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REZENSION/046: Chr. Reed - Der Fluch der weißen Katze (Katzenkrimi) (SB)


Christopher Reed


Der Fluch der weißen Katze



Man nehme das Klischee einer amerikanischen Großstadt wie San Francisko in den späten 60iger Jahren, setze in das ihr ehemals anhaftende Image als Hippie-Metropole eine Figur, die sich den Kampf gegen das Böse auf die Fahne geschrieben hat und mixe etwas Flair der 40iger-Jahre einer Stadt wie Chikago darunter: Ein durch vergangene Anstrengungen etwas abgerissener Marlow-Typ sitzt in seiner gegen die Konkurrenz nur schwerlich eroberten Bleibe und träumt von einem lang ersehnten Urlaub unter Palmen, um seine erlittenen Verletzungen endlich ganz auskurieren zu können. Draußen auf der Straße machen indes die gefürchteten wie gleichermaßen berüchtigten Straßengangs die Gegend unsicher.

Dann erblickt er die schlanke Schönheit, die in einem seiner vielen unachtsamen Momente 'hereingeschneit' sein muß und zu der er auf keinen Fall wird 'Nein' sagen können, obwohl es - wie er schon jetzt weiß - besser für ihn wäre...

Jetzt übertrage man diese Szenerie in die Welt der Mäusefänger, bzw. vertausche die darin vorkommenden Darsteller mit katzenartigen Figuren und begebe sich 'eine Etage tiefer' in die Sichthöhe der Vierbeiner - und schon ist man eingetaucht in das neue Feeling des vorliegenden Fileden-Romans, der sich mit vielen anderen nach den populär gewordenen Unterhaltungskonzepten um vermenschlichte Katzenexistenzen im Musical "Cats" oder dem Zeichentrickfilm "Felidae" nach dem Katzenkrimi von Akif Pirinçci einen halbwegs festen Platz auf dem Büchermarkt erobert hat.

Doch - um ein Urteil vorwegzunehmen - wer mehr als nur eines dieser echten Katzen-Romane gelesen hat, also jener Werke, in denen Katzen menschengleich auf abenteuerreiche Tour gehen und Kriminalfälle lösen, wird bemerken, daß sich die vierpfötige Trägerschaft relativ rasch verbraucht. Man sehnt sich schnell wieder zurück zum 'wirklichen' Reißer und Krimi, in dem weniger flach und plakativ auch auf die Abgründe menschlicher Wesenszüge eingegangen werden kann - jener Abgründe, die anfangs und im Verlauf des Kennenlernens dieses neuen Genres durch die ungewohnte Zusammensetzung der erzeugten Bilder ins Vergessen gerückt schienen.

Mit zunehmender Gewöhnung an diese Art der unterhaltenden Literatur wird die Aneinanderreihung bereits bekannter Szenarien deutlich und der vermeintlich gedankliche Sprung in eine andere Welt erweist sich als bloße Wiederholung und Reproduktion bekannter Klischees.

Die vermeintlich fantasiereiche Konstruktion detektivisch aktiver Katzen entlarvt sich dann als bloßer Trick, durch eine ungewohnte Zusammenstellung und Vermischung verschiedenster bekannter literarischer Erfolgsrezepte den Anschein einer neuen Romanart zu erwecken - eine Verschleierung, die für den Leser allerdings immer mehr durchsichtig wird.

Tatsächlich bedient sich die gedankliche Übersetzung des Gelesenen bereits bekannter Comicfiguren, als daß sie echte Katzen 'tanzen läßt' - wodurch sich erklärt, daß sich die Figuren in der eigenen Vorstellung vorzugsweise auf zwei als auf vier Beinen bewegen.

Die Vorprägung durch Zeichentrick- und Comicfiguren scheint hier seine Blüten zu entfalten. In diesem Sinne macht also die Fantasie seinem Namen alle Ehre: Althergebrachtes wird reproduziert und das Gelesene läuft vergleichbar mit einem Zeichentrickfilm vor dem inneren imaginären Auge ab.

Lediglich das sprachliche Geschick des Autors vermag dann noch den Leser über so manche Hürde verhelfen, vor der er sonst schon angesichts der Überschaubarkeit des Geschehens den Roman zur Seite gelegt hätte.

