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BUCHBESPRECHUNG/097: Laire (Perry Rhodan) (SB)


Perry Rhodan


Laire

Silberband 106



Der Kosmische-Burgen-Zyklus, der mit dem vorliegenden Silberband 106 eingeleitet wird, beginnt mit einem Paukenschlag. Und das ist noch untertrieben. Vor rund 18 Millionen Jahren landen sieben Loower, die sich als die künftigen Mächtigen ausgeben, auf der geheimnisvollen EBENE, weil sie dem Kosmokratenroboter Laire das linke Auge stehlen wollen. Obwohl das rund zweieinhalb Meter große, charismatisch anmutende Kunstwesen schneller auf den Angriff reagiert, als die Loower in ihren schlimmsten Vorahnungen erwartet hatten, und zunächst mehrere von ihnen sterben müssen, gelingt die Attacke. Laire liegt bewegungslos am Boden, und der Waffenmeister der Loower sprengt das Auge heraus. Schon beginnt sich der Kosmokratenroboter wieder zu rühren, fährt mit seinen langen, sechsfingrigen Händen in die aufgerissene Öffnung seines Kopfes, in dem sich noch die Glut der Explosion austobt. Die magmatische Masse ist noch so heiß, daß dabei Laires Fingerspitzen zerfließen und abfallen.

Im Nebenlauf zu der Schilderung dieses Vorfalls und der anschließenden Entwicklungen erhalten die Leserinnen und Leser wichtige Informationshäppchen wie, daß die Loower einst für die Kosmokraten am Bau eines Schwarm beteiligt waren, daß sie befürchten, durch Manipulationen der Kosmokraten degeneriert zu werden und mit Hilfe des Auges hinter die Materiequellen fliegen wollen, um die Hohen Mächte aufzusuchen.

In den ersten Romanen dieses Zyklus bestimmt das Auge Laires gleich mehrere parallele Handlungsstränge. Zum einen sucht Laire, der das Sporenschiff des abtrünnigen Mächtigen Bardioc übernommen und es nur zu zwölf Dreizehntel in den Hyperraum lenken konnte, sein Auge, da er ohne es nicht hinter die Materiequellen, wo die Kosmokraten hausen, gelangen kann. Aus diesem Grund hatte der Roboter sich als das LARD ausgegeben und in der Galaxis Tschuschik das Volk der Wynger so manipuliert, daß es immer wieder Berufene entsendet, das für ihn nach dem Auge suchen soll.

Zum anderen wird die Erde in der aktuellen Handlungszeit von einer Flotte Loower bedroht, die von der Regierung die Herausgabe des vor langer Zeit auf dem Planeten versteckten Auges fordern. Das hat jedoch der von Gäa stammende Mutant Boyt Margor an sich genommen. Mit Hilfe des Auges erzeugt er Hyperraumnischen, in die er sich bei Gefahr zurückziehen, in denen er aber auch Waffen und Kämpfer verstecken kann.

Die Loower bedienen sich recht ungewöhnlicher Mittel, um an ihr Ziel zu gelangen. Beispielsweise entführen sie die terranische Familie Gheröl aus Istanbul, um eine bessere Vertrauensbasis zu den Menschen herzustellen. Es ist die siebenjährige Baya Gheröl, die das loowerische entelechische Denken versteht und als Vermittlerin zwischen den von ihren unterschiedlichen Denkweisen her einfach nicht zueinander passenden Terranern und Loowern auftritt. Boyt Margor, der sich Vorteile davon verspricht, Zwietracht zwischen den Loowern und Terranern zu säen, entführt die kleine Baya und steckt sie in eine Hyperraumklause.

Um der wyngerischen Gesellschaft in der Galaxis Tschuschik durch die brisanten Informationen, daß sie von einem Roboter manipuliert und das ganze Glaubensgebäude nur dazu benutzt wurde, einen profanen Zweck zu erfüllen, keinen kulturellen Schock zuzufügen, entschließen sich Perry Rhodan und seine Mitstreiter auf den beiden von einer Wynger-Flotte eingeschlossenen Großraumschiffen SOL und BASIS sowie der rebellische Wynger Plondfair zu einem behutsamen Vorgehen. Perry und Plondfair lassen sich gefangen nehmen, in der Hoffnung, der Führung der Wynger auf diesem Weg besser die Augen öffnen zu können. Es läßt sich denken, daß sich insbesondere die Priesterschaft, die am meisten zu verlieren hat, mit allen Mitteln gegen die Aufklärungsbemühungen zur Wehr setzt.

