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BUCHBESPRECHUNG/019: Hohlbein - Das Rätsel um Majestic 12 (SciFi) (SB)


Wolfgang Hohlbein


Dark Skies

Das Rätsel um Majestic 12



Mit der US-Fernsehserie "Akte-X" - im Original "X-Files" genannt - wurden altbewährte Horrorelemente mit neuzeitlichen Verschwörungstheorien, Ufologie mit verbotenen Genexperimenten, menschliche Mutanten mit außerirdischen Monstren zu einem Gebräu vergoren, das fortan unter dem Begriff Mystery - Rätsel, Geheimnis - subsumiert wurde. Während "Akte-X" hüben wie drüben, also im Land der blühendsten "conspiracy theories", Kultstatus erlangt hat, tun sich die bei jedem Erfolg emporsprießenden Nachahmerprodukte darin schwer. So hat es die TV-Serie "Dark Skies" nie geschafft, ganz oben auf der Mystery-Welle mitzuschwimmen. Dort, auf dem Wellenkamm, surft nach wie vor die Gemeinde der "X-Philes" - vor allem durchs Internet. Als X-Philes werden jene Menschen bezeichnet, die die Serie lieben, die alles sammeln, seien es Informationen über Schauspieler und Produktion, seien es Videobänder, original oder synchronisiert, oder seien es die vielen, vielen Akte-X-Merchandisingprodukte, mit denen der Markt überschwemmt werden soll. Denn was dem einen recht, ist dem anderen billig. Auch zu "Dark Skies" gibt es schon T-Shirts, Caps, Toys und so weiter.

Ein weiteres Merchandisingprodukt sind Romane, die nach den Drehbüchern einer Fernsehserie geschrieben werden. Mit diesen Romanen wird sozusagen die Welt des Schriftstellers auf den Kopf gestellt: er spinnt keine Fäden mehr zu einem festen Strang, sondern er bekommt das vorgefertigte Produkt und hat die Aufgabe, es nachzuerzählen. Die Charaktere sind starr, der Autor darf ihnen keine Eigenschaften auf den Leib schreiben, die sich nicht mit dem TV-Charakter decken. Auch die Handlungsorte und -abläufe sind festgelegt. Im Grunde hat der Schriftsteller keine andere Aufgabe, als bei jenen Lesern einen Wiedererkennungseffekt auszulösen, die auch die Serie gesehen haben. Es geht beispielsweise nicht darum, einer Figur besondere Tiefe zu verleihen. Sonst könnte der Leser noch den Eindruck gewinnen, das Medium Fernsehen sei gegenüber dem Buch farblos und fade.

Für den vorliegenden Roman "Dark Skies - Das Rätsel um Majestic 12" konnte der Verlag vgs in seiner ProSieben Edition den SF- und Fantasy-Autor Wolfgang Hohlbein gewinnen, der die Geschichte nach der amerikanischen Originaldrehbuchvorlage verfaßt hat. Warum ein Autor, der in Deutschland zumindest sehr bekannt ist, seinen Namen für eine solche Form der Schriftstellerei hergibt, darüber kann man nur rätseln, denn einen guten Ruf kann man sich damit natürlich nicht erwerben. Denn obschon es sich um eine Übersetzung handelt und man einem Übersetzer keinesfalls mangelnde Kreativität vorwerfen kann, ganz im Gegenteil, so ist der Anspruch an dieses Buch wesentlich niedriger. Denn während es bei einer herkömmlichen Übersetzung darum geht, einen Roman auf behutsame Weise in eine andere Sprache, Kultur und Vorstellungswelt zu übertragen, was eigentlich schon wieder eigenständigem Schöpfen entspricht, so muß sich der Autor bei den Filmnacherzählungen strenge Zurückhaltung auferlegen. Sein Einfallsreichtum reduziert sich auf den Austausch bestimmter Bausteine und bloßer Routinen im Umgang mit der deutschen Sprache.

Erzählt wird hier die Geschichte - wie sie der Leser vielleicht vom Pilotfilm her kennt - des John Loangard und seiner Verlobten Kimberly Sayers, die Anfang der sechziger Jahre nach Washington kommen, wo sie auf getrennten, aber nicht sehr entfernten Wegen Karriere in der Regierung machen. Loangard arbeitet im Weißen Haus und erhält die eigentlich wenig dankenswerte Aufgabe, für seinen Chef, den Kongressabgeordneten Pratt, die Arbeit der Air-Force-Sammelstelle für Ufo-Phänomene, "Projekt Blue Book", zu überprüfen und Informationen dafür zu liefern, daß deren Arbeit reine Zeitverschwendung und viel zu teuer ist. Pratt beabsichtigt zum Vorteil seiner eigenen Karriere, die Einstellung von Projekt Blue Book zu fordern.

Auf diese Weise gelangt Loangard in den Dunstkreis von Verschwörung und Heimlichkeiten auf der Seite der Menschen, die in der mit allen militärischen und sonstigen Machtmitteln ausgestatteten Geheimdienstorganisation Majestic 12 gipfeln, und den finsteren, invasiven Machenschaften außerirdischer Parasiten, welche vorzugsweise die menschlichen Körper besetzen und sie ihrem Willen unterwerfen.