In dem vorliegenden Taschenbuch 'Der Fluch der weißen Katze' von Christopher Reed wurden dementsprechend erfolgversprechende Rezepte verschiedenster Art der Unterhaltungslitaratur 'in einen Topf geworfen und verrührt'. So scheinen beispielsweise bekannte Krimifiguren wie Cherlock Holmes und Privatdedektiv Marlow in einer Person zusammenzuwirken und sich der Figur einer Comickatze zu bedienen:

(Textauszug S.11) '...Ich untersuchte die Kralle etwas eingehender. Ein winziger Blutrest klebte an der Spitze, das Blut des Opfers. Aber das andere Ende war trocken, zu trocken, um erst vor kurzem ausgerissen worden zu sein. Und an der Kralle haftete ein Geruch, der nicht von einer Katze stammte. Ein Geruch, der mir gar nicht gefiel. Ich schob das Ding unter einen Teppichfetzen, damit es nicht verlorenging, und winkte Mimi zu dem Loch in der alten Schranktür. "Kommen sie, wir machen einen Spaziergang, Kleines." '

Ob aus diesem Gemisch tatsächlich ein 'gutes Gericht' bzw. eine spannende Lektüre geworden ist, läßt sich für den potentiellen Leser im Vorwege vielleicht daran ermessen, ob ihm beispielsweise die Machart modernster Aktion-Filme zusagt. Denn bei genauem Hinsehen bzw. aufmerksamen Lesen kommt man kaum daran vorbei zu bemerken, daß man es hier ausschließlich mit Wiederholungen zu tun hat, die etwas verändert aneinander gereiht wurden.

Wenn auch ein allgemeiner Erfolg dieser Machart modernster Unterhaltung nicht zu leugnen ist, so läßt sich doch das Potential der Leser begrenzen, die sich für diesen kleinen 'Trip in Buchform' auf Dauer werden begeistern lassen. Es beschleicht einen vielmehr die Ahnung, daß diese Bücher vor allem dazu verurteilt sind, als Geschenke im Bücherregal ungelesen zu verschwinden.

Denn selbst so mancher Katzenliebhaber wird sich schwer daran gewöhnen können, daß sich der Held der Geschichte auf allzu menschliche Weise mit seinen Artgenossen unterhält, an Straßennamen orientiert oder sich ausgesprochen menschlich- perspektivische Gedanken darüber macht, ob beispielsweise das Verwüsten des Gemüsebeetes im Zuge seiner Ermittlungen noch andere, nämlich vom Menschen ausgehende Folgen für ihn haben könnte.

Die Menschen verkörpern in dieser Geschichte mehr oder weniger die gönnerhaften, aber schwer verständlichen Überwesen, die so manchem rechtzeitig aufgegriffenes Kätzchen ein Leben in Luxus ermöglichen können. Und es liegt an dem Vermögen der Katze, sich 'seinen' Menschen richtig zu erziehen - eine Interpretation über das Wesen der Katze, die sich offensichtlich der gängigen Tierpsychologie bedient hat und in der das menschliche Dilemma seiner gedanklichen Zirkelschlüssigkeit in Bezug auf das Reaktionsverhalten von Lebewesen zueinander als unumstößliche Wahrheit besiegelt wird.

Geht man allerdings als Leser konform mit dieser Vermenschlichung des uns hauptsächlich als Haustier bekannten Lebewesens, so wird man sich vielleicht kaum daran stören und es wird nicht auffallen, daß die Probleme des Menschen aus spezifisch seinem sozialen Umfeld kaum auf Tiere übertragen werden können.

Diese Übertragung und Gleichsetzung findet beispielsweise in der Unterteilung der Katzen in Standesunterschiede einen Niederschlag und entwickelt hier möglicherweise einen nicht zu leugnenden Reiz für den, der Katzen nicht gänzlich abgeneigt entgegensteht (wobei andere sich wohl kaum an diese Lektüre herantrauen). Katzen verschiedenster Lebensweisen treffen aufeinander und reiben sich ganz nach dem Vorbild Mensch am Unterschied ihrer Herkunft und Lebensart.