In einem Nebenstrang des Silberbands wird die Loslösung des Fernraumschiffs SOL von seiner ursprünglichen Bestimmung beschrieben. Unter den Solanern haben sich mehrere Fraktionen gebildet, die bei der Verfolgung des gleichen Ziels, nämlich die vollständige Verfügungsgewalt über das riesige Raumschiff zu erlangen, unterschiedliche Mittel einsetzen. Wollte man es politisch ausdrücken, könnte man sagen, daß Perry Rhodan in diesem Zusammenhang für das Establishment steht, das es aus Sicht der Solaner zu stürzen gilt. Eine Gruppierung schreckt auch vor Gewalt nicht zurück.

Genereller Handlungsschwerpunkt ist und bleibt jedoch Laire. Anhand seines Werdegangs wird der Zyklus auf spannende Weise eingeleitet. Ein Roboter, der von den Hohen Mächten so programmiert wurde, daß er sich nicht nur nicht von Menschen und anderen organischen Intelligenzwesen unterscheidet, sondern diesen häufig auch noch haushoch überlegen ist, ruft uralte Fragen auf wie, ob nicht auch die Menschen programmiert wurden und vorgegebene Verhaltensweisen an den Tag legen.

Bekanntlich liefern die verschiedenen Religionen bereitwillig Antworten auf solche "letzten" Fragen. Auch die Wissenschaft, respektive die Genetik, berührt diesen Punkt. Sie erweist sich von ihrer Grundlage her als nicht weniger schicksalsgläubig als manche Glaubensvorstellung. Die Annahme, daß sämtliche Lebewesen Ergebnis einer genetischen Kodierung sind, weist durchaus eine weltanschauliche Verwandtschaft mit dem christlichen Glauben auf, demzufolge die Menschen von Gott geschaffen wurden. Ob die höheren Kräfte Gott oder Natur genannt werden, macht dann keinen prinzipiellen Unterschied.

Nun gibt es heutzutage faktisch keine Lehre, in der eine strenge genetische Disposition angenommen wird. Nach der unter Wissenschaftlern verbreiteten Vorstellung spielen neben den Genen auch Umwelt, Ernährung und Erziehung eine wichtige Rolle dabei, was aus einem Menschen wird. Dennoch besitzt der Glaube an die Wirksamkeit einer genetischen Disposition weiterhin seine Gültigkeit, selbst wenn das Genom nicht als unabänderliche Programmierung aufgefaßt wird.

Laire ist zwar "nur" ein Roboter, aber aufgrund des tragischen Verlusts seines linken Auges eignet er sich durchaus als Identifikationsfigur, wie es mit einem menschlichen Handlungsträger kaum hätte besser gelingen können. Die Loower wiederum sind deshalb ein interessantes Volk, da sie in kein Gut-Böse-Schema passen. Sie bedrohen die Erde, entführen Menschen, rauben das Auge Laires, aber immer vor dem Hintergrund äußerer Umstände und der Furcht einer Bedrohung ihrer eigenen Existenz als technologisch hochstehendes Volk durch die Kosmokraten. Selbst der "Schurke" Boyt Margor, der nach Macht strebt und dazu über Leichen geht, wird nicht als ausschließlich böse gezeichnet. Auch sein Leben verlief tragisch. Er wurde von Zwottern aufgezogen und von der Psychode beeinflußt. Dabei handelt es sich um mit psionischer Energie aufgeladene Kunstwerke der Prä-Zwotter. Ohne daß Boyt es verhindern konnte (oder wollte), hatte er im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren seiner Mutter nach und nach alle Lebensenergie entzogen, bis sie gestorben war.

Es zeichnet die Romane in besonderer Weise aus, daß das Autorenteam sich genügend gedanklichen Freiraum bewahrt und es nicht nötig gehabt hat, ein simples Gut-Böse-Schema aufzubauen. Das kommt den Figuren zugute, was wiederum dazu beiträgt, daß den Leserinnen und Lesern kein gedankliches Korsett aufgezwängt wird. Es regt die Phantasie eher an, anstatt sie in vorgefertigte Bahnen zu lenken.

In den vorliegenden Silberband 106 flossen folgende Einzelromane ein: PR 900 - Laire (William Voltz), PR 905 - Sendboten des Alles-Rads (H. G. Francis), PR 906 - Das Gericht der Kryn (H. G. Francis), PR 907 - Das Weltraumbaby (Marianne Sydow), PR 901 - Die Zweidenker (Ernst Vlcek), PR 902 - Das Mädchen und die Loower (Ernst Vlcek), PR 911 - Der Helk des Quellmeisters (Ernst Vlcek).

26. Oktober 2009


Perry Rhodan
Laire
Silberband 106
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt 2009
ISBN: 978-3-8118-4092-8, 400 Seiten