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REZENSION/011: Däniken - Die Spuren der Außerirdischen (Ufologie) (SB)


Erich von Däniken


Die Spuren der Außerirdischen



Ein Buch von Dänikens aus den neunziger Jahren. Mal sehen, dachte ich, womit das Enfant terrible der Hobbyarchäologie diesmal seine Leserschaft von der Grundthese zu überzeugen versucht, derzufolge die Erde in der Frühzeit der menschlichen Zivilisation von Außerirdischen aufgesucht wurde. Sie sollen von unseren Ahnen als Götter verehrt worden sein und dementsprechend in den verschiedensten Kulturgegenständen, über den gesamten Globus verteilt, ihre Zeichen hinterlassen haben. Zeichen und ihre Deutung, das ist von Dänikens Ausgangspunkt, Thema und seine Methode - und vom Unterhaltungswert präsentiert er seine spezifische Interpretation gut. Selbst wer sich nicht so sehr für Kulturgeschichte und Archäologie interessiert, kann sich an manchen Stellen der Faszination über die Fertigkeiten der frühzeitlichen Menschen kaum entziehen.

Für von Däniken ist eine Stufenpyramide nicht einfach eine Stufenpyramide, nein, es ist eine Offenbarung oder auch ein schier unerschöpflicher Pool an gehobenen wie noch im Verborgenen schlummernden mathematischen Schätzen. Beispielsweise die Stufenpyramide von Teotihuacán am Stadtrand von Mexico City. Steht man auf ihrer abgeflachten Spitze und blickt hinunter in Richtung Tal auf den langen Aufstieg, der durch Stufenfolgen und Ebenen im Wechsel gebildet wird, dann kann man - welch ein Wunder - keine Stufen erkennen. Statt dessen erhält man den Eindruck, eine durchgängig gepflasterte Straße hinunter in die Ferne zu schauen. Und umgekehrt - bereits das zweite Wunder -, wenn man von unten nach oben blickt, sieht man nur Stufen und keine Ebenen - was will uns der Baumeister damit sagen? Für unseren symboldeutenden Autor steckt hinter diesem Eindruck einer bestimmten Sichtweise Absicht der frühen Erbauer.

Allerdings steht dieses kleine "Wunder" nicht so sehr im Mittelpunkt des Interesses von Dänikens, sondern vielmehr, daß sich nach dem amerikanischen Ingenieur Hugh Harleston angeblich an allen Gebäuden von Teotihuacán eine Maßeinheit von 57 Metern oder einem Vielfachen davon ablesen läßt. An der Straße der Toten, der drei Kilometer langen Prachtstraße, die schnurgerade auf die oben erwähnte Stufenpyramide zuführt, sollen laut dem Autor "markante Bauwerke 114 (= 2 x 57) beziehungsweise 343 (= 6 x 57) Meter voneinander entfernt" liegen.

Als ich die Zahlen das erste Mal sah, dachte ich, hoppla, da stimmt doch etwas nicht. Und richtig: 6 x 57 ergibt 342, also einen Meter weniger - und aus ist es mit der schönen Theorie! Wenn von Däniken oder der von ihm angeführte Hugh Harleston sich schon auf dieser groben mathematischen Ebene verrechnen, wer weiß, wie genau er sein Maßband an anderer Stelle angelegt hat? Ganz nach dem Motto: Den einen oder anderen Meter kann man ja unterschlagen ... wenn es dem Wohle des eigenen Theoriengebäudes gilt.

Aber bei derlei Zahlenmystik bleibt es nicht, von Däniken wird - unter Berufung auf Harleston - noch genauer. Jener "fahndete nach einer kleineren Maßeinheit", schreibt unser Autor, "die auf alle Bauwerke von Teotihuacán paßte. Das Grundmaß ergab sich mit 1,059 Metern. Harleston gab ihm den aztekischen Namen 'Hunab', was soviel wie 'Einheit' bedeutet."

Verehrte Leserschaft, wenn Sie sich einmal zu Hause die Mühe machen wollen, nach einem "Grundmaß" in Ihrer Wohnung zu suchen, Sie können jede Wette eingehen, Sie werden eines finden! Das ist nicht weiter verwunderlich, denn was ein richtiger Fahnder ist, der findet auch. Das "Grundmaß" meiner Wohnung ist übrigens 1,950 Meter. Das entspricht der Länge meines Bettes, der Höhe des Kleiderschranks und der fünffachen Breite meiner Teppichfliesen. Wirklich erstaunlich, das hatte ich vorher nicht gewußt. Ich mache mich gleich auf die Suche nach weiteren Beweisen für meine Behauptung, daß eine außerirdische Zivilisation dem Architekten, meinem Teppichhändler sowie dem Fabrikschreiner "mein" Grundmaß eingeflüstert hat.

