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REZENSION/510: W. Blum - Zerstörung der Hoffnung (US-Außenpolitik) (SB)


William Blum


Zerstörung der Hoffnung

Bewaffnete Interventionen der USA und des CIA seit dem 2. Weltkrieg



In der amerikanischen Antikriegs- und Friedensbewegung gilt der 1933 geborene William Blum als einer der schärfsten Kritiker der Außenpolitik Washingtons und der entscheidenden Rolle, welche darin das US-Militär und die CIA spielen. Ähnlich anderen aufrechten Patrioten wie Daniel Ellsberg und Roger Morris trat er Ende der sechziger Jahre aus Protest gegen den Vietnamkrieg aus dem Staatsdienst aus. Bis dahin hatte er als Computerprogrammierer im US-Außenministerium gearbeitet. Mit Gleichgesinnten gründete er 1967 die Washington Free Press, die erste "alternative" Zeitung in der US-Hauptstadt. 1972 und 1973 berichtete er als Journalist aus Salvador Allendes Chile, wo er die brutale Beseitigung der Demokratie durch die USA und die Truppen ihres Handlangers General Augusto Pinochet hautnah erlebte.

Seitdem hat Blum mehrere Bücher und zahlreiche Artikel, die unter anderem bei Counterpunch, Covert Action Quarterly und Z Magazine erschienen, veröffentlicht. Im Januar 2006 fand sich der Außenseiter Blum plötzlich im Mittelpunkt weltweiten Medieninteresses wieder, nachdem sein Buch "Rogue State: A Guide to the World's Only Superpower" vom Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden höchstpersönlich in einer Videobotschaft empfohlen worden war. Auf einem Schlag kletterte das Buch laut Wikipedia von Platz 205.763 auf Platz 26 der am häufigsten beim Internetportal Amazon.com bestellten Bücher. Doch die Empfehlung des meistgesuchten "Topterroristen" hatte auch ihre Schattenseite. Fast alle US-Universitäten, an denen Blum in jenem Frühjahr Vorträge halten sollte, luden den bekennenden Sozialisten aus.

Möglicherweise war es das gestiegene Medieninteresse an Blums Arbeit, das den Frankfurter Verlag Zambon veranlaßt hat, das wichtigste Buch des hartnäckigen Kritikers des US-Sicherheitsapparats, "Killing Hope - US Military and CIA Interventions Since World War II", das in den USA erstmals 1995 erschienen ist und 2003 in einer überarbeiteten, wegen der Entwicklungen in den dazwischenliegenden Jahren erweiterten Edition neu veröffentlicht wurde, auf Deutsch herauszubringen. Man kann die Entscheidung nur begrüßen. Zurecht wird im Klappentext diese "umfassendste Studie des andauernden US-amerikanischen weltweiten, 'demokratischen' und multiethnischen Holocaust" von dem berühmten Linguisten und politischen Aktivisten Noam Chomsky als "das beste Buch zur Sache" und vom Schriftsteller John Stockwell, der als Major a. D. der Marineinfanterie jahrelang in leitender Position verdeckte Operationen des US-Auslandsgeheimdienstes in Übersee führte, bis er ausstieg und selbst Regierungskritiker wurde, als "die einfach beste Zusammenfassung der Geschichte des CIA" gepriesen. Im Vergleich zu Blums "Killing Hope" kann man "Legacy of Ashes: The History of the C.I.A." vom NYT-Reporter Tim Weiner, das 2007 in den USA zum Bestseller wurde und von den großen Medien des Westens einhellig wie überschwenglich gelobt wurde, in der Pfeife rauchen. [1]

Chronologisch und mit großer Akribie analysiert Blum sämtliche bekannten militärischen und geheimdienstlichen Interventionen der USA im Ausland seit dem Zweiten Weltkrieg. Das von ihm ausgewertete Material, aus dem er zitiert und das er für seine Schlußfolgerungen benutzt, ist umfassend und erstreckt sich auf Artikel renommierter Zeitungen wie die New York Times, die Washington Post und der Londoner Guardian, auf die Schriften von Geheimdienstexperten wie Victor Marchetti, John Stockwell, Philip Agee, Seymour Hersh, Bob Woodward, Jonathan Kwitny, Roger Morris, Alfred McCoy, Peter Dale Scott und Leroy Fletcher Prouty, auf die Biographien von Politikern wie Dwight Eisenhower, Richard Nixon, Henry Kissinger, Alexander Haig und George Bush sen. oder von früheren Geheimdienstlegenden wie Allen Dulles, Richard Helms, Miles Copeland oder Vernon Walters, auf die Werke namhafter Historiker wie Patrick Seale, Stephen Kinzer, Arthur Schlesinger, Selig Harrison, James Petras und Gareth Porter sowie auf unzählige offizielle Dokumente und Berichte des Kongresses und der US-Regierung, allen voran des Weißen Hauses, des Außen- und des Verteidigungsministeriums, der CIA und des Nationalen Sicherheitsrats.

