ausstellungen, an denen industrielle Arbeit als Kristallisationspunkt dieser Geschichte dokumentiert wird, völlig ausgeblendet. Für Petrovic wird damit verhindert, daß sich Arbeiterinnen und Arbeiter positiv auf Modelle der Erwerbsarbeit beziehen, die nicht den Bedingungen der neoliberalen Marktwirtschaft unterworfen sind. Wer sich dennoch auf sozialistische und kollektivistische Formen der Arbeitsgesellschaft beruft, werde als nostalgisch diffamiert oder gelte als unselbständig, so daß er jemanden brauche, der ihm zeigt, wo es lang geht.

Auf dem zweiten Feld werde die Geschichte der linken Bewegung in Jugoslawien von der Geschichte der europäischen Linken isoliert. Den heutigen linken Parteien auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens bleibe nur übrig, sich von der sozialistischen Vergangenheit des Landes loszusagen, um auf keinen Fall mit der linken Geschichten Jugoslawiens assoziiert zu werden. Auch das habe zur Folge, daß die Menschen keine emotionale Bindung zu ihrer Vergangenheit aufbauen und sie damit für sich beanspruchen können. Der Philosoph Boris Buden spricht in diesem Zusammenhang von einer sozialen Anästhesie in den postsozialistischen Staaten, die den Menschen die emotionale Verbindung zu ihrer Vergangenheit nimmt, was dann zu jenem leeren Platz führt, auf dem sich niemand mehr engagiert.

Schließlich kommt die Referentin auf den Antifaschismus zu sprechen, den sie als Grundlage der europäischen Identität bezeichnet. Im Falle Jugoslawiens sei allerdings zu bedenken, daß dieser Gründungskonsens dort revolutionär, klassenbezogen und emanzipatorisch war, also der Antifaschismus eine unerläßliche Vorbedingung der Entstehung des sozialistischen Staates gewesen sei. Dementsprechend müsse in einem Europa, in dem Sozialismus und Faschismus gleichgesetzt werden, der Antifaschismus, der zur Gründung des sozialistischen Jugoslawien geführt hat, marginalisiert werden. Diese Abwertung mache es nationalistischen Eliten, die sich europäischen Politikern andienen, leicht, den Antifaschismus vollständig zu diskreditieren und die Täter und Opfer des Zweiten Weltkriegs miteinander zu vertauschen, wie etwa die Rehabilitierung der Ustascha im heutige Kroatien trotz ihrer historischen Bedeutung als NS-Verbündete zeige.

Das sei kein Einzelfall in den jugoslawischen Nachfolgestaaten, denn das Erstarken der Faschisten finde dort nicht minder statt als in anderen Ländern Osteuropas. Da die sozialistischen Staaten mit Hilfe der Totalitarismustheorie als von faschistischen Regimes ununterscheidbar gebrandmarkt werden, stehen in der herrschenden Geschichtsschreibung die Opfer im Mittelpunkt. Dabei ist das Spektrum der Opfer des Kommunismus sehr breit, schließt es doch sogar Personen ein, die für die Deportation von Juden ins Vernichtungslager verantwortlich waren.

Tanja Petrovic will allerdings nicht unverstanden lassen, wie sehr diese Entwicklung mit der krisenhaften ökonomischen Entwicklung Europas zusammenhängt. Der Gedenktag für die Opfer des Stalinismus wurde nicht zufällig im Jahr 2008, als die Wirtschafts- und Finanzkrise vollends manifest wurde, von der Europäischen Union eingeführt. Ebenfalls in diesem Jahr, so könnte man ergänzen, leistete der Europäische Rat mit einem geschichtspolitischen Rahmenbeschluß, der die Leugnung nicht nur eindeutig geklärter NS-Verbrechen, sondern auch historisch noch umstrittener Staatsverbrechen zum Gegenstand hat, der Instrumentalisierung von Opferdiskursen Vorschub. "Die Kriminalisierung von Meinung (...) bedroht politische Debatten und wissenschaftliche Forschung, hegemonisiert kollektive Erinnerung, verrechtlicht historische Ereignisse und tabuisiert Begrifflichkeiten (z. B. 'Völkermord')", gibt der Historiker und Journalist Hannes Hofbauer zu bedenken [2].

Die zunehmende Ideologisierung der Geschichte steht für Tanja Petrovic im Zusammenhang mit der anwachsenden Unzufriedenheit über die ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in den europäischen Krisenstaaten. Demgegenüber soll nur die Geschichte eines als totalitär diffamierten Sozialismus Bestand haben, was allerdings junge Menschen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens nicht daran hindere, ein ganz anders geartetes Vermächtnis sozialistischer Vergangenheit in die Zukunft eines gemeinsamen Europas einzubringen. Viele kulturelle Bewegungen und Gruppen bezögen sich, wenn es um soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Freiheit gehe, auf Ideen und Symbole der untergegangenen Gesellschaft. So gibt es heute wieder Chöre, die Lieder aus der sozialistischen Zeit singen und vortragen. Auch aktuelle Kämpfe gegen Gentrifizierung, die Einschränkung des öffentlichen Raumes und nicht zuletzt die Marginalisierung des Antifaschismus seien anschlußfähig für Gedankengut aus dem früheren Jugoslawien.