Machen wir zunächst einmal weiter mit der nächsten, angeblich geradezu astronomischen Bedeutung der mexikanischen Anlage. Von Däniken schreibt auf Seite 83/84:

Quetzalcoatl-, Mond- und Sonnenpyramide sind 21, 42 und 63 'Hunabs' hoch, stehen also im Verhältnis von 1:2:3 zueinander. Ein Computer errechnete derweil Unbegreifliches. Die Grundrißkante der Quetzalcoatl-Pyramide entspricht dem 100.000sten Teil des Polarradius (Umfang der Erde am Polarkreis). An der Zitadelle fand Harleston verschiedene pythagoreische Dreiecke, die Zahl Pi zur Berechnung des Kreisumfanges und die Ziffer für die Lichtgeschwindigkeit (299.792 km/sec.). Pyramidenstümpfe und die Plattformen der Zitadelle ergaben die Maße für die durchschnittlichen Bahndaten der Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars. Die Daten setzen sich direkt hinter der Zitadelle auf der 'Straße der Toten' fort: Dort floß einst in einem künstlich angelegten Bachbeet [sic] der San-Juan-Bach unter der Straße durch. In richtiger Distanz symbolisiert er den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, der - wie ein Bach - aus Hunderttausenden von Gesteinsbrocken besteht.

Ich habe mir und der Leserschaft dieses etwas längere Zitat gegönnt, weil sich darin doch allerhand verquere Vorstellungen widerspiegeln, (die uns, würden tatsächlich einmal Außerirdische auf die Erde kommen und die Menschen nach den hier zum Ausdruck gebrachten Schlußfolgerungen beurteilen, in ihren Wahrnehmungsorganen als ziemlich rückständig erscheinen lassen). Beginnen wir mit dem Zahlenverhältnis von 1:2:3 für die drei Pyramiden von Teotihuacán. An diesem Verhältnis ändert sich auch dann nichts, wenn man den Maßstab 'Meter' verwendete. Es ist kein Beweis, nicht mal ein Indiz dafür, daß die Erbauer der Pyramiden tatsächlich mit dem von Harleston angeblich festgestellten Längenmaß 'Hunab' gerechnet haben.

Zu dem "unbegreiflichen" Ergebnis des Computers, der der Grundrißkante der Quetzalcoatl-Pyramide den 100.000sten Teil des Polarradius zuordnete, ist zu sagen, daß hier der Computer die Fahndungsarbeit übernommen hat. Hätte man das Rechengehirn weiterlaufen lassen, sicherlich hätte er noch mehr Daten herausgefunden, die den Anschein von Zahlenmystik erwecken. Wie zum Beispiel der eine milliardenste Teil der Strecke Erde-Mond oder ähnliches. Wie gesagt, wer lange genug sucht, der findet auch.

Daß Harleston noch weitere Zahlen an den Pyramiden, Zitadellen und anderen Bauwerken gefunden hat, ist nicht verwunderlich. Man sollte sich statt dessen einmal fragen, wie oft er mit seinen Maßen gescheitert ist. Das heißt, wenn ich mir einen bestimmten Fundus an Zahlen zurechtlege, zum Berliner Reichstagsgebäude gehe und zu messen beginne, ich kann Ihnen versichern, so manch kosmischen Divisor zu finden. Damit will ich sagen, daß die Mathematik ein völlig ungeeignetes Mittel der Interpretation ist, denn es liegt im Wesen des Teilens und Messens, daß sich bestimmte Wiederholungen und Muster ergeben.

Das gleiche gilt auch für den angeblichen Himmelsatlas, nur daß hier die Interpretation noch krasser ausfällt. Denn wie man auf Seite 205 erkennen kann, hat von Däniken nicht alle historischen Bauwerke der Anlage in sein Planetenmodell einbezogen, sondern nur diejenige, die zu seiner Theorie paßten. Beispielsweise konnte er der großen Quetzalcoatl-Pyramide keine Planetenbahn zuordnen. Das heißt, es handelt sich um eine willkürliche Zuordnung, bei der einigen Bauwerken eine astronomische Entsprechung zukommt, anderen hingegen nicht. Das Kriterium aber, wonach von Däniken seine Unterscheidung trifft, bleibt ein wirklich ungelöstes Geheimnis. Das soll es wohl auch bleiben, denn dementsprechend kann er natürlich seine spezifischen Interpretationen verbreiten. Und davon macht der Autor reichlich Gebrauch:

Es ist nicht zu übersehen: Teotihuacán war als Modell des Sonnensystems angelegt. Die steinzeitlichen Bauherren und Städteplaner konnten nun wirklich nichts von den Bahndaten der Planeten in unserem Sonnensystem wissen. Wer kritzelte den Priesterarchitekten diese Kenntnisse auf Stein? (S. 84)

