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REZENSION/133: Mathias Bröckers - Verschwörungen ... des 11.9. (SB)


Mathias Bröckers


Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.



In der Medienlandschaft Deutschlands hat sich niemand mehr um Aufklärung rund um das Jahrhundertereignis der letztjährigen Flugzeuganschläge auf das New Yorker World Trade Center und das Arlingtoner Pentagon bemüht als der frühere Taz-Kulturredakteur Mathias Bröckers. Seine seit dem 13. September 2001 bei der Internetzeitung Telepolis regelmäßig erscheinenden Artikel über die Fahndung nach den Tätern, den angelaufenen "globalen Antiterrorkrieg" und die Hintergründe der beispiellosen, in ihren Auswirkungen immer noch nicht richtig einzuschätzenden Propaganda-Inszenierung eines gleichzeitigen Anschlages auf die New Yorker Zwillingstürme und das US-Verteidigungsministerium stehen in Deutschland als leuchtendes Beispiel eines Journalismus da, der sich nicht mit der Wiedergabe offizieller Verlautbarungen zufrieden gibt, sondern selbst die Fähigkeit, eigene Fragen zu stellen, demonstriert und somit seiner Leserschaft eben diese Möglichkeit eröffnet. In diesem Monat hat Bröckers sein Buch über die Hintergründe der Flugzeuganschläge und ihre öffentliche Rezeption beim Verlag Zweitausendeins veröffentlicht. Sein Werk "Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9." ist zum Bestseller geworden. Noch vor Ende dieses Monats hatte das Buch bereits die siebte Auflage erreicht - völlig zurecht, wie die Schattenblick-Redaktion meint.

Bröckers hatte das Glück, bereits seit einiger Zeit an einem Buchprojekt über Verschwörungen und Verschwörungstheorien gearbeitet zu haben, als die schockierenden Ereignisse des 11. Septembers über die Welt hereinbrachen. Das jetzt vorliegende Buch besteht also aus drei Teilen. Im ersten Teil setzt sich Bröckers mit der Geschichte der Verschwörungen auseinander. Die lange Liste der aufgeführten Ereignisse, Personen und Autoren - BCCI, v. Bülow, Burroughs, CIA, Ford, Hitler, Illuminati, Iran-Contra, Lacan, Machiavelli, Mafia, Nietzsche, P2, Pynchon, Skull & Bones, Rothschild, Rockefeller, Stalin, Stinnett, Tempelritter, die Weisen von Zion u. v. m. - überrascht nicht sonderlich, dafür aber die spielerische Leichtigkeit, mit der Bröckers uns diese unterbelichtete Seite der westlichen Kultur-und Politikgeschichte präsentiert. Er verweist auf die gar nicht ernsthaft zu bestreitende Tatsache, "daß die Geheimdienste der westlichen Staaten aufs engste mit der organisierten Kriminalität und dem illegalen Waffen- und Drogenhandel verstrickt sind". Für ihn stammt daher "der neue Satan" des sogenannten "internationalen Terrorismus", "den diese Teufelsaustreiber da mit Inbrunst zum neuen Weltübel ausrufen, ... zum Großteil aus der eigenen Produktion".

Im zweiten und größten Teil des Buchs legt uns Bröckers seine Telepolis-Artikel zum Thema des 11. Septembers und der Anthrax- Anschläge als eine Art "konspiratologisches Tagebuch" vor. Am Ende eines jeden Artikels werden seine damaligen Einschätzungen und Feststellungen ergänzt beziehungsweise korrigiert. Doch da Bröckers als einer der wenigen Autoren im deutschsprachigen Raum im letzten Herbst unter dem Eindruck der schrecklichen Fernsehbilder nicht der "Terrorismus-Hysterie" verfiel, sondern einen kühlen Kopf behielt, gibt es da wenig zu korrigieren. Seine Skepsis gegenüber der offiziellen Verschwörungstheorie und sein Blick für die Ungereimtheiten und die klaffenden Lücken in der Version der Bush- Regierung kommen ihm und seinen Lesern zugute. Seine damaligen Fragen - etwa nach der angeblichen Ahnunglosigkeit der amerikanischen Geheimdienste, der Bröckers den treffenden wie witzigen Titel "Operation Schlafmohn" verpaßt - haben an ihre Aktualität nichts verloren und bleiben bis heute unbeantwortet.

