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AKTION/1035: Urgent Action - Aserbaidschan - Jabbar Savalan eingezogen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-133/2011-2, AI-Index: EUR 55/010/2012, Datum: 3. Mai 2012 - mr

Aserbaidschan
Jabbar Savalan eingezogen



JABBAR SAVALAN, Student und Mitglied der oppositionellen "Popular Front Party"

Der Student Jabbar Savalan ist in Aserbaidschan zum Militärdienst eingezogen worden. Da er vom Militärdienst befreit sein sollte, geht Amnesty International davon aus, dass sein friedlicher Protest der Grund für diese Maßnahme ist.

Jabbar Savalan war für den 30. April zur einer medizinischen Untersuchung zum Militärkommissariat vorgeladen worden. Als er dort ankam, gab man ihm zwei Stunden Zeit, um sich auf die Einberufung vorzubereiten, die angekündigte medizinische Untersuchung fand hingegen nicht statt. Nach Angaben seines Anwalts hört Jabbar Savalan nur auf einem Ohr, und es ist dadurch unwahrscheinlich, dass er die medizinische Musterungsuntersuchung besteht. Auch hätte er zehn Tage vor der Einberufung über den bevorstehenden Militärdienst informiert werden müssen.

In den vergangenen Monaten hat Jabbar Savalan aserbaidschanischen und ausländischen Medien Interviews gegeben, in denen er sich kritisch über die Regierung äußerte, und er hat an friedlichen Protesten teilgenommen. Am 7. März wurde er zusammen mit den Popular Front Party-Mitgliedern Dayanat Babayev, Majid Marjanli, Abulfaz Gurbanly und Beyim Hasanli festgenommen und von der Polizei geschlagen, als er an einem friedlichen Protest für die Freilassung der gewaltlosen politischen Gefangenen in Aserbaidschan teilnahm.

Am 5. Februar 2011 wurde Jabbar Savalan zum ersten Mal festgenommen. Am Tag zuvor hatte er auf Facebook zu Protesten gegen die Regierung aufgerufen. Er wurde aufgrund konstruierter Anklagen wegen illegalen Drogenbesitzes für den persönlichen Gebrauch zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Am 26. Dezember 2011 kam er durch eine Amnestie des Präsidenten aus dem Gefängnis frei. Amnesty International war zuvor mit einer internationalen Kampagne für seine Freilassung eingetreten. Jabbar Savalan ist am 15. Februar nach wochenlangen Verhandlungen mit den Entscheidungsträgern der staatlichen Universität Sumgayit wieder zum Studium zugelassen worden. Als er sein Studium bereits wieder aufgenommen und schon mehrere Veranstaltungen besucht hatte, teilte ihm die Universität mit, dass er eine Bescheinigung des Militärkommissariats brauche, um das Studium fortzusetzen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Behörden in Aserbaidschan haben friedliche regierungskritische Proteste durch ein Demonstrationsverbot und die Inhaftierung von OrganisatorInnen und TeilnehmerInnen an Demonstrationen, wirksam kriminalisiert. Die Polizei löst friedliche Demonstrationen, die offiziell verboten sind, unter exzessiver Anwendung von Gewalt auf. Drohungen und Einschüchterungsversuche gegen MenschenrechtsverteidigerInnen werden in Verbindung mit legislativen und verwaltungstechnischen Maßnahmen dazu eingesetzt, zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich für Demokratie und Menschenrechte stark machen, zu schließen und die Anmeldung neuer Mitglieder zu verhindern.

JournalistInnen werden geschlagen, misshandelt und entführt, während gleichzeitig die Arbeit der Medien durch gesetzliche Verbote eingeschränkt wird, die es ausländischen Rundfunksendern untersagen, auf aserbaidschanischen Frequenzen zu senden.

Neue Möglichkeiten, vom Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen, wie das Internet und soziale Medien, sind ebenfalls nicht frei nutzbar. BloggerInnen und junge AktivistInnen werden zum Teil aufgrund konstruierter Anschuldigungen drangsaliert und inhaftiert. Die Regierung in Aserbaidschan erwägt derzeit Methoden einzusetzen, mit denen man die Internetnutzung steuern und überwachen könnte. Aus Frustration über die immer stärker werdenden Kontrollmaßnahmen gingen im März und April 2011 hunderte Menschen auf die Straße, um demokratische Reformen und eine stärkere Achtung der Menschenrechte zu fordern. Die Behörden erstickten diese ersten Zeichen von Protesten in der Bevölkerung mit einer neuen Welle an Unterdrückung und Einschüchterungen. Nach den Protesten wurden 14 Personen wegen der Organisation oder der Teilnahme an regierungskritischen Kundgebungen verurteilt. Drei AktivistInnen wurden aufgrund von konstruierten Anschuldigungen festgenommen und inhaftiert: zwei junge Mitglieder der Opposition und ein Menschenrechtsverteidiger. Drei der 17 Gefangenen wurden als gewaltlose politische Gefangene betrachtet und sind freigelassen worden, nachdem Amnesty International eine Kampagne für ihre Freilassung gestartet hatte. Während Aserbaidschan sich auf die Ausrichtung des Eurovision Song Contest im Mai 2012 vorbereitet, befinden sich weiterhin 15 gewaltlose politische Gefangene in Haft. Viele von ihnen wurden nur deshalb inhaftiert, weil sie bei einem Protest im April 2011 friedlich von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht haben.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie nachdrücklich auf, Jabbar Savalan sofort aus dem Militärdienst zu entlassen, da das aserbaidschanische Einberufungsgesetz Studierende bis zum ersten Universitätsabschluss vom Militärdienst freistellt.