Meine Antwort auf die Frage: Von Däniken selbst war's! Die "Priesterarchitekten" interessierte unsere heutige Vorstellung des Sonnensystems herzlich wenig. Und warum sollten sich Außerirdische - nimmt man einmal an, sie hätten unseren Vorfahren dieses Modell nahegebracht - nach der heutigen Vorstellung des Sonnensystems und nicht beispielsweise nach der kopernikanischen oder einer noch älteren richten, in denen die Erde gar im Mittelpunkt stand, um die die Sonne und die anderen Planeten kreisten? Damals waren die Leute ebenfalls der festen Überzeugung, ihre Vorstellung sei die letztgültige Wahrheit.

Und doch stellen Astronomen heute bereits fest, daß sich die Planeten in unserem Sonnensystem doch nicht so sehr auf exakten Bahnen bewegen, wie man es vielleicht gerne hätte. Allerdings war es war schon immer die Vermessenheit einer jeden Menschheitsgeneration, ihr jeweiliges Weltbild als das einzig und letztgültige anzusehen.

Aber mit der Naturwissenschaft nimmt es von Däniken nicht so genau. Solange sich etwas für seine Vorstellungen zu eignen scheint, verwendet er es. Das ist zwar keine ungewöhnliche Methode, aber dennoch sollte es nicht unerwähnt bleiben. So spekuliert er in seinem Kapitel "Reisen in Raum und Zeit" über mögliche zukünftige Energiequellen und behauptet, daß die Existenz überlichtschneller Teilchen, Tachyonen genannt, mathematisch nachgewiesen sei.

Da hat er recht, aber er verschweigt, daß dies nur innerhalb der Mathematik gilt. Was die Mathematik nachgewiesen hat, ist jedoch nicht die p h y s i k a l i s c h e Existenz solcher Teilchen, sondern sie hat es geschafft, überlichtschnelle Teilchen in eine Formel zu schreiben, die lösbar war. Das hat nicht die geringste Entsprechung mit dem, was gemeinhin als Wirklichkeit bezeichnet wird. Mathematisch kann man allerhand Teilchen, Räume oder gar Welten "schaffen", ohne irgendeinen Bezug zu anderen Ordnungssystemen, Hauptsache, sie lassen sich innerhalb des eigenen Systems herleiten.

Weiterhin vermischt von Däniken, Science-fiction mit wissenschaftlichen Spekulationen, um dadurch den Eindruck zu erwecken, die Eroberung des Weltraums durch die menschliche Rasse sei nur noch eine Frage der Zeit. Da bricht der Perry-Rhodan-Fan aus von Däniken heraus, doch seine Spekulationen haben zu der aktuellen gleichsam wie zu der kommenden Weltraumfahrt keinerlei Zusammenhang. Die Vermischung von Materie und Antimaterie beispielsweise sowie die Verlängerung des Lebens oder auch Verlangsamung der Lebensprozesse, all das sind nichts als nette und unterhaltsame Visionen und sollten auch als solche eingeschätzt werden. Von daher spricht auch nichts dagegen, über den möglichen Besuch Außerirdischer auf der Erde in grauer Vorzeit zu spekulieren, aber man kann sich dabei nicht auf eine physikalisch-technologische Grundlage berufen.

Ein Thema, das von Däniken immer wieder gerne aufgreift, sind Naturvölker und ihre Sitten und Gebräuche. Hieran knüpft er eine seiner Hauptthesen, derzufolge Raumfahrer in der Frühgeschichte der Menschheit von den Bewohnern der Erde als Götter verehrt wurden, denn genauso sollen in der Neuzeit die Weißen von Eingeborenenstämmen auf der ganzen Welt verehrt worden sein. Dazu schreibt er auf Seite 43/44:

Zu allen Zeiten sind Naturreligionen entstanden. Begreiflich, denn die frühzeitlichen Menschen verstanden wenig von den Zusammenhängen, die zum Blitz führten, sie wußten nichts über die Entstehung von Erdbeben, vermochten nicht zu begreifen, weshalb der Berg Feuer spie.

Ganz wie die von sich eingenommenen Kolonialherren einst die Denk- und Verhaltensweisen von Eingeborenenstämmen als dumm und rückständig betrachteten, entwirft von Däniken hier ein Bild des tumben Ureinwohners, der nicht weiß, was um ihn herum vorgeht. Dem stände aber gegenüber, daß der Mensch heute die als Naturgewalten bezeichneten Wirkungen und Kräfte tatsächlich beherrschte. Das ist nachweislich nicht der Fall. Sicherlich scheint sich der weiße Mensch im Vergleich zu anderen Bioexistenzen bislang als einer der durchsetzungsfähigsten Räuber zu erweisen, und wenn man Kolonialisierung, Unterwerfung und Raub zum Maßstab für Wissen oder Unwissenheit erhebt, dann hat der Weiße einiges an diesem "Wissen" weiterentwickelt, allerdings ist der Rückschluß von heutigen Eingeborenenstämmen auf jene aus den Anfängen der menschlichen Zivilisation rein spekulativ. Jede Behauptung, die damaligen Menschen wüßten nichts über die Wirkungen in ihrem Lebensbereich, ist anmaßend.

