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REZENSION/428: Jeremy Scahill - Blackwater (US-Militärpolitik) (SB)


Jeremy Scahill


Blackwater

Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt



Für internationales Aufsehen sorgten Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes Blackwater, als sie, einen Autokonvoi des US-Außenministeriums begleitend, am 16. September 2007 auf einer belebten Straßenkreuzung in Bagdad das Feuer auf Verkehrsteilnehmer und Fußgänger eröffneten, 17 irakische Zivilisten töteten und 24 verletzten. Während es seitens Blackwaters hieß, der Konvoi sei unter Beschuß geraten und man habe aus Notwehr gehandelt, sprechen die Aussagen der irakischen Augenzeugen eine gänzlich andere Sprache. Der Anlaß für das grausame Massaker am hellichten Tag in der irakischen Hauptstadt scheint nicht bedeutender als die Tatsache gewesen zu sein, daß man mit dem US-Autokonvoi nicht im Stau steckenbleiben wollte, weshalb sich die Blackwater-Leute einfach den Weg über den Nisour-Platz freischossen und mit ihren Schützlingen in den gepanzerten Geländewagen davonbrausten. Demnach handelt es sich beim angeblich feindlichen Beschuß um eine Schutzbehauptung, mit der Blackwater das mörderische Treiben seiner Bediensteten zu decken versuchte.

Wäre es in den USA zu einem solch krassen Fall des sogenannten "road rage" gekommen, hätte es unter regem, nekrophilen Interesse der großen Medien tagelange Mahnwachen, Kerzenaltare, Pinnwände mit den Fotos der Verstorbenen, Fernsehbilder von weinenden, sich umarmenden Jugendlichen und ganze Bataillone von Psychologen, welche die Betroffenen zwangsbetreuen, auf daß sie irgendwann einmal "closure" erzielen und ihre traumatischen Erlebnisse hinter sich bringen können, gegeben. Auch ohne das im Westen inzwischen übliche Aufarbeitungsbrimborium war im kriegsgeschüttelten Irak und in der gesamten arabischen Welt das Entsetzen über die Schießerei auf dem Nisour-Platz groß. Die Empörung steigerte sich, als das US-Außenministerium sein Veto gegen die in Reaktion auf das Massaker von Iraks Premierminister Nuri al Maliki angeordnete Ausweisung aller Blackwater-Mitarbeiter aus dem Zweistromland einlegte. Auf einmal entpuppte sich die vielgelobte Souveränität des Iraks der Post-Saddam-Hussein-Ära als Täuschung. Nach dem Motto, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, stellte sich zudem heraus, daß es keine rechtliche Handhabung der irakischen Justizbehörden in dieser Sache gab, da Paul Bremer, der frühere Statthalter George W. Bushs in Bagdad, 2004 in einem Sondererlaß allen Sicherheitsfirmen, die für die Regierung, das Militär oder die Konzerne der USA im Irak arbeiteten, die völlige Immunität vor Strafverfolgung gewährt hatte.

In einem packend erzählten und sorgfältig recherchierten Buch über Blackwater, das gerade auf deutsch erschienen ist, schildert Jeremy Scahill den Aufstieg der einstigen Schießplatzbetreiber- und Leibwächterausbildungsfirma aus North Carolina zur "mächtigsten Privatarmee der Welt". Was zunächst wie eine reine Unternehmensgeschichte anmutet, stellt sich als großartige Auseinandersetzung mit dem beängstigenden Trend zur Privatisierung im militärischen Sektor heraus, wofür Blackwater ein Paradebeispiel ist. Gegründet 1996 von Erik Prince, einem ehemaligen Kampftaucher der US-Marine und Erbe eines milliardenschweren Familienvermögens, hat sich Blackwater laut Scahill in weniger als einem Jahrzehnt "zu einer Art Prätorianergarde in Bushs 'globalem Krieg gegen den Terror'" entwickelt.