Dementsprechend weiß ein 'echter' Straßenkater sein wüstes und riskantes Dasein durchaus zu schätzen und möchte keinesfalls tauschen mit dem Leben einer wohlbehüteten Hauskatze, die sich anschmiegsam an einem menschlichen Hosenbein reiben muß, um die Aufmerksamkeit und das Wohlwollen des Zweibeiners immer wieder erneut auf sich zu lenken - und sich damit der lauernden und nicht abschätzbaren Gefahr hingibt, dieses Schmeichel- und Bestätigungsmanöver gerade in einem gänzlich unpassenden Augenblick gestartet zu haben und einen Fußtritt dafür zu ernten, der selbst für ein anpassungswilliges Hauskätzchen nicht leicht zu verknusen ist.

Ein Straßenkater steht über all dem und zieht statt dessen lieber die unsichere Freiheit vor, beispielsweise nicht zu wissen, ob er bereits an diesem Abend beim Ergattern von Essensresten aus der Küche der Hafenspelunke erwischt wird und wenn er Glück hat, nicht selbst im Kochtopf landet, sondern nur ein Ende seines Schwanzes für seine Dreistigkeit einbüßt.

Doch dafür ist er mehr als jeder verweichlichte Stubenkater in der Lage, den stark belebten Broadway hin zum Nachbarrevier zu überqueren, und nicht wie Mimi, die wohlbehütete Barkatze, die vor lauter Schreck ob der Flut auf sie niederprasselnder Eindrücke fast den tödlichen Fehler begeht und inmitten der Gefahrenquelle heranrollender Autos panikartig den Rückwärtsgang einlegt - was unvermeidlich tödlich für sie ausgegangen wäre. Wie gut, daß der Held der Geschichte schnell zur Stelle war.

Doch lauern neben diesen und dem Erzfeind Hund, der immer mal wieder seinen langen Riechkolben in Angelegenheiten steckt, die ihn nichts angehen und so die Ermittlungen stört, noch ganz andere Gefahren aus bislang unbekannter Richtung.

Ohne allzuviel von der Geschichte vorwegnehmen zu wollen: Ein gespenstisches weißes Wesen, daß, weil viel zu riesig, unmöglich eine normale Katze sein kann, treibt in der Katzenszene auf mysteriöseste Weise sein grausames Unwesen. Geliebte wie auch weniger angenehme Cats, jene die gefürchtet sind und sich durchaus zu wehren verstehen, haben bereits mit ihrem Leben bezählen müssen und sind gräßlich verstümmelt aufgefunden worden. Dieses Geisterwesen geht in der Katzengemeinde um und macht offenbar selbst vor Standesunterschieden nicht halt.

Manx McCatty, Dedektiv und Held der Geschichte, hat sich wie gesagt entgegen jeder Vernunft 'breitschlagen' lassen und diesen Auftrag angenommen - und jetzt, nachdem er sich die Geschichte der schönen Katzendame Mimi angehört hat, ist es für ihn geradezu eine Frage der Pflicht geworden, mehr noch als des Erhalts seines guten Immages als Dedektiv, eins und eins zusammenzuziehen. Er verfolgt erste Spuren, reimt zusammen, was zusammenpaßt und... tritt in die ersten, wirklich tiefen Fettnäpfchen.

Denn nicht alle kätzischen Rivalen haben Verständnis für die unaufhaltsame Neugier McCattys, die keine Rücksicht auf sonst vorherrschende Regeln und Absprachen in der Welt der Katzen kennt. Rivalen sehen ganz egoistisch ihr Territorium bedroht und zögern nicht, dementsprechend zu handeln. Die Reaktionen, denen Manx begegnen muß, fallen darum oft übertrieben, um nicht zu sagen 'brutal' aus.

Krallenbewehrte Schlägereien und so manche daraus resultierende Blessur halten unseren Held jedoch nicht von seiner Arbeit ab.

Doch dann gerät McCatty im Zuge seiner Ermittlungen in eine weit größere Gefahr, die auch er unterschätzt - ja, unterschätzen mußte. Wissenschaftliche Versuchsreihen pressen dann auch ihn in die Mühlen stur ablaufender menschlicher Forschungsmethoden - die Aussichten jemals wieder aus diesem Dilemma herauszukommen sind mehr als gering...


Christopher Reed
Der Fluch der weißen Katze
Katzenkrimi
Erste deutsche Auflage im Oktober 1996
Als Taschenbuch erschienen im Bastei-Lübbe Verlag
ISBN Nr. 3-404-13800-7