Während Loangard immer tiefer ins Netz von Majestic 12 und seines rücksichtlosen Captain Bach gerät, arbeitet Kimberley Sayers am Wahlkampf Jackie Kennedys mit. Da John ihr nichts von seinen Verstrickungen erzählt, sie ihn aber längst der schäbigen Ausflucht überführt hat, kriselt es zwischen den beiden - zumindest so lange, bis auch sie von der Infiltration der Außerirdischen erfährt und selbst vorübergehend als Wirtskörper für einen tentakelbewehrten Alien dient. Die gemeinsam durchgestandene Austreibung des kleinen, aber monströsen Wesens von den Sternen schweißt dann John und Kim fester zusammen als je zuvor. Und darüber hinaus haben sie die Aussicht - entgegen dem Interesse von Majestic 12, alle Informationen über die Existenz der Außerirdischen vor der Öffentlichkeit, ja, selbst vor dem Präsidenten der Vereinigten Staaten zu verbergen -, bei Robert Kennedy ein offenes Ohr für ihre unglaublichen Erlebnisse zu finden ...

Das Erfolgskonzept der TV-Serie, die Handlung vor den historischen Ereignissen der sechziger Jahre spielen zu lassen, wurde selbstveständlich beibehalten und macht auch hier einen gewissen Reiz aus, der allerdings nur deshalb heraussticht, weil die Geschichte ansonsten kaum die Zwangsjacke der engen Drehbuchvorlage verläßt. "Dark Skies" bietet dem Zuschauer/Leser eine bestimmte Interpretation der geschichtlichen Ereignisse an, und da Geschichte generell als Rückblick, also immer wieder neu geschrieben wird, stört es auch nicht, wenn die Darstellung von der vorgefertigten Geschichtsschreibung abweicht. Hier befleißigte sich das Drehbuch eines recht freizügigen Umgangs mit Historie. Gleiches galt auch in Detailbereichen der Ufologie, die hier weitreichend verarbeitet wurde.

Der Name Majestic 12 hat zweifelsohne Zugkraft, doch ist es vielleicht interessant zu wissen, daß dieser Mythos einer militärisch-wissenschaftlichen Geheimorganisation, die abgestürzte Ufos birgt und unter Verschluß hält, bereits das Produkt eines auf den Schwingen des Prometheus reisenden Geistes war. Denn obwohl sich viele Ufologen darum bemüht haben, die Echtheit der sogenannten "Majestic-12-Dokumente", der praktisch einzigen Quelle für diesen Namen, zu beweisen, ist es ihnen nie gelungen. Im Gegenteil, es konnte nachgewiesen werden, daß die Präsidentenunterschrift unter die mit "top secret" und "eyes only" bestempelten Blätter schlichtweg hineinkopiert wurde.

So wird denn mit "Das Rätsel von Majestic 12" der schwer zu durchschauende Mythos weitergewoben, dessen Voraussetzung bereits der Feder eines Dichters, genauer gesagt, seiner Schreibmaschine entsprungen ist. Das schließt natürlich nicht aus, daß es ähnlich strukturierte Organisationen tatsächlich gibt. Zu dem ungezwungenen, aber eben auch verfälschenden Umgang mit historischen Fakten gehört ebenfalls, daß der angeblich von Außerirdischen entführte Barney Hill zu John Loangard darüber spricht, daß er bei seiner eigenen Begegnung mit den Aliens "plötzlich an all die Geschichten denken" mußte, die er gehört hatte, "von Menschen, die von außerirdischen Raumschiffen entführt worden sind und all das".

An diesem für die Handlung unbedeutendem Detail kann man allerdings etwas sehr Prinzipielles erkennen: Geschichte wird tatsächlich heute geschrieben und erfüllt nicht den Anspruch von Überlieferung. Denn der mutmaßliche Entführungsfall Betty und Barney Hill im Jahre 1961 war der erste in der Ufologie, der groß bekannt wurde - allerdings auch erst Jahre später. Jedenfalls hätte der echte Barney Hill niemals von "all den Geschichten" sprechen können, da niemand darüber geschrieben hatte. Damit sind nicht Ufo-Sichtungen gemeint, aber die Entführungen durch Außerirdische. Dabei handelt es sich um ein neueres Phänomen, das eigentlich erst mit dem Hill-Fall begann. Das gleiche gilt auch für das Kornkreis-Piktogramm, das hier von Loangard und Bach untersucht wurde. Zwar hat es bereits in den sechziger und siebziger Jahren hier und da mal einen einzelnen Kornkreis gegeben, aber die Kunstform der aufwendig herzustellenden Piktogramme trat erst dreißig Jahre später auf, also Anfang der neunziger Jahre.

Das sind zwar, wie gesagt, für den Handlungsverlauf nur unbedeutende, aber eben symptomatische Verfälschungen, die sicherlich mit dem Zustandekommen dieses Buchs zusammenhängen. Ein Abweichen von der Vorlage ist, selbst wenn es der Autor gewollt hätte, nicht möglich.

Ansonsten scheinen die Verlage mit dieser Art des Merchandising eher das Eigentums- denn das Leseinteresse ihrer Kunden zu bedienen. Ein solches Buch wird gekauft, weil man ein Fan von "Dark Skies" ist und alles dazu sammelt oder weil man es verschenken will, aber man kauft es gewiß nicht, weil man einen spannenden Science-fiction-Roma erwartet.


Wolfgang Hohlbein
Dark Skies
Das Rätsel um Majestic 12
nach einem Originaldrehbuch von
Bryce Zabel und Brent V. Friedman
ProSieben Edition, vgs, 1. Aufl., Köln 1997
296 Seiten