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REZENSION/359: Angie Dröber und Ute Villwock - Springer Lexikon Pflege (SB)


Angie Dröber und Ute Villwock


Springer
LEXIKON Pflege

Pflege von A - Z



Viele Pflegekräfte haben ihren Beruf gewählt, um in stetem Kontakt zu anderen Menschen stehen zu können und um zur Linderung der Leiden anderer beizutragen. Wem heute noch vergönnt ist, den Pflegeberuf zu ergreifen, als einen Beruf, der einer eigenen Wahl entsprungen ist, wird sich einer vollkommen anderen Ausbildungssituation und auch späteren Praxis gegenübersehen als eine Pflegekraft noch vor zwanzig Jahren. Wo das Ausfüllen von Formularen, Anträgen, das Erstellen von Rechnungen, das Dokumentieren des Pflegeverlaufs, kurzum das Erfüllen von Verwaltungsvorgaben einen wesentlichen Teil des Pflegealltags bestimmen, kann dies nur zu Lasten der praktischen Pflege am Patienten gehen, auch wenn der Ethikkodex für den Pflegenden sich über die Jahrzehnte nicht geändert hat.

In der Präambel des ICN Ethikkodexes für Pflegende heißt es, daß die Pflegenden vier grundlegende Aufgaben zu erfüllen haben:

Gesundheit zu fördern, Krankheit zu verhüten, Gesundheit wiederherzustellen, Leiden zu lindern. (...)

Untrennbar von Pflege ist die Achtung der Menschenrechte, einschließlich dem Recht auf Leben, auf Würde und auf respektvolle Behandlung. (...)

(aus: Menschen pflegen, Springer Verlag, Bd.1, Seite 24)

Diese ethischen Ziele wurden 1965 vom ICN (der Internationalen Berufsorganisation für Krankenschwestern) formuliert und sollten auch heute noch für jeden Pflegenden verpflichtend sein. Allerdings sprechen zahlreiche Berichte über die verheerenden Zustände in Krankenhäusern, in Altenpflegeheimen und anderen Pflegeinstitutionen eine andere Sprache. Heute bestimmt im wesentlichen die Wirtschaftlichkeit die Qualität der Pflege.

In Deutschland hat der Patient weder durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) noch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) einen Anspruch auf optimale Pflege.

Vielmehr legt Paragraph 12 des Sozialgesetzbuches V (SGB V) fest, dass dem Patienten eine ausreichende, zweckmäßige Pflege unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zusteht. (ebd., Seite 138)

In den 70er Jahren genügte - gemäß den Stufen der "Schweizer Wegleitung" - die sichere Pflege, was bedeutete, daß dem Patienten durch die Pflege keine Schäden zugefügt werden. Seitdem haben sich die Bestimmungen im Gesundheitswesen durch zahlreiche neu eingebrachte Gesetze grundlegend geändert. Die Pflegebedürftigkeit ist heute

im sog. Gesundheitsstrukturgesetz geregelt, d.h. sie wird in Kategorien eingestuft, nach denen der Personalschlüssel für die Versorgung der Pflegebedürftigen berechnet wird. Vom MDK (Medizinischen Dienst der Krankenkassen, Anm. d. Red.) werden pflegebedürftige Menschen zu Hause oder in stationären Pflegeeinrichtungen in Pflegestufen eingeteilt, die letztlich über die Höhe der finanziellen und materiellen Leistungen entscheiden.

(Lexikon Pflege, Springer Verlag 2004: "Pflegebedürftigkeit")

Das hat - wie am folgenden Beispiel verdeutlicht wird - für die 93- jährige Bewohnerin eines Pflegeheimes gravierende Folgen. Sie bekommt seit dem Inkrafttreten des Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes vom 1. Januar 2004 ein ihr bisher verordnetes Medikament, das der Verstopfung ihres Blasenkatheters durch Eiweißflockungen entgegenwirkte, nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt. Ihr geringes Taschengeld reicht nicht aus, um dafür selbst aufzukommen. Der Katheter wird entfernt, die Frau in Zukunft gewindelt. Nach den Bestimmungen des MDK zahlt die Pflegekasse lediglich fünf Windeln pro Tag. Durch das ständig feuchte Milieu, in dem die Frau zukünftig liegen wird, ist die Entstehung eines Dekubitus absehbar.