Bei den schweren Überschwemmungen in Serbien, Kroatien und Bosnien hätte das Versagen der Behörden zu einer selbstorganisierten Massenmobilisierung für Selbsthilfe geführt, bei der man häufig auf das sozialistische Jugoslawien Bezug nahm, wo in den Schulen Zivilverteidigung für Katastrophenfälle unterrichtet wurde. In diesem Zusammenhang wurde auch an die freiwilligen Arbeitsbrigaden erinnert, die den Wiederaufbau Jugoslawiens nach dem Zweiten Weltkrieg wesentlich ermöglichten.

Für die Referentin ist es kein Zufall, daß der Wunsch der Menschen, sich in demokratischen Prozessen zu engagieren, mit der Erinnerung an das sozialistische Jugoslawien einhergehe. Damals hätte es noch die Möglichkeit gegeben, sich einzubringen und zu engagieren, was heute nicht mehr der Fall sei. Dieser Bezug auf das Vermächtnis und das Erbe Jugoslawiens, die Erinnerung daran, daß man das alles schon einmal hatte, ist in ihren Augen eine wichtige Voraussetzung dafür, die Fähigkeit wiederzuerlangen, eigenständig zu handeln. Mit dem Erstarken linker und sozialistischer Ideen werde eine Antwort auf die Krise des Kapitalismus gegeben, die immer weitere Kreise zieht, wie die Abwehr von Flüchtlingen an den europäischen Außengrenzen und ihre Internierung in Lagern zeigt. Überall auf dem Kontinent entstehen neue Formen des Faschismus, was es um so dringlicher macht, die Ideen von Solidarität, Gemeinschaft und Antifaschismus aufzugreifen. Diese sind in der Erinnerung an das sozialistische Jugoslawien enthalten und werden nun wieder aufgerufen, daher habe das Festhalten an der Erinnerung an die sozialistischen Staaten Europas große Bedeutung für dessen Zukunft.


Auf dem Podium - Foto: © 2016 by Schattenblick

Michael Mäde führt durch den Abend
Foto: © 2016 by Schattenblick

Lichtblicke in der Finsternis geschichtspolitischer Amnesie

Wie sehr die EU-europäische Geschichtspolitik inhaltlicher Konsistenz entbehrt, zeigt die häufige Bezugnahme darauf, daß die Etablierung dieses Staatenbundes Frieden in Europa geschaffen habe. Der Angriff der NATO auf Restjugoslawien 1999 wird dabei schlichtweg ignoriert oder auf den Rang einer humanitären Intervention heruntergestuft, die wiederum als positives Beispiel für die "neue Macht, neue Verantwortung" [3] des deutschen Imperialismus herangezogen wird. Bedenkt man die Kontinuität des "antibolschwistischen" Kampfes in Europa nach dem Sieg über Hitlerdeutschland und die Rekrutierung BRD als Frontstaat gegen den Systemfeind, dann ist durchaus zu bezweifeln, ob der antifaschistische Gründungskonsens der Europäischen Union jemals mehr war als ein Lippenbekenntnis. Das starke Anwachsen nicht nur rechtspopulistischer, sondern neofaschistischer Bewegungen in der EU spricht jedenfalls nicht dafür, daß der fundamentale Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus außerhalb der Linken jemals ernst genug genommen wurde, als daß er politische Konsequenzen gezeitigt hätte, die diesem Gründungskonsens gerecht geworden wären.

In der Bundesrepublik wurde und wird die deutsche Kriegführung in Jugoslawien und ihre Einbettung in die schon im Kaiserreich wie im NS-Staat aggressiv durchgesetzte Ausrichtung deutscher Hegemonialinteressen nach Südosteuropa nicht auf eine Weise aufgearbeitet, die eine dagegen gerichtete emanzipatorische Politik begründen könnte. Tanja Petrovics "Yuropa" wie auch die danach benannte Veranstaltungsreihe in der junge Welt-Ladengalerie können diese Lücke nicht füllen, sind aber Lichtblicke in der Finsternis einer historischen Amnesie, die die älteren Menschen noch gewärtige Bedeutung des sozialistischen Jugoslawiens für die europäische Linke ausgelöscht hat. Die Gründlichkeit, mit der dies nicht nur hierzulande, sondern, wie die Forschungsarbeit Tanja Petrovics belegt, selbst im eigenen Land erfolgte, belegt, daß die Totalität des neoliberalen Paradigmas von der "kreativen Zerstörung" auch und gerade vor dem Kernelement jeglichen Fortschritts, der Vergewisserung der eigenen Geschichte und ihrer Bedeutung für die Zukunft, nicht halt macht.


Podium und Publikum - Foto: © 2016 by Schattenblick

Veranstaltung in der junge Welt-Ladengalerie
Foto: © 2016 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] http://www.deutschlandfunk.de/europa-vor-zehn-jahren-wurde-montenegro-unabhaengig.871.de.html?dram:article_id=355981

[2] REZENSION/578: Hannes Hofbauer - Verordnete Wahrheit, bestrafte Gesinnung (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/buch/sachbuch/busar578.html

[3] http://www.swp-berlin.org/de/projekte/neue-macht-neue-verantwortung/das-papier.html


4. Juni 2016


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