In den Wochen und Monaten nach dem 11. September hat Bröckers die laufende Diskussion im Internet, gespeist durch Recherchen der alternativen Presse im Ausland, über die Hintergründe der Anschläge für das deutsche Publikum dokumentiert und durch eigene Einfälle bereichert. Somit lernt der Leser dieses Buchs diejenigen Autoren kennen - wie zum Beispiel den kanadischen Prof. Michael Chossudovsky vom Centre for Research on Globalisation, der dem Interessensgeflecht zwischen Osama bin Ladens "Terrornetzwerk" Al Kaida und der CIA dezidiert nachgegangen ist, den früheren Studentenanführer Jared Israel, der als Chefredakteur der Website Emperor's Clothes wie kein zweiter die Frage nach dem "unerklärlichen" Versagen der US-Luftwaffe am Vormittag des 11. Septembers beleuchtet hat, sowie Michael Ruppert, einen ehemaligen US-Polizist und Veteran des Iran-Contra- Skandals, der in der von ihm betriebenen Internetzeitschrift From The Wilderness den auffälligen Insider-Aktivitäten an der Börse in den Tagen vor den Flugzeuganschlägen und der möglichen Mitwisserschaft der US-Geheimdienste auf den Grund gegangen ist -, die sich weltweit als die vielleicht größten Skeptiker und wichtigsten Demontierer der offiziellen Verschwörungstheorie hervorgetan haben.

Für seine aufklärerischen Bemühungen mußte sich Bröckers im letzten Herbst von Kollegen wie dem Spiegel-Autor Henryk M. Broder gefallen lassen, als "'krankes Gehirn', das nur von den Protokollen der Weisen von Zion und dem Holocaust-Leugner David Irving übertroffen" werde, diffamiert zu werden. Glücklicherweise läßt sich Bröckers von dem unsäglichen, holocaustrelativierenden Antisemitismus-Vorwurf nicht einschüchtern. Im Gegenteil. Sein Urteil über die besonders in Deutschland zu verzeichnende Gleichschaltung der Medien fällt vernichtend aus. Er weist nach, wie das vermeintliche Flagschiff des "investigativen Journalismus" in der Bundesrepublik, der Spiegel, im letzten Herbst drastische Selbstzensur übte, indem er einen aus dem Londoner Guardian übernommenen Artikel der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy in der deutschen Version von genau denjenigen Stellen säuberte, in denen auf die geschäftlichen Verbindungen zwischen George Bush seniors Carlyle-Unternehmensgruppe und der Bin-Laden- Familie verwiesen wurde. Für diese journalistische Meisterleistung im Dienst der sittlichen Empfindsamkeit ernennt Bröckers die Mitarbeiter des Spiegels sarkastisch zu den "völkischen Beobachtern" unserer Tage.

Im dritten und letzten Teil seines Buches geht Bröckers der Frage nach den möglichen Tätern des 11. September und deren Motiven nach. Anhand früherer Beispiele wie des nur für die amerikanische Bevölkerung, nicht aber für die Regierung in Washington "überraschenden" Angriffs Japans auf Pearl Harbor oder des fingierten Golf-von-Tonkin-Vorfalls, mit dem Lyndon Johnson die Zustimmung des Kongresses für den Vietnamkrieg nachweislich erschwindelte, demonstriert Bröckers die stetige Bereitschaft der Führungselite der USA, sich im Notfall einen Kriegsanlaß zu konstruieren. Von Bröckers zitierte frühere Schriften führender US-Geopolitiker wie Zbigniew Brzezinski ("Das große Schachbrett") und Samuel Huntington ("Kampf der Kulturen") legen den Schluß nahe, daß der 11. September kein Zufall, sondern der Auftakt zu einem länger geplanten, militärstrategischen "Sprung nach vorne" war, mittels dessen Washington seinen weltweiten Führungsanspruch unterstreicht und die Kontrolle über die eurasische Landmasse auszubauen gedenkt. Für Bröckers Einschätzung von den USA als "Supervisor", Saudi-Arabien als "Finanzier und Unterstützer" und Pakistans Militärgeheimdienst ISI als "lokalen Organisator" der Anschläge sprechen zahlreiche von ihm aufgeführte Indizien.

Als eines der wichtigsten Indizien für eine Selbstinszenierung dessen, was man in der Schachsprache eine "Opferpartie" nennt, führt Bröckers die Erkenntnis an, wonach der damalige Chef des pakistanischen ISI, General Mahmud Ahmed, der sich am 11. September schon mehrere Tage lang in Washington zu Beratungen mit hochrangigen Mitgliedern des Sicherheitsapparates und der Bush-Regierung aufgehalten hatte, bereits im Juli 2001 über den bekannten islamistischen "Terroristen" Omar Sheikh 100.000 Dollar an den "Chef" der mutmaßlichen Flugzeugentführer, Mohammed Atta, überweisen ließ. Als die Times of India diese peinliche Tatsache Mitte Oktober letzten Jahres bekannt machte, wurde Ahmed vom pakistanischen Diktator Pervez Muscharraf kurzerhand gefeuert. Vermutlich bei der Recherche um diese zwielichtigen Verbindungen wurde der US-Journalist Daniel Pearl entführt und geköpft - was sicherlich auch als Warnung an dessen Kollegen gedacht war.

