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AKTION/1065: Urgent Action - USA (Ohio) - Psychisch kranker Mann soll hingerichtet werden


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-151/2012, AI-Index: AMR 51/039/2012, Datum: 29. Mai 2012 - we

USA (Ohio)
Psychisch kranker Mann soll hingerichtet werden



Herr ABDUL HAMIN AWKAL

Der libanesische Staatsbürger Abdul Hamin Awkal leidet seit vielen Jahren nachweislich unter psychischen Erkrankungen. Am 6. Juni soll er im US-Bundesstaat Ohio wegen eines 1992 begangenen Doppelmordes hingerichtet werden. Der Begnadigungsausschuss hat dem Gouverneur von