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AKTION/1002: Urgent Action - Russische Föderation - Tadschike seit Freilassung "verschwunden


ai - URGENT ACTION
A-Nr: UA-084/2011-2, AI-Index: EUR 46/013/2012, Datum: 3. April 2012 - we

Russische Föderation
Tadschike seit Freilassung "verschwunden"

Weitere Informationen zu UA-084/2011 (EUR 46/013/2011, 22. März 2011 und EUR 46/020/2011, 28. April 2011)


NIZOMHON JURAEV, tadschikischer Staatsbürger

Nizomhon Juraev, wurde am 29. März aus einer russischen Haftanstalt entlassen. Seitdem fehlt jede Spur von ihm. Es steht zu befürchten, dass der Tadschike, dessen Asylantrag die russischen Behörden abgewiesen hatten, von tadschikischen Sicherheitskräften verschleppt wurde. Möglicherweise wollen sie ihn unter Zwang in sein Heimatland zurückbringen. Dort würden ihm Folter und andere Misshandlungen sowie ein unfaires Gerichtsverfahren drohen.

Am 29. März erhielt die Anwältin von Nizomhon Juraev auf inoffiziellem Wege die Information, dass ihr Mandant aus der Haft entlassen werden würde. Sie machte sich direkt auf den Weg zur Haftanstalt IZ/50-12, in der Nähe von Moskau, wo man Nizomhon Juraev festgehalten hatte. Dort sagte man ihr jedoch, dass er bereits entlassen worden sei. Seitdem fehlt jede Spur von Nizomhon Juraev. Berichten zu Folge hat auch seine Familie in Tadschikistan bisher nichts von ihm gehört. Es wird befürchtet, dass Nizomhon Juraev mit der Absicht entführt worden ist, ihn unter Zwang nach Tadschikistan zurückzuführen.

Nizomhon Juraev hat sich wegen der Verletzung seiner Rechte auf Schutz vor Folter, auf Freiheit und Sicherheit und auf einen wirksamen Rechtsbehelf, die unter Artikel 3, 5 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert werden, an den Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gewandt. Am 24. November 2011 beantragte der EGMR vorläufige Maßnahmen nach Regel 39 der Verfahrensordnung des EGMR, um so die Abschiebung von Nizomhon Juraev nach Tadschikistan zu verhindern, bis sein Fall vor dem EGMR entschieden wurde. Die Anwältin von Nizomhon Juraev setzte den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sofort nach dem "Verschwinden" ihres Mandanten über die Situation in Kenntnis. Der EGMR hat die russischen Behörden aufgefordert, bis zum 2. April eine Stellungnahme zu den Geschehnissen abzugeben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

2007‍ ‍wurde in Tadschikistan ein Strafverfahren gegen den ehemaligen örtlichen Parlamentarier und Geschäftsmann Nizomhon Juraev aus der tadschikischen Region Soghd eröffnet. Man klagte ihn zusammen mit 33 weiteren Personen wegen Gewalttaten im Rahmen des organisierten Verbrechens sowie wegen Wirtschaftsverbrechen und unerlaubten Waffenbesitzes an. Einigen der Angeklagten legte man darüber hinaus die Tötung des ehemaligen stellvertretenden Staatsanwalts im Jahr 1999‍ ‍zur Last. Als das Strafverfahren begann, hielt sich Nizomhon Juraev in Russland auf.

Im Juni 2009 wurden 31 Menschen, überwiegend Angehörige von Nizomhon Juraev oder MitarbeiterInnen seiner Firma, zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Im Gerichtsverfahren sollen mehrere Angeklagte darüber berichtet haben, wie sie beispielsweise mit Elektroschocks gefoltert wurden. Es wurde die Anschuldigung erhoben, dass Polizisten einen Mann, der von Russland nach Tadschikistan ausgewiesen worden war, im September 2008 vergewaltigten, um von ihm ein für Nizomhon Juraev belastendes "Geständnis" zu erzwingen.

Russischen Behörden nahmen Nizomhon Juraev aufgrund eines Auslieferungsantrags der tadschikischen Behörden im August 2010 in Moskau in Haft. Der Antrag auf Anerkennung als Flüchtling, den Nizomhon Juraev in der Russischen Föderation eingereicht hatte, wurde, wie auch nachfolgend eingelegte Rechtsmittel, abgelehnt. Am 16.‍ ‍Februar 2011 entschied der russische Generalstaatsanwalt, dass Nizomhon Juraev ausgeliefert werden könne. Im April 2011 bestätigte das zuständige Gericht in Moskau diese Entscheidung mit der Begründung, dass die Angaben über Folter und unfaire Gerichtsverfahren in Tadschikistan gegenstandslos seien, da man auf diplomatischer Ebene beteuert habe, Nizomhon Juraev würde bei seiner Ankunft in Tadschikistan nicht gefoltert werden.

