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REZENSION/001: Ernst Meckelburg - Transwelt (Spekulativ) (SB)


Ernst Meckelburg


Transwelt - Erfahrungen jenseits von Raum und Zeit



In dem vorliegenden Buch hat der Autor eine Anzahl von Erlebnisberichten aneinandergereiht, die alle aus dem Gebiet parapsychologische Effekte und außersinnliche Wahrnehmung stammen. Gegliedert unter anderem in Kapitel wie "Erscheinungen - Projektionen aus einer anderen Welt", "Präkognition - Informationen aus der Zukunft" oder "Die Psychowelt der Tiere" wird eine Anekdote nach der anderen zum besten gegeben, doch es bleibt dem Leser bei der Lektüre völlig unersichtlich, welchen Zweck dieses Buch eigentlich verfolgt. Denn fast alle der hier aufgeführten Beispiele sind schon an anderer Stelle veröffentlicht worden und können deswegen in der Originalliteratur viel detaillierter nachgelesen werden. Und dem Anspruch, ein Übersichtswerk über die gesamte Bandbreite oder zumindest einen ausgesuchten Teilbereich außergewöhnlicher Phänomene zu liefern, wird der Autor ebenfalls nicht gerecht. Wozu also ein ungenügendes Sammelwerk zumeist knapp angerissener Geschichten, denen häufig auch noch die genaue Quellenangabe fehlt?

Vielleicht hatte Meckelburg versucht, seine Belesenheit in diesem spezifischen Bereich der Literatur zu demonstrieren. Es gibt ja immer wieder Autoren, die den Leser davon zu überzeugen versuchen, daß sie über ein schier unerschöpfliches Wissenspool verfügen und man sich geschmeichelt fühlen solle, wenn derjenige einen Teil seiner gesammelten Weisheit in die schnöde Welt der Unwissenden ergießt. Doch selbst solch einen Zeitgenossen vermag Meckelburg nicht darzustellen.

Vielleicht war es dem Verlag aber auch egal, auf welche Weise er seine grenzwissenschaftliche Reihe fortsetzt, die er - den einleitenden Sätzen des Autors zu entnehmen - "beharrlich weiterverfolgen" will. Beharrlichkeit ist leider keine Gewähr für Qualität ... auch wenn sie angesichts des vorliegenden Werkes das einzige zu sein scheint, was heutzutage den meisten der von der allgemein nachlassenden Lesebereitschaft betroffenen Verlage noch bleibt. Aber Beharrlichkeit hat allzusehr mit "verharren" oder "verhärten" zu tun - und das kann immer nur die denkbar schlechteste Reaktion auf eine veränderte Wirtschaftslage sein. Dennoch liegt der Nutzen dieses Buches ganz auf der Seite von Autor und Verlag, für den Leser verbleibt wohl nur die Fassade eines weiteren Buchrückens in irgendeinem Regal für seine Bücher, auf die er nicht wieder zurückkommen wird.

Alle geschilderten außergewöhnlichen Phänomene werden auf die gleiche undifferenzierte Weise präsentiert, lose heruntererzählt, ohne irgendeinen erkennbaren Ansatz eines plausibel ausgearbeiteten theoretischen Hintergrunds. Um dem möglichen Einwand vorwegzugreifen: Mit "plausibel" ist ganz und gar nicht gemeint, daß die Theorie mit der herkömmlichen naturwissenschaftlichen Lehre konform gehen sollte, im Gegenteil. Die Beschäftigung mit Phänomenen, die von der Wissenschaft ausgespart werden, da sie sie nicht in ihrem Ordnungsgefüge unterbringen kann, sollte sich gerade von den herkömmlichen Methoden und Inhalten zu lösen versuchen, um nach Möglichkeit viel weiter zu greifen, als die Wissenschaft es vermag. Da "Transwelt" eine solche Herangehensweise nicht mal erahnen läßt, bleibt der Autor noch viel tiefer in exakt der Konvention stecken, die er den etablierten Wissenschaften zum Vorwurf macht.

Welches Kapitel man auch aufschlägt, bei mehr oder weniger sämtlichen beschriebenen Fällen muß der Begriff des Hyperraums als ursächliche Größe für allerlei Phänomene herhalten.

