Schattenblick →INFOPOOL →BUCH → ROMANE

BUCHBESPRECHUNG/006: Duane, Morwood - Die Romulaner (STAR TREK) (SB)


Diane Duane & Peter Morwood


Die Romulaner

STAR TREK, Raumschiff Enterprise



Dieses Buch besteht aus zwei getrennten Handlungsebenen. Während die eine in der Jetzt-Zeit des Raumschiffs Enterprise spielt, beginnt die andere in fernster Vergangenheit, als die Vulkanier noch Kriege führten und es das Romulanische Reich noch nicht gab. Sie sehen, es geht gleich mitten hinein in das Star-Trek- Universum, und wer bislang noch nicht mit dieser eigenen, reichhaltigen Welt vertraut ist, wird sich vielleicht erst an den selbstverständlichen Umgang mit bestimmten Begriffen gewöhnen müssen, aber dazu eignet sich das vorliegende Buch besonders gut! Es zählt zu den grundlegenden Star-Trek-Romanen, in denen der Leser sehr viel mehr als im durchschnittlichen Abenteuerroman über die Kosmologie dieser Science-fiction-Welt erfährt.

Es geht, der Titel verrät es schon, um das Volk der Romulaner, das sich in grauer Vorzeit von den Vulkaniern abgespalten hat und losgezogen ist, eine neue Heimat zu finden. Hinter diesem gigantischen Vorhaben stand sowohl die innere Spannung auf Vulkan als auch die Vorstellung, daß nur der Auszug für die Zurückgebliebenen Entlastung und für die Raumfahrer eine Verwirklichung ihrer abweichenden Philosophie ermöglichen kann. Die Geschichte des Aufbruchs, die unwahrscheinlichen Probleme bei der Reise, mit den tragischen Verlusten der Mehrheit der Raumschiffe, werden kontrastiert mit dem gegenwärtigen Leben auf einer der beiden Hauptwelten, die irgendwann von den raumfahrenden Vulkaniern, die sich noch während ihres langen Flugs den Namen Rihannsu gaben, erreicht wird. Dort hat die Föderation eine perfekt getarnte Spionin eingeschleust, um Informationen über das gesellschaftliche und soziale Leben auf Ch'Rihan, einer jener zwei Hauptwelten des Romulanischen Reiches, zu erhalten. Arrhae ir-Mnaeha heißt sie dort, und sie bekleidet eine Stellung als Hru'hfe, des Oberaufsehers über alle Bediensteten, in dem ehrwürdigen, aber längst nicht mehr so einflußreichen Haus des Prätors H'daen tr'Khellian. Seit acht Jahren versieht sie dort Dienst; sie ist erfolgreich, schön und verdient den ganzen Respekt ihres Herrn, aber dennoch lebt sie in der ständigen Furcht, entdeckt zu werden - so wie ihr Ausbilder auf Ch'Rihan, der gefoltert und getötet wurde.

Da sie aber der Föderation seit zwei Jahren keine Nachrichten mehr zukommen läßt, brütet man dort den Plan aus, Dr. Leonard "Pille" McCoy bei den Romulanern einzuschleusen, um sich Gewißheit zu verschaffen, ob Arrhae tot oder aber zu den Rihannsu übergelaufen ist. Hier erlebt man also Dr. McCoy einmal ohne seine feste Einbindung in das Leben auf der Enterprise und ohne den Rückhalt von Captain Kirk oder dem Vulkanier Spock. Diese Rolle ist überraschend gut gelungen, "Pille" McCoy hat dadurch noch an Tiefe gewonnen. Sehr einfühlsam werden die Charakterzüge, die der Leser oder Fernsehzuschauer von ihm kennt, aus der Sicht der Spionin Arrhae beschrieben. Denn es blieb natürlich nicht aus, daß McCoy, der sich planmäßig von den Romulanern gefangennehmen ließ, genau in jenes Haus gebracht wird, in dem Arrhae tätig ist.

Anfangs verrät sie mit keinem Wort, daß sie die gesuchte Person ist, und McCoy, der zwar einen Verdacht hegt, beginnt schon zu verzweifeln. Deswegen stellt er ihr eine Falle, um sich Gewißheit zu verschaffen, und sie gelingt! Arrhae, die in ihrem Denken und Handeln von keiner Rihannsu zu unterscheiden ist, verrät sich in einem aufwühlenden Moment, den er, sozusagen als letzten Versuch, provoziert hat. Jetzt gilt es für McCoy nur noch, die Gerichtsverhandlung abzuwarten, um selbst auch einiges über das Leben auf Ch'Rihan zu erfahren. Er hat keine Angst vor dem bereits verhängten Urteil der Todesstrafe, denn der Plan der Föderation sieht auch seine Befreiung vor.