Am 27. Februar endete die Haftstrafe von Nizomhon Juraev. Daraufhin soll er jedoch wegen versuchten Mordes angeklagt und abermals inhaftiert worden sein, obwohl er erklärte, zur vermeintlichen Tatzeit nicht in Russland gewesen zu sein. Am 29. März erfuhr die Anwältin von Nizomhon Juraev dann, dass die Anklage wegen versuchten Mordes fallengelassen worden war, ihr Mandant nun jedoch wegen Morddrohungen angeklagt worden sei. Darüber war sie im Vorfeld nicht informiert worden. Nizomhon Juraev soll unter der Auflage, die Region Moskau nicht zu verlassen, aus der Haft entlassen worden sein. In den vergangenen Jahren hat die Russische Föderation mehrere Personen in Länder wie Tadschikistan oder Usbekistan ausgeliefert, obwohl sie rechtlich dazu verpflichtet ist, Menschen Schutz zu gewähren, denen bei einer Rückführung in ihre Heimatländer Folter und andere Misshandlungen drohen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, sofort Maßnahmen einzuleiten, um den Aufenthaltsort von Nizomhon Juraev zu klären und sicherzustellen, dass er nicht rechtswidrig außer Landes gebracht wurde.

- Ich möchte Sie höflich daran erinnern, dass Sie gemäß internationalen Menschenrechtsabkommen Personen nicht in Länder ausliefern oder abschieben dürfen, in denen ihnen Folter und / oder andere Misshandlungen drohen.

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APPELLE AN

GENERALSTAATSANWALT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Yuri Yakovlevich Chaika
Prosecutor General's Office of the Russian Federation
Bolshaia Dmitrovka, 15 A
125993‍ ‍Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)
Fax: (00 7) 495 987 58 41

AUßENMINISTERIUM
Third department on CIS countries
M. A. Peshkov - Director
Ul. Smolenskaya-Sennaia pl, 32/34
119200‍ ‍Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Direktor)
Fax: (007) 499 241 21 75
E-Mail: 3dsng@mid.ru


KOPIEN AN

PRÄSIDENT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Dmitry A. Medvedev
Ul.Ilyinka, 23
103132‍ ‍Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION -
Fax: (00 7) 495 9100 766, Durchwahl 2134
Twitter: @MedvedevRussia
Twitter-Nachricht: Stellen Sie sicher, dass der nach der Haftentlassung "verschwundene" Nizomhon Juraev nicht nach Tadschikistan abgeschoben wird.

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65, 10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de

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Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 15. Mai 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urge the Russian authorities to immediately take steps to clarify the whereabouts of Nizomkhon Juraev and ensure he is not illegally taken out of the country.

- Remind the Russian authorities of their absolute obligation under international human rights law not to deport or extradite any person to a country where they are at risk of torture and/or other ill-treatment.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Amnesty International ist angesichts aktueller Berichte, laut derer tadschikische und russische Sicherheitskräfte zusammenarbeiten, um TadschikInnen zu entführen und unter Zwang in ihr Heimatland zurückzuführen, sehr besorgt. Auch StaatsbürgerInnen aus Tadschikistan, die Rechtsschutz beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beantragt haben, sind von diesen Rückführungen betroffen. 2011 ist es zu mehreren rechtswidrigen Rückführungen gekommen, obwohl der EGMR vorläufige Maßnahmen erlassen hatte, mit denen Russland zu einer Aussetzung der Abschiebungsanordnung aufgefordert wurde, bis der Gerichtshof über die jeweiligen Fälle der Antragsteller entscheiden konnte. Savriddin Dzhurayev wurde beispielsweise entführt und im November 2011 unter Zwang nach Tadschikistan zurückgeführt. Er schrieb daraufhin seinen Rechtsbeiständen von den Misshandlungen, die er bei seiner Rückkehr nach Tadschikistan erlitten hatte. Auch Suhrob Koziev wurde im August 2011‍ ‍nach Tadschikistan zwangsrückgeführt. ZeugInnen berichteten, dass man ihn misshandelt habe, um ein "Geständnis" von ihm zu erhalten. Im Januar 2012 forderte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland auf zu erklären, warum "AntragstellerInnen gegen ihren Willen über die Staatsgrenze von Russland gebracht werden, obwohl die russische Regierung offiziell versichert hat, keine Auslieferungen vorzunehmen, solange der Gerichtshof die jeweiligen Fälle noch untersucht".

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
A-Nr: UA-084/2011-2, AI-Index: EUR 46/013/2012, Datum: 3. April 2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2012