Zu von Dänikens buntem Interpretationsreigen menschlicher Schaffensaktivität zählt auch ein Gebilde in der englischen Grafschaft Berkshire bei Uffington, das als das "weiße Pferd" bezeichnet wird. Dort hatte man vor schätzungsweise 2000 Jahren in dem hügeligen Kreideland Rasenziegel abgehoben, so daß sich der kalkweiße Untergrund als starker Kontrast aus der grünen Landschaft abhob. Das ganze Gebilde hat eine Länge von annähernd 110 Metern. Zum Glück für den Leser hat von Däniken in seinem Bildteil, der reichlich bemessen ist und über die Hälfte des Buches einnimmt, zwei Fotos zum "weißen Pferd von Uffington" veröffentlicht. Zum einen die bereits vielfach abgedruckte Luftaufnahme, aus annähernd senkrechter Perspektive, bei der jedoch das Relief der Landschaft fast vollständig nivelliert wird. Und zum anderen vom Standpunkt eines Menschen innerhalb der Landschaft aus. Bei letzterem Foto kommt nicht mal die Ahnung auf, diese weißen, verschieden breiten Streifen sollten irgend etwas künstlerisch Absichtsvolles darstellen.

Von oben hingegen kann man die vielen kleinen Hügel nicht unterscheiden, und so ist es zur Interpretation als "weißes Pferd" gekommen. Ein ähnlicher Effekt ist von Wolken bekannt, die lediglich die Eigenschaft haben, vergänglicher zu sein. Der eine erkennt in ihnen völlig zweifelsfrei ein Gesicht, während der nächste, eine mittelalterliche Burgruine zu erkennen meint, und so weiter. Das hat sicherlich jeder schon einmal erfahren. Genauso verhält es sich mit dem "weißen Pferd". Wenn es nicht in der Bildunterschrift gestanden und ich es nicht aus anderen Veröffentlichungen gekannt hätte, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, es als Pferd oder als irgendein künstlerisches Gebilde zu erkennen.

Deshalb habe ich die Probe aufs Exempel gemacht und das Bild jemandem gezeigt, der völlig unvoreingenommen war. Obwohl das Foto nicht senkrecht von oben aufgenommen wurde, sondern den Blickwinkel schon vorgegeben hat, fiel es meinem Bekannten sichtlich schwer, irgend etwas hineinzuinterpretieren. Nach mehreren Fehlversuchen kam er schließlich auf ein Tier und dann, wenn auch nicht in der ersten Wahl, auf ein Pferd. Einem weiteren Bekannten habe ich das Bild vorgelegt, nur diesmal auf den Kopf gestellt. Die Interpretationen reichten jetzt von "Flußkrebs" über "irgendein Küchengerät" bis hin zu einem "langgestreckten chinesischen Zeichen".

Ich gehe auf dieses Beispiel deshalb so ausführlich ein, weil es das Prinzip von Interpretation wesentlich verdeutlicht. Konkrete Voraussetzung für dieses Beispiel ist erstens eine Höhenunterschiede nivellierende Sichtweise aus der Luft und zweitens eine bestimmte Blickrichtung. Ob die damaligen Rasenstecher wirklich ein Pferd darstellen wollten, was nur aus großer Höhe - und damit von Außerirdischen - zu deuten ist, ist eine bloße Vermutung. Wie bei der Deutung von vielen weiteren Bildnissen, Statuen oder Bauten wird die Behauptung, Außerirdische könnten die Erde besucht haben, zu einer reinen Glaubensfrage. Wer von Däniken wohlgesonnen ist, folgt seinen Deutungen, wer dies nicht ist, hat genügend Anhaltspunkte, sie abzulehnen.

Somit möchte ich abschließend auf von Dänikens Bemerkung eingehen, daß es keine überzeugenden Gründe gibt, die gegen intelligentes, außerirdisches Leben sprächen, und ihm entgegenhalten, daß er ebenfalls keine überzeugenden Gründe nennen konnte, die f ü r den Besuch von Außerirdischen auf der Erde sprächen.

Erich von Däniken
Die Spuren der Außerirdischen
Bertelsmann Verlag, München 1990
225 Seiten
ISBN 3-570-09419-7