Was in der Fernsehserie der Star Trek Classics aus Kostengründen stets zu kurz kam, aber in den Romanen immer wieder für eine gelungene Abwechslung sorgte, sind die Fremdwesen, die im Dienste der Föderation stehen. Hier erhält McCoy nämlich Hilfe durch einen Horta im Range des Lieutenants. Hortas sind Wesen auf Siliziumbasis und sehen dementsprechend felsig aus. Außerdem sind sie relativ unempfindlich gegenüber Phaserbeschuß, was sich noch als vorteilhaft herausstellen sollte. Aber wir möchten hier nicht die ganze Geschichte erzählen, denn dazu müßte man abermals ein Buch schreiben, um diesen hervorragenden Roman angemessen wiedergeben zu können.

Obschon die Abschnitte vom Auszug der raumfahrenden Vulkanier und ihre erbitterten Fehden auf den neuen Heimatwelten historisch berichtend geschrieben sind, mangelt es auch in diesen Kapiteln nicht an Spannung. Sie erwächst zwar nicht aus dem unmittelbaren Abenteuer und der Gefahr für Leib und Leben der Protagonisten, aber es ist spannend zu lesen, wie hier ein fiktiver Geschichtsverlauf aufgebaut wird, der vor allem durch die wechselnden Philosophien und Weltanschauungen der Beteiligten geprägt wird. Historische Entwicklungen oder gesellschaftliche Umwälzungen werden immer aus dem Zusammenhang heraus beschrieben, ganz im Stile eines Historikers, der die Menschheitsgeschichte mit seinen verschiedenen Geistesströmungen beschreiben würde.

Diesen Kapiteln steht der zweite Handlungsstrang über die Spionin Arrhae gegenüber, der in erzählerisch dichter Form die Gedanken einer Frau wiedergibt, die das harte Leben auf einem fremden Planeten schätzengelernt und ihren ursprünglichen Auftrag bis in den letzten Winkel ihres Gedächtnisses verdrängt hat. Nur das konnte sie davor bewahren, durch ihren Herrn enttarnt zu werden. Jener zählt noch zu der alten Schule, das Gastrecht steht bei ihm hoch im Kurs, und er behandelt seine Feinde mit dem gleichen Respekt, wie er ihn selbst auch erwartet. Dr. McCoy ist zwar Gefangener in seinem Haus, aber da er ohnehin nicht fliehen kann, darf er sich tagsüber frei auf dem Anwesen bewegen.

Spannend sind die Erlebnisse aus der Sicht Arrhaes vor allem aus dem Grund, weil die Romulaner bislang immer als hinterlistige und rachsüchtige Militaristen dargestellt wurden, während hier ein Bild entworfen wird, das so gar nicht zu den Vorurteilen auf Seiten der Föderation paßt. Es gibt auch innerhalb des Volks der Rihannsu verschiedene Ansichten, und das Leben auf den beiden romulanischen Hauptwelten wird traditionell durch Häuser bestimmt, die über unterschiedlichen Einfluß verfügen. Der ständige Machtkampf sowie das Verhandeln und Abwägen von Risiken unter den Häusern ist ein Spannungsmoment, wie man es ähnlich fesselnd auch bei der SF-Autorin C.J. Cherryh findet; als Beispiel sei hier der Roman "Der Engel mit dem Schwert" genannt.

Trotz großer Bedrängnis und emotionaler Aufruhr ob der unerwarteten Erinnerung an ihre Aufgabe durch McCoy zeigt sich Arrhae den ihr gestellten Aufgaben gewachsen, ja, sie wächst sogar mit den Problemen und versteht es, ihren Herrn an seine eigenen traditionellen Werte zu erinnern, ohne dafür bestraft zu werden. Der Leser fiebert mit, als sie in die höchst gefährliche Lage gerät, einen überheblichen romulanischen Subcommander abzuweisen, ohne daß dieser bei der Abfuhr das Gesicht verliert. Ihr Leben im Haus des H'daen ist hart und voller Überraschungen, aber sie liebt es und will es nicht missen.

"Die Romulaner" ist auch für denjenigen ein Lesevergnügen, der weder die TV-Serie "Star Trek" gesehen noch ein Buch dazu gelesen hat. Die Personen sind in sich schlüssig geschrieben, ihre jeweiligen Interessen für den Leser nachvollziehbar. Das ist nicht bei jedem Star-Trek-Buch der Fall, denn allzu leicht beschränken sich die Verfasser auf die bloße Anspielung von Charakterzügen, da sie auf den Wiedererkennungseffekt der Leserschaft setzen. Das wirkt dann oftmals abgedroschen und wenig plausibel. Ganz im Gegensatz dazu der vorliegende Roman. Die beteiligten Personen sind aus sich heraus erklärt. Aus diesem Grund ist das Buch sowohl dem Star-Trek-Neuling als auch dem "Trekkie", wie die wahren Star-Trek-Fans genannt werden, sehr zu empfehlen.

Diane Duane & Peter Morwood
Die Romulaner
STAR TREK, Raumschiff Enterprise
Heyne, München, 4. Auflage 1993
DM 12,80, 300 Seiten
ISBN 3-453-05831-3