Auch heute muß und wird der Pflegende genau wie ehedem nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Doch hinterlassen die sich über die Jahre hinweg ändernden Gesetzesvorgaben im Gesundheitswesen unweigerlich in der Ausbildung, in sämtlichen Pflegebereichen und in der Fachliteratur ihre Spuren. Welche Pflegekraft hätte vor zwei Jahrzehnten den Begriff "Gesundheitsstrukturgesetz" nachschlagen wollen oder wer hätte sich mit Pflegeinterventionen (NIC - Klassifikation der Pflegeinterventionen) oder der Taxonomie der Nordamerikanischen Pflegediagnosevereinigung (NANDA) befassen müssen. Wer hätte früher zur Feststellung einer Dekubitusgefährdung eine Norton- oder Bradenskala oder zur Bestimmung der Bewußtseinslage eine Glasgow-Koma- Skala herangezogen? Wer hätte eine numerische Skala zur Beurteilung von Schmerz verwendet? Diese sind jedoch für die Pflegekraft von heute maßgeblich und finden sich alle im LEXIKON PFLEGE VON A - Z.

Das Werk der Autorinnen Angie Dörber und Ute Villwock ist in Anlehnung an den amerikanischen Bestseller "Mosby's Pocket Dictionary of Medicine, Nursing & Allied Health" entstanden. Die Begriffe wurden hinsichtlich ihrer Pflegerelevanz ausgesucht, übersetzt und ggf. inhaltlich bearbeitet. Die beiden haben damit

ein kompaktes Nachschlagewerk, das pflegerische und die wichtigsten medizinischen Begriffe knapp, präzise und verständlich definiert (aus dem Vorwort),

auf den Markt gebracht.

Auf eine ausführliche Darstellung komplizierter Zusammenhänge sowie auf die Erklärung seltener Krankheitsbilder [wurde] weitestgehend verzichtet. Damit ist das Werk weder eine Kurzform eines medizinischen Lexikons - noch ersetzt es ein Lehrbuch. (aus dem Vorwort)

Ihrem formulierten Anspruch sind Angie Dörber und Ute Villwock jedenfalls gerecht geworden. Mit 12.800 Stichworten und 200 Abbildungen aus der Pflege bieten sie dem Pflegeschüler, aber auch dem Pflegeexperten eine schnelle Orientierung. Um dem Verständnis des Schülers gerecht zu werden, wurden Begriffe vorrangig in deutscher Sprache aufgeführt, Fachbegriffe in Klammern angefügt. Um jedoch auch als Nachschlagewerk für den Pflegeexperten von Nutzen zu sein, haben sie zahlreiche aktuelle Pflegediagnosen und -interventionen verzeichnet.

Beide Autorinnen haben sich nach ihrer Pflegeausbildung als Übersetzerin unter anderem der englischen Sprache weitergebildet und tätigen Übersetzungen für den medizinischen Fachbereich. So liegt nahe, daß sie die Gelegenheit genutzt haben, englische Begriffe mit aufzuführen. Damit kann das Springer Lexikon Pflege zugleich als Verständnishilfe für englischsprachige Fachliteratur, zur Verständigung mit englischsprachigen Patienten und zur Vorbereitung auf Auslandsaufenthalte im englischsprachigen Raum dienen.


Angie Dröber und Ute Villwock
K.A. Anderson und L.E. Anderson (Hrsg.)
Springer
LEXIKON Pflege von A - Z
Springer Verlag Berlin Heidelberg New York 2004
3. Auflage
ISBN 3-540-00984-1