Mit seinen ausführlichen Erläuterungen ermöglicht Blum dem Leser, jene Kontinuität der US-Außenpolitik zu begreifen, für die der gelegentliche Regierungswechsel in Washington zwischen Demokraten und Republikanern und auch nicht die jüngste Machtübergabe des neokonservativen George W. Bush an den vermeintlich liberalen Barack Obama keinen grundlegenden Bruch bedeuteten. Die Folterpraktiken der CIA unter der Bush-Regierung hatten bereits ihre Vorläufer im Korea- und im Vietnamkrieg sowie in der Niederschlagung der demokratischen Linksbewegungen Lateinamerikas in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren. Die aktuelle Aufstandsbekämfungstrategie Stanley McChrystals in Afghanistan fußt auf Edward Lansdales erfolgreicher Unterwerfung der HUK-Bewegung auf den Philippinen in den fünfziger Jahren. Nicht umsonst war die Rede von der "Salvador Option", als Ende 2004, Anfang 2005 die US-Streitkräfte im Irak, um ihre gefährdete Position dort zu befestigen, dazu übergingen, mittels Todeschwadronen die Sunniten und Schiiten gegeneinander aufzubringen. Gerade die jüngsten, durchsichtigen Bemühungen der Obama-Regierung, ihren widerspenstigen Verbündeten, den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, als wankelmütigen Drogensüchtigen hinzustellen, erinnern stark an die Art, wie die CIA unter Bill Clinton das haitianische Staatsoberhaupt, den Priester Jean-Claude Aristide, als "psychisch labil" zu diskreditieren versuchte.

Blum setzt sich en detail nicht nur mit den spektakulären Episoden der US-Interventionsgeschichte wie dem gewaltsamen Sturz des iranischen Premierministers Mohammed Mossadegh 1953 oder der CIA-Operation in den achtziger Jahren zur Unterstützung der afghanischen Mudschaheddin im Kampf gegen die Streitkräfte der Sowjetunion auseinander, sondern auch mit fast vergessenen, verheerenden Vorgängen wie der Machtübernahme der indonesischen Militärs 1965 unter Suharto oder dem Jahre dauernden Völkermord an der indigenen Bevölkerung Guatemalas, die zusammen mehr als eine Million Menschen das Leben kosteten. Daß sich Washington nicht nur darauf beschränkt zu bestimmen, wer in seinen Vasallenstaaten in der Dritten Welt regiert, demonstriert Blum anhand der Beispiele der jahrelang verfolgten Strategie der Spannung in Italien, des Putsches der Generäle in Griechenland 1967 und der Absetzung des australischen Premierministers Gough Whitlam 1974, unter anderem weil dieser sich zu sehr für die im Outback gelegene, gigantische Abhör- und Satellitenüberwachungsanlage Pine Gap der National Security Agency (NSA) interessierte.

Von William Blum stammt der Spruch: "Ich fühle mich der Bekämpfung der US-Außenpolitik, der größten Bedrohung des Friedens und des Glücks auf der Erde, verpflichtet. Und von den USA aus kann man diesen Kampf am besten führen. Hier befindet man sich im Bauch der Bestie, und ich sehe meine Funktion dort als die eines Geschwürs." Mit seiner schonungslosen Beleuchtung des unerbittlichen Kampfes des US-Kapitalismus gegen das menschliche Streben nach sozialer Gerechtigkeit wird Blum seinem eigenen Anspruch gerecht. Nur wenige Menschen können das für sich reklamieren.

Fußnote:

1. Siehe hierzu im SCHATTENBLICK -> INFOPOOL -> BUCH -> SACHBUCH: REZENSION/436: Tim Weiner - CIA. Die ganze Geschichte

9. April 2010


William Blum
Zerstörung der Hoffnung
Bewaffnete Interventionen der USA und des CIA seit dem 2. Weltkrieg
(Übersetzt aus dem Englischen "Killing Hope - US Military and CIA
Interventions Since World War II" von Nicole Seichter, Thomas
Dannenberg und Joachim Schäfer)
Zambon Verlag, Frankfurt am Main, 2008
674 Seiten
ISBN: 978-3-88975-141-6
Preis: 25,00 Euro