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BUCHBESPRECHUNG/057: Sheldon - Die letzte Verschwörung (SciFi) (SB)


Sidney Sheldon


Die letzte Verschwörung



Es wäre eine Wohltat, wenn sich der Buchtitel "Die letzte Verschwörung" insofern erfüllte, als daß der Autor Sidney Sheldon nie wieder ein Buch über Verschwörungen schriebe. Aber vermutlich tut er sich und den Lesern diesen Gefallen nicht, erweckt doch der Roman ganz und gar den Eindruck, als glaube der Autor tatsächlich an das, was er da schildert. Zumindest gibt er in seinen Anmerkungen die Quellen bekannt, aus denen er geschöpft hat. An ihnen läßt sich erkennen, daß das Wasser schon reichlich abgestanden war, das er da ausgewrungen und aufgebrüht hat - vergeblich. Das Buch schmeckt schal, wie kalter Kaffee eben.

Im Mittelpunkt von Sheldons Roman steht ein Held, ein Abziehbild von Silvester Stallone oder anderen austauschbaren Filmfiguren. Commander Robert Bellamy ist das Klischee eines überragenden Offiziers des US-Geheimdienstes, (der vermutlich im Alleingang die nordvietnamesische Armee besiegt hat). Bellamy wird von der CIA an die NSA überstellt und soll einen Auftrag von höchster Brisanz erfüllen. Er soll die Namen von Personen eines Reisebusses herausfinden, die in der Schweiz den Absturz eines Wetterballons mit wichtigem militärischem Material beobachtet hatten. Wozu die NSA für diese Aufgabe Commander Bellamy - "er ist der Beste!" - braucht, ist nicht ganz klar, denn was jener Held zu leisten hat, ist nichts anderes als die Alltagsarbeit des Journalisten eines x-beliebigen Lokalblatts. Sehr schnell findet der findige Commander heraus, daß da gar kein Wetterballon abgestürzt war, sondern ein außerirdisches Fluggerät, in dem zwei tote Wesen lagen. Allerdings verfügte das Ufo über drei Sitze, und so weiß der Leser schon am Anfang, daß ein drittes außerirdisches Wesen auf der Erde herumgeistern muß.

Später wird beschrieben, daß die Fremden menschliche Form annehmen können, aber in ihrer Leichform sehen sie aus wie die sogenannten Greys, die bekanntlich in der einschlägigen Ufo- Literatur immer wieder beschrieben werden und auch durch sämtliche cineastischen Billigproduktionen geistern: Überproportional große Köpfe, dunkle Augen, gräuliche Haut. Sie sind telepathisch begabt, sind eher dem Pflanzenreich zuzuordnen und haben grünes Blut.

Bellamy spürt also einen Zeugen nach dem anderen auf und gibt den Namen an seinen Chef in den USA per Telefon durch. Und während er dann den nächsten Augenzeugen aufsucht, läßt der NSA- Direktor die Personen umbringen. Bellamy, getreu seiner Pflicht als Staatsdiener, stellt keine Fragen. In einer "Blitzmeldung" (Fax?, Telegramm?) wird der NSA-Direktor darüber in Kenntnis gesetzt, daß die betreffende Person "liquidiert" wurde, sei es in der Schweiz, Rußland, Italien oder auch den USA.

Im Zeitalter modernster Überwachungsmethoden hätten die Handlanger der weltweiten Verschwörung auch gleich in der "New York Times" annoncieren können, daß sie den Mordauftrag erfüllt haben, denn genauso auffällig ist es, wenn das Wort "liquidieren" über irgendein Kommunikationsmittel weitergeben wird. Hier hat sich der Autor offenbar wiederum von der einschlägigen Ufo- Literatur inspirieren lassen, denn dort werden nur allzu gern ähnlich abgefaßte Schriftstücke präsentiert, wie sie Sheldon in Romanform andeutet.

Diese Naivität oder Sorglosigkeit bei der Verarbeitung der gängigen Verschwörungstheorien ist typisch für Sheldon. Er hat sich ja nicht einmal gescheut, die Wetterballon-Theorie in seinen Roman einzubauen und sie genauso an eine zentrale Stelle zu positionieren wie in der Ufologie. Denn der Kernmythos und Ausgangspunkt vieler Ufo-Szenarien ist der Absturz eines Spionageballons in New Mexico im Jahre 1947, der von US-Militärs offiziell zunächst als "vermutliches Flugobjekt außerirdischer Herkunft", kurz darauf jedoch als Wetterballon bezeichnet wurde. Damit nahm die Gerüchteküche ihren Anfang, und aus dieser einfachen Geschichte machten vor allem die Medien, die gerade ein Sommerloch durchzustehen hatten, eine große Sache. Aber wie das mit Sommerlöchern so ist, wenn sie gefüllt sind, werden sie schnell wieder vergessen. Erst Jahrzehnte später wurde das heute als "Roswell-Zwischenfall" bezeichnete Ereignis von Ufo-Autoren ausgraben. Aus dem einen Ufo-Absturz wurden schnell zwei bis drei, Außerirdische wurden auf einmal ebenfalls gefunden, und die gemeinen Geheimdienste haben sogar ein Alien im Keller gefangen gehalten.