- Bitte stellen Sie sicher, dass Jabbar Savalan sein Studium umgehend fortsetzen kann.


APPELLE AN

PRÄSIDENT
Ilham Aliyev
Office of the President of the Azerbaijan Republic
19‍ ‍Istiqlaliyyat Street, AZ1066 Baku
ASERBAIDSCHAN
(korrekte Anrede: Dear President / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 994) 12 492 0625
E-Mail: office@pa.gov.az

OMBUDSFRAU
Elmira Suleymanova
40‍ ‍Uz. Hajibeyov Street
Baku AZ1000, ASERBAIDSCHAN
(korrekte Anrede: Dear Ombudsperson / Sehr geehrte Frau Suleymanova)
Fax: (00 994) 12 498 2365
E-Mail: ombudsman@ombudsman.gov.az


KOPIEN AN

VERTEIDIGUNGSMINISTER
Safar Abiyev
3‍ ‍Parliament Avenue
Baku AZ1073
ASERBAIDSCHAN
Fax: (00 994) 12 439 41 89
E-Mail: mninfo@asumo.baku.az

BOTSCHAFT DER REPUBLIK ASERBAIDSCHAN
S.E. Herrn Parviz Shahbazov
Hubertusallee 43
14193‍ ‍Berlin
Fax: 030-2191 6152
E-Mail: berlin@mission.mfa.gov.az


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Aserbaidschanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. Juni 2012 keine Appelle mehr zu verschicken. Weitere Informationen zu UA-133/2011 (EUR 55/007/2011, 10. Mai 2011 und EUR 55/015/2011, 29. November 2011)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the authorities to release Jabbar Savalan from military service immediately, as Azerbaijan's military draft law exempts undergraduates from conscription.

- Calling on them to ensure that Jabbar Savalan can immediately resume his studies at university.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Nachdem die aserbaidschanischen Presse am 5. März 2012 darüber berichtete, dass Babek Hasanov und Mahammad Majidli während ihrer Verlegung von Gefängnis Nr.16 ins Gefängnis Nr.14 geschlagen wurden, kamen spontan junge AktivistInnen zu einem Protest zusammen. Rund 60 AktivistInnen versammelten sich am Morgen des 6. März nahe der Nationalen Akademie der Wissenschaften im Stadtteil Yasamal der Hauptstadt Baku, um die sofortige Freilassung und ein Ende der Misshandlungen aller gewaltlosen politischen Gefangenen zu fordern. (UA-079/2012)

Am 20. März 2012 wurden zwei Musiker und ein junger Aktivist bei einer Kundgebung, die von verschiedenen Jugendorganisationen organisiert worden war, von PolizeibeamtInnen geschlagen und inhaftiert. Während eines Auftritts des Sängers Jamal Ali und seiner Band, bei dem Jamal Ali ein Schimpfwort benutzte, lief einer der Demonstranten auf die Bühne und fragte Jamal Ali, wen er beleidigen wolle. Bevor Jamal Ali seinen Auftritt fortsetzte, fragte er die ZuschauerInnen: "Was ist an Beschimpfungen auszusetzen? Scheiß auf die Mutter von Ilham (Fuck Ilham's mother), hat irgendwer ein Problem damit?" Als daraufhin Etibar Salmanli, einer der Organisatoren, auf den Sänger zuging und ihn bat aufzuhören, stürzten sich bereits zivile und uniformierte PolizistInnen auf die beiden Männer sowie auf Natig Kamilov, ein weiteres Bandmitglied.

Jamal Ali wurde zu einer Verwaltungshaftstrafe verurteilt. In seiner Zeit in Haft wurde er zweimal misshandelt. Er musste seine Haftstrafe auf einer Polizeiwache ableisten, obwohl das Gesetz vorsieht, dass Personen, die eine Verwaltungshaftstrafe erhalten haben, in eine Justizvollzugsanstalt gebracht werden. (siehe UA-088/2012).

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-133/2011-2, AI-Index: EUR 55/010/2012, Datum: 3. Mai 2012 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2012