Für Blackwater sind derzeit 2300 Söldner, die meisten von ihnen Ex-Mitglieder irgendwelcher Spezialstreitkräfte, in mindestens neun Ländern, darunter in den USA selbst, im Einsatz. Kurzfristig kann die Firma auf weitere 21.000 Ex-Polizisten und -Soldaten zurückgreifen. Auf Blackwaters Firmensitz befindet sich nicht nur die weltweit größte private Militäreinrichtung, sondern auch das weltweit größte private Waffenarsenal. Hinzu kommen weitere Niederlassungen in Kalifornien ("Blackwater West"), Illinois ("Blackwater North") und ein Trainingslager für den Dschungelkampf auf den Philippinen. Blackwater besitzt mehr als zwanzig Flugzeuge, darunter Kampfhubschrauber und unbemannte Aufklärungsmaschinen, und verfügt sogar über eine eigene Fallschirmjägerstaffel. Die Firma hat in den letzten Jahren nach Schätzungen von Scahill in den USA Regierungsaufträge im Wert von mehr als 700 Millionen Dollar erhalten - geheime "schwarze" Aufträge der CIA und des Pentagons nicht inbegriffen.

Es widert einen zutiefst an, wie es Blackwater, dessen Gründer Prince, selbst ein fundamentalistischer Katholik, der von Anfang an engen Kontakt zu den religiösen Rechten und ihren neokonservativen Verbündeten bei den US-Republikanern pflegte, geschafft hat, aus einer Katastrophe nach der anderen Profit zu schlagen und zu der Monstrosität auszuwachsen, welche das Unternehmen heute darstellt. Es fing an mit der Schießerei an der Columbine High School im Frühjahr 1999. Sofort meldete sich Blackwater als Ratgeber, was die Bewältigung solcher Extremsituationen betrifft, und konnte lukrative Aufträge im Bereich der Polizeiausbildung an Land ziehen. Nach dem Anschlag auf den US-Lenkwaffenzerstörer Cole im Hafen von Aden im Herbst 2000 erhielt Blackwater einen Großauftrag der US-Marine zwecks Objektschutz.

Die Flugzeuganschläge von 2001 waren natürlich für Blackwater und die gesamte Söldnerbranche - die sich inzwischen private Militärdienstleistungsindustrie nennt - der absolute Jackpot. Die ohnehin von Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gehegten "Transformationspläne", weite Teile nicht nur des Militär- sondern auch des Geheimdienstapparats der USA zu privatisieren, erhielten einen gewaltigen Schub. An der neuen Sicherheitsarchitektur sollte nicht gespart werden. Blackwater erhielt beispielsweise den Auftrag zur Ausbildung jener Sky Marshalls, die im Notfall potentielle Flugzeugattentäter noch in der Luft an der Ausführung ihrer teuflischen Pläne hindern sollen - sofern man der offiziellen Interpretation der Ereignisse vor und nach dem "Tag, der die Welt veränderte", folgt, versteht sich.

Ende 2001 begleiteten die Männer von Blackwater die US-Spezialstreitkräfte nach Afghanistan und halfen ihnen, die Taliban zu stürzen. Nach dem angloamerikanischen Einmarsch in den Irak im Frühjahr 2003 war man dort hauptsächlich mit Objektschutz - beispielsweise der Grünen Zone in Bagdad - sowie mit der Begleitung von diplomatischen und militärischen Konvois befaßt. In letzterer Funktion fanden vier Blackwater-Männer im Frühjahr 2004 bei einem Überfall in Falludschah, einer Hochburg des sunnitischen Widerstands in der westirakischen Provinz Anbar, den Tod. Die Bilder von der Schändung der verkohlten Leichen der Männer gingen um die Welt und heizten den Konflikt zwischen Besatzern und Einheimischen mächtig an. Die gestiegene Gefahr im Irak schlug sich in den Blackwater-Bilanzen positiv nieder, als man vom Außenministerium in Washington den prestigeträchtigen Auftrag zum Schutz des diplomatischen Personals der USA erhielt. Gleichzeitig zog man - und zieht man bis heute - alle Register, um sich gegen die Schadensersatzklage der Angehörigen der vier toten Blackwater-Mitarbeiter von Falludschah zu wehren.