Diese völlig ungestützten Spekulationen hat Sheldon in seinen Roman eingebaut. So blieb es auch nicht aus, daß er bei der Recherche für sein Buch auch auf den Namen "Majestic-12" stieß. Dabei handelt es sich angeblich um eine Gruppe von zwölf hochrangigen Wissenschaftlern, Militärs und Geheimdienstleuten, die ohne das Wissen der Regierungen eine Verschwörung betreiben und es der Öffentlichkeit verheimlichen, daß die Aliens längst da sind. Diese erfundene Geschichte - die auf "ultra geheim" getrimmten Majestic-12-Dokumente sind nachweislich gefälscht - bildet den Hintergrund für Sheldons "letzte Verschwörung". Auch auf die Gefahr hin, durch Wiederholung zu ermüden: möge es seine letzte Verschwörung sein, über die er schreibt.

Vor einigen Jahren, als die Fernsehserie "Akte X" den Mystery- Boom auslöste und auch hierzulande große Erfolge feierte, da legte der Bastei-Verlag mit einer Heftserie namens "Ufo-Akten" nach. Unverhohlen wurden darin die beiden Helden Muller und Scully kolportiert. Sidney Sheldon ist es mit seinem Roman gelungen, jene Kolportage durch das mühsame Verkleistern von Klischees noch zu unterbieten. Er hat lediglich ein paar typische, immer wiederkehrende Szenarien aus der Ufo-Literatur aufgegriffen und zusammengeschustert, ohne sich sonderlich viel Mühe zu geben. Sein Held stolpert nur so durch die Handlung, und es wird nicht ersichtlich, warum er "das Beste" ist, was der Geheimdienst aufzubieten. Eines von unzähligen Beispielen: Auf der Flucht in Italien bezahlt Bellamy eine Prostituierte, damit sie ihn begleitet, denn die Geheimdienste suchen ja nach einer Einzelperson. Als nächstes schickt er sie jedoch in ein Hotel, damit sie dort ein Zimmer für ihn unter seinem echten Namen mietet, um die Verfolger auf eine falsche Fährte zu locken. Natürlich wissen die sofort, daß er jetzt in Begleitung unterwegs ist, so daß er sich den ganzen Aufwand der Tarnung durch eine Frau hätte sparen können.

Der Autor hält dies jedoch für ein gekonntes Verwirrspiel und läßt die Frau gleich in drei Hotels Zimmer reservieren. Zusätzlich deponiert sie dort auch noch jeweils eine Fahrkarte zu jeweils einem anderen Zielort. Das hat die Verfolger unglaublich abgelenkt, denn nun wußten sie, was sie vorher nicht wußten: Bellamy ist noch in der Nähe. Die Verwirrung bleibt ganz auf der Seite des Autors. Womöglich hatte sie ihn schon während der Recherche ereilt, denn dem Leser bleibt es völlig schleierhaft, wie Sheldon zu folgender Danksagung gelangen konnte:

Mein besonderer Dank gilt Dr. James J. Hurtak und seiner Frau Desirée, die mir ihr unschätzbares technisches Fachwissen zur Verfügung gestellt haben.

Warum hat Sheldon nichts von diesem unschätzbaren technischen Fachwissen weitergegeben, weder literarisch noch inhaltlich? Doch kommen wir zum Schluß der Handlung, die man gar nicht verraten kann, weil sie schon auf den ersten Seiten absehbar wird: Ein außerirdisches Wesen hat überlebt, trifft natürlich mit Commander Bellamy zusammen, und ruft die Flotte von Mutterschiffen herbei. Die Finsterlinge in den hohen Etagen der Geheimdienste jedoch, die haben sich geirrt, denn die Außerirdischen sind gar nicht böse und wollen die Erde gar nicht einnehmen. Sie wollten uns eigentlich nur sagen, daß wir endlich mit der Umweltzerstörung aufhören sollen. Das Adieu der Aliens liest sich bei Sheldon so:

Die Frau in Weiß wandte sich ab und verschwand im Mutterschiff. Die Lichter in seinem Innern wurden heller und heller, bis sie den ganzen Himmel erstrahlen ließen. Dann hob das Mutterschiff ab, und die Raumschiffe am Himmel begannen sich zu zerstreuen. Wenige Minuten später waren sie alle verschwunden. 'Sag den Menschen, daß sie aufhören müssen, ihren Planeten zu zerstören.' 'Richtig!' dachte Robert. 'Jetzt weiß ich, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen werde.' Das war ein wundervolles Gefühl. Er blickte Susan an und lächelte.

Ach ja, eine Susan kommt auch noch vor, der Soap Opera ist noch nicht Genüge getan. Susan ist die Ex-Frau des Helden, aber er liebt sie noch immer. Sie liebt ihn ebenfalls, aber geht mit einem reichen Typen, der kein so unstetes Leben wie ein Geheimdienstmann führt und dafür eine dicke Jacht sein Eigen nennt. Seit der Trennung ist Bellamy auch noch impotent, wie der Autor nicht oft genug wiederholen kann. Aus dieser Fessel wird der arme Held schließlich durch seine kleine italienische Prostituierte befreit, die - in Abweichung des Märchens vom Froschkönig - als Frau den Mann wachküßt. So ist auch dieser Makel behoben, sein Leben wieder im Lot. Die weltweite Verschwörung ist aufgeflogen, die Aliens sind es auch. Alles wird gut.


Sidney Sheldon
Die letzte Verschwörung
Blanvalet, München 1992
320 Seiten
ISBN 3-7645-6728-7