Für Bröckers geht es bei der Auseinandersetzung mit dem 11. September nicht um die Ersetzung der offiziellen Version der Ereignisse durch eine eigene Verschwörungstheorie, sondern darum, selbständig zu denken und zu fragen. Er verwahrt sich prinzipiell gegen "Wahrheiten", die er immer für Erfindungen von Lügnern hält, und hat für das manichäische Gut-Böse-Täuschungsmanöver von George W. Bush einschließlich solcher Abstrusitäten wie die wenig überzeugende "Schläfer-Fiktion" nur Häme übrig. Bröckers verweist zurecht auf den einschüchternden Charakter der Anschläge und ihre öffentliche Rezeption:

Wer nur Fragen zu stellen wagte, wurde als 'Verschwörungstheoretiker', 'antiamerikanisch' und Unterstützer des Terrors identifiziert. Hier zeigt sich die enge Verwandtschaft der Verschwörungstheorie mit ihrem theologischem Pendant, der Dämonologie: Wer die Anwesenheit des Teufels bestreitet, ist selbst von ihm besessen. Und es wird auch deutlich, wie wenig sich, im Ernstfall und Ausnahmezustand, unser 'aufgeklärtes' Medienzeitalter vom irrationalen, abergläubischen Mittelalter unterscheidet. Gleichsam aus dem Stand wurde 'Osama' als leibhaftiger Satan und neuer Antichrist installiert, dessen allgegenwärtige weltumspannende Dämonen ('Schläfer') die gesamte Erde bedrohen und der nur in einem globalen 'Kreuzzug' besiegt werden kann. Das massive Beschwörungsritual auf allen großen Medienkanälen machte es in den Tagen nach den Anschlägen nahezu unmöglich, dieser Gehirnwäsche zu entgehen. Wer wissen wollte, statt zu glauben, wer verstehen wollte, statt nachzubeten, wer Beweise verlangte, statt Beschwörungen, war verloren im Mainstream der Medien, der die gesamte Welt mit der Theorie 'Bin Laden' überzog.

All denen, die in einem einzigen Band mehr über die Hintergründe des 11. Septembers sowie über das, was wir bisher an Einzelheiten über die vermeintlich "größte Panne" in der Geschichte der US- Geheimdienste erfahren haben, lesen möchten, kann die Lektüre des vorliegenden Buches nur empfohlen werden. Mit seinem Interesse für die normalerweise ausgeblendeten, weil häufig illegalen Aktivitäten der westlichen Geheimdienste sowie mit seinem unterhaltsamen und ironisch-bissigen Schreibstil hat Mathias Bröckers ein hoch seriöses Werk geschrieben, das auch den letzten Politikverdrossenen begeistern dürfte. Dafür gebührt ihm ein dickes Lob.

In seinem Buch rechnet sich Bröckers an, bereits am 14. September die Verbindungen Osama bin Ladens zur CIA und die seiner Familie zum Bush- Clan "erstmals in einem deutschen Medium" angedeutet zu haben. In eigener Sache möchten wir feststellen, daß bereits am 12. September in der allerersten Reaktion des Schattenblicks auf die Flugzeuganschläge "USA/475: Anschlagsserie in Amerika - Täterhypothesen / Zivilisationskrieg ausgebrochen - cui bono?" Zweifel an der Bin-Laden-These erhoben und auf die Tatsache hingewiesen wurde, daß sich bei zahlreichen früheren Terroranschlägen die Früherkenntnisse der Behörden als viel umfangreicher herausgestellt hatten, als man das im ersten Moment für möglich gehalten hätte. Es wurden die Vorbereitung des ersten Anschlages auf das World Trade Center im Februar 1993, an der ein Spitzel des FBI, der frühere ägyptische Oberst Emad Eli Salem, beteiligt war, die Warnungen der ATF-Informantin Carol Howe im Vorfeld des Oklahoma- Anschlages im April 1995 sowie auf die im letzten Sommer erstmals bekanntgewordenen konkreten Hinweise der nordirischen Polizei auf den Bombenanschlag von Omagh im Jahre 1998 aufgeführt. Außerdem machten wir geltend, daß es sich bei Ali A. Mohamed, dem ehemaligen Bodyguard Osama bin Ladens und Hauptbelastungszeugen der US-Justizbehörden beim Prozeß um die Bombenanschläge gegen die amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania vom Sommer 1998 um einen "ehemaligen" Feldwebel bei den Special Forces der US-Armee handelte.

- 30. September 2002


Mathias Bröckers
Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.
Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Main, 2002
359 Seiten
ISBN 3-86150-456-1