2005 trat Cofer Black, der ehemalige Chef des CIA-Zentrums zur Terrorismusbekämpfung (Counter-Terrorism Center - CTC), dem Vorstand von Blackwater bei, um unter anderem dessen neue Geheimdienstabteilung zu leiten. Ohne daß es jemals negative Folgen für ihn gehabt hätte, gehört Black zu den Führungsmitgliedern des US-Sicherheitsapparats, deren Versagen vor dem 11. September 2001 die Flugzeuganschläge erst ermöglicht hat. Er ist nämlich dafür verantwortlich, daß die CIA das FBI nicht über die Einreise der beiden von ihr unter Beobachtung stehenden "Terrorverdächtigen" und mutmaßlichen späteren Flugzeugattentäter Nawaz al Hasmi und Chaled El Midhar in die USA im Frühjahr 2000 informiert hat. Für das sonderbare, bis heute nicht hinreichend geklärte Verhalten Blacks, der übrigens auch Chef des CIA-Büros in Khartum war, als Osama Bin Laden im Sudan wohnte, präsentiert Jeremy Scahill unter anderem unter Verweis auf Richard Clarke, einst Leiter der Terrorismusbekämpfung im Nationalen Sicherheitsrat, eine mögliche Erklärung:

Ehemalige Mitarbeiter in der Terrorismusbekämpfung behaupteten, während Blacks Zeit im CTC habe man die Bedrohung durch al-Qaida vor allem als Argument für den Ausbau des Zentrums für verdeckte Aktionen - des Direktorats für Operationen - nutzen wollen; bin Laden tatsächlich aufzuhalten sei zweitrangig gewesen.
(S. 225)

Was die verdeckten CIA-Operationen betrifft, so liefert Scahill Hinweise, daß Blackwater an dem berüchtigten "Überstellungsprogramm" beteiligt ist, in dessen Rahmen "illegale Kombattanten" in Foltergefängnisse ins Ausland transportiert werden. Scahill zieht Parallelen zwischen der Tätigkeit des Flugdienstes von Blackwater und dem berüchtigten Treiben der CIA-Tarnfirma Air America während des Vietnamkriegs - was natürlich die Frage aufwirft, ob auch Erik Prince und Co. in den internationalen Drogenschmuggel verwickelt sind. Wie dem auch sei, mit dem Buch Scahills bekommt man einen guten Überblick über das alptraumartige, schier unglaubliche Ausmaß, in dem sich die Blackwaters dieser Welt in der modernen Kriegführung etabliert haben und sich anschicken, Polizeiaufgaben auch im Innern zu übernehmen. Der ungebetene, martialische Auftritt von Blackwaters selbsternannten Ordnungshütern während der Flutkatastrophe von New Orleans im August 2005 nach dem Hurrikan Katrina war hier sicherlich nur ein erster Vorgeschmack.

Einzig an diesem empfehlenswerten Buch zu kritisieren ist eine kleine Unachtsamkeit seitens der Übersetzer beziehungsweise des Lektorats. Beim Massaker vom Bloody Sunday in der nordirischen Stadt Derry im Jahr 1972 eröffneten britische Fallschirmjäger das Feuer auf katholisch-nationalistische Demonstranten/Protestierer und nicht auf "irisch-katholische Protestanten", wie es auf Seite 83 heißt.

4. März 2008


Jeremy Scahill
Blackwater
Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt
(Aus dem Englischen, "Blackwater - The Rise of the World's Most
Powerful Mercenary Army", von Bernd Jendricke und Rita Seuß,
Kollektiv Druck-Reif)
Verlag Antje Kunstmann, München, 2008
352 Seiten
ISBN: 978-3-88897-512-7