`Transwelt' beinhaltet ein Prinzip höherer Ordnung jenseits unserer gewohnten Raumzeit, jenseits unseres Vorstellungsvermögens. Wir sind Teil dieser höherdimensionalen, gewissermaßen holographisch mit- und ineinander verschachtelten Universen, nur eine winzige Facette einer umfassenden, ultimaten Realität. Unter für uns bislang unerklärlichen Umständen kommt es über einen schmalen, zeitlosen Transitkorridor - den geheimnisvollen Hyperraum - gelegentlich zu `Kurzschlüssen' zwischen unserer Welt und dimensional anders beschaffenen Realitäten, in denen nichts unmöglich zu sein scheint. Dann geschehen mitunter die merkwürdigsten Dinge. (S. 13)

Merkwürdig ist eher, daß der Hyperraum dem Vorstellungsvermögen der Leser verschlossen sein soll, der Autor aber eine recht genaue Vorstellung davon hat, wie die Sphäre auszusehen hat: ein schmaler, zeitloser Transitkorridor mit der unpassenden Neigung zu Kurzschlüssen. Der Autor muß schon eine seltsame Vorstellung von einem Kurzschluß haben, wenn er diesen unerwünschten Unglücksfall in der Stromversorgung ins Positive verkehrt und daraus ableitet, daß der Kurzschluß den Menschen "ungeahnte Kräfte und Fähigkeiten" verleiht, wie er später ausführt.

Als ein Leser, der sehr an dem Feld außergewöhnlicher Phänomene interessiert ist, kann man nur sein Bedauern ausdrücken. Schade, daß hier einmal mehr dem unhinterfragten Glaubensbekenntnis das Wort gesprochen wurde, statt einem nüchternen Forschungsinteresse, das sich erst dann wirklich von der Konvention zu lösen versteht, wenn es auf jegliche Jenseitigkeit verzichtet. Der Begriff Hyperraum ist austauschbar, es gibt eine Reihe von Ersatzbegriffen wie "andere Dimension", "feinstoffliche Welt", "Zeitebene", etc., die immer auf eine geheimnisvolle, jenseitige Welt verweisen, die für alles verantwortlich gemacht wird. Der Hyperraum stellt eine oberste Instanz dar, die nicht hinterfragt zu werden braucht, sie ist einfach da, der Hyperraum existiert. Wer nicht daran glaubt, hat "Scheuklappen", eine "wissenschaftliche Vorzensur", "ungenügende Objektivität".

Wenn sich die Grenzwissenschaft in das Feld miteinander konkurrierender Weltanschauungen begibt, wie das hier praktiziert wird, dann hat sie von vornherein gegenüber den meisten anderen Denkmodellen, sicher aber gegenüber der jahrhundertealten Tradition der Naturwissenschaft, die schlechteren Karten. Eigentlich hätte sie das nicht nötig, und gerade deshalb müßte sie es sich der Sache wegen gefallen lassen, noch schärfer unter die Lupe genommen zu werden - was in diesem Buch, das muß betont werden, nicht erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund reicht es demzufolge nicht, zu sammeln, was an anderer Stelle schon ausführlicher geschildert wurde, und die Beispiele anschließend fast schon schablonenhaft zu kommentieren.

Die Anmerkungen bestehen in der Regel in einem vagen Hinweis auf den Hyperraum oder einen seiner willkürlich verwendeten, undifferenzierten Ersatzbegriffe. Manchmal wirft Meckelburg auch Begriffe ein, ohne sie näher zu erläutern oder an späterer Stelle darauf zurückzukommen. Ein Beispiel dafür ist der Begriff des Hypothalamus (S. 119), angeblich die "Brücke zwischen dem Feinstofflichen und dem Materiellen". Hier soll wohl schon die bloße Andeutung dieses Begriffs ein Aha-Erlebnis bei demjenigen Leser auslösen, der irgendwo schon einmal davon gehört hat. Dabei ist es ein Fehler zu glauben, man könne es sich als Autor eines grenzwissenschaftlichen Buches leisten, unpräzise zu sein. Man überwindet als veraltet angesehene natur- oder geisteswissenschaftliche Theorien sicherlich nicht, wenn man meint, man könne sich die Mühe sparen und bräuchte sich nur in bloßen Andeutungen ergehen.

Es drängt sich zwangsläufig der Eindruck auf, daß sich Meckelburg aus allem heraushalten, sich nicht wirklich auf eine These festlegen will und statt dessen lieber von Möglichkeiten oder Wahrscheinlichkeiten schreibt. Der Konjunktiv wurde in diesem Buch im Übermaß strapaziert. Darüber hinaus ist der Kommentar des Autors dann häufig als Frage formuliert, wobei der jeweilige Fall in seinen Augen anschließend offenbar als abgeschlossen gilt. Hier ein Textauszug, in dem das Schema: "Man nehme ein bekanntes Fallbeispiel aus der Literatur, deute ein oder zwei mögliche Erklärungen an und gehe zum nächsten Fall über", am deutlichsten wird. Im folgenden gibt der Autor einen Brief von Madame Bisson, datiert auf den 2. September 1910, auszugsweise wieder:

`... Auf einmal fühlte ich auf meinen Händen eine kühle, klebrige Masse, die mich berührte. Ich hielt sie fest und führte sie vorsichtig außerhalb des Kabinetts, ohne Evas [Anmerk.: des Mediums] Hand aus der `Gefangenschaft' zu befreien. Die Masse verlängerte sich in meinen Fingern; sie hing vor mir von der Hand herunter, und ich konnte sie ein bis zwei Minuten lang beobachten ...' (S. 59)

Ohne daß in dem Brief der Begriff "Ektoplasma" fiel oder sonst eine Erklärung zu dem Phänomen wiedergegeben wurde, stolpert Meckelburg im weiteren Verlauf durch eine wilde Mischung aus physikalischen Größen und selbstgebrauten Begriffsverwendungen:

Was aber ist dieses Ektoplasma, das offenbar mit dem von russischen Forschern entdeckten Bioplasma - einem `mit der Physis korrespondierenden Energiefeld'- identisch ist? Eine materialisierte Erscheinungsform des normalerweise immateriellen Bioplasmas?
Es hat den Anschein, als ob wir es bei dieser hypothetischen, physikalisch nicht verifizierbaren bioplasmatischen Komponente mit einem Verbindungsfeld (eine Art `Interface') zu tun haben, einem Bindeglied zwischen Körper und Bewußtsein - zwischen Grob- und Feinstofflichem -, das so manche paranormale Phänomene, auch Materialisationen, erklären könne. Wahrscheinlich ist dieses Energiefeld ein janusköpfiges Etwas - mit einem seiner `Tentakel' fest im Feinstofflichem verankert, mit dem anderen in unsere Welt hineinreichend. Eine weitere Möglichkeit, den Zwittercharakter des Bioplasmas zu erklären, bestünde in der Annahme, daß das psychische Energiefeld graduelle Abstufungen aufweist, die, je nach Beeinflussung von unserem Universum aus - auf medialem Wege oder anderweitig - unterschiedlich materiell in Erscheinung treten. (S. 60)

War der Begriff "Bioplasma" am Anfang des Zitats noch als Spekulation und Frage aufgeworfen, als ein Begriff aus einem gänzlich anderen Zusammenhang, so wird es wenige Zeilen später schon als Tatsache verwemdet, indem der Autor ihm ohne die geringste Herleitung "Zwittercharakter" verleiht. In diesem ständigen Wechselspiel zwischen locker dahingeworfener Vermutung und unhinterfragter Tatsache tritt die Meinung des Autors am krassesten zutage: Man sollte möglichst verschiedene Ansichten wiedergeben, dann braucht man sich nicht festzulegen und kann sich, je nach Bedarf und Anforderung, auf die eine oder andere Seite zurückziehen. Daß ihm diese durchaus allgemein menschliche Neigung auf die Füße fällt, liegt dabei auf der Linie.

Zum Beispiel in dem Fall des englischen Trance-Mediums Collins Evans, der im Jahre 1938 vor etwa 300 Zuschauern im Londoner Rochester-Square-Garden angeblich längere Zeit etwa einen Meter über dem Boden geschwebt haben soll. Neben anderen Bildern bringt Meckelburg auch ein Foto des "schwebenden" Evans, bei dem schon bei der ersten Betrachtung die ungewöhnliche Körperhaltung dieses "Mediums" auffällt. Die Beine wirken wie aufgehängt, die Füße ragen weit heraus, die Hose hat sich hochgeschoben. Wer einmal an einer Stange gehangen hat, kennt diesen Effekt. Wenn nicht das schon mißtrauisch macht, dann zumindest der ungewöhnlich steife, besser noch versteifte Oberkörper, der im Gegensatz zum Unterkörper gar nicht hängt, sondern eher getragen wird.

Unterstützt wird der Gesamteindruck, daß Evans an einem Korsett aufgehängt ist, durch die steifen, ungewöhnlich weit nach oben gezogenen Schultern. Wem diese eindeutige Körperhaltung nicht Hinweis auf eine Täuschung genug ist, dem sei anempfohlen, sich das auf Hochglanz gedruckte Foto unter guten Lichtverhältnissen einmal etwas schräg von der Seite anzusehen, und er wird eine anders verfärbte schwarze Linie vom Hinterkopf aus nach oben aus dem Bild herausführen sehen. Auch wenn der Hintergrund dunkel ist, kann man unzweifelhaft an einem Matt- glänzend-Kontrast erkennen, daß hier auf sehr ungeschickte Art das Foto nachgedunkelt wurde.

Man mag diesen Trickbetrug als Einzelfall darstellen, dem der Autor aufgesessen ist; aber wenn man eben nichts anderes hat, als zu sammeln, nimmt schon mal gerne Beispiele hinein, um einen bestimmten Seitenumfang zu erreichen.

Auch Meckelburgs Anleihen an der Physik halten nicht im geringsten, was sie versprechen. Der "Kurzschluß" zwischen Hyperraum und dieser Welt, Bioplasma als "Interface" zwischen einer höheren Dimension und unserer Welt - das sind alles Verknüpfungen, die das ohnehin spärlich eingestreute Thesenmaterial nicht besonders erhellen, zumal sie bestenfalls mit anderen Begriffen erläutert werden, die gleichfalls nicht hinterfragt werden.

Bei dem Bemühen, eine physikalische Erklärung für die sogenannte Präkognition zu erstellen, verwickelt sich der Autor schon im Ansatz in Widersprüche. Auch wenn er wieder einmal nur eine Theorie wiedergibt, die jemand anderes beschrieben hat, so muß er sich doch für den Inhalt verantwortlich zeigen. Da versucht der US-Physiker Dr. Charles A. Musès, Präkognition mit einem elektromagnetischen Vorgang zu beschreiben, dem immer, wenn er beispielsweise durch Abschalten drastisch gestört wird, eine lichtschnelle und eine zweite etwas langsamere Vorläuferwelle vorausgehen sollen, bevor dann das Ereignis eintritt.

Ohne tiefer in die Physik eindringen zu müssen, kann man hierzu sagen, daß die besagten Vorläuferwellen eben Bestandteil des Ereignisses sind. Wenn also einem Abschaltvorgang stets dieses Signal vorausgeht, wie es hier beschrieben wird, dann ist es keine Präkognition (Vorhersage) zu sagen, daß das elektromagnetische Feld ausgeschaltet wird. In ein vereinfachtes Bild gebracht, wäre das wie die Aussage: Wenn ich den Strom abschalte, geht das Licht aus. Doch die Verwirrung setzt sich weiter fort, denn Meckelburg zitiert zu diesem Beispiel auch noch einen Erklärungsversuch des Physikers:

Musès vermutet nun, man könne den Vorläuferwellen Informationen über das noch in der Zukunft liegende Ereignis entnehmen, bevor dieses wirklich eintritt. Mehr noch: Man könne diese Informationen sogar empfangen, wenn das Ereignis selbst abgelenkt wird und sich nie tatsächlich manifestiert. Er entwirft das Bild von einem Pfeil, der mittels eines Bogens abgeschossen wurde und auf ein bestimmtes Ziel zufliegt. Die Vorläuferwellen (der Schall), die ihm vorausgehen, erreichen das Ziel. Irgend etwas lenkt jedoch den Pfeil mitten im Fluge ab. Die Wellen kommen dann zwar mit der Information `Pfeil erreicht Ziel' durch, das Ereignis selbst tritt aber dennoch nicht ein. (S. 151)

Hierzu ist zu sagen, daß sich die Schallwellen des Pfeilabschusses physikalisch gesehen in alle Richtungen ausbreiten, sie sind nicht nur auf einen ganz bestimmten Einschlagpunkt begrenzt, wie es in dem Vergleich gefordert wird. Die Schallwellen des Pfeils geben einem am Ziel stehenden Beobachter nämlich keine Information `Pfeil erreicht Ziel', sondern allenfalls die allgemeine Information, daß ein Pfeil abgeschossen wurde, mehr nicht. Das "Ziel" - man sollte besser Einschlagpunkt sagen, denn die Richtung und damit der Einschlagpunkt eines abgeschossenen Pfeils ist bekanntlich immer von bestimmten Umständen abhängig - liegt also keineswegs vorher fest.

Sich jetzt noch weiter an dem unerschöpflichen Quell der aufgeführten Denkverwirrungen, besonders bei den Adaptionsversuchen aus der Physik, zu bedienen, würde dem Buch zuviel Aufmerksamkeit entgegenbringen. "Transwelt" wird vermutlich all jenen Kritikern Nahrung liefern, die einer grenzwissenschaftlichen Forschung sowieso schon distanziert gegenüberstehen. Sollte diese sich tatsächlich auf lauwarme Aufgüsse längst abgestandener Ersatzstoffe beschränken, dann kann man ihnen nur zustimmen. Hier wurde wieder einmal die Chance vergeben, dem Namen "Grenzwissenschaft" dahingehend gerecht zu werden, daß sich ein Autor bemüht, die Grenzen der Wissenschaft wie auch der eigenen Vorstellungen nicht mehr zu vermeiden.

Ernst Meckelburg
Transwelt - Erfahrungen jenseits von Raum und Zeit
Albert Langen/Georg Müller Verlag, München, 2. Auflage
November 1992
ISBN 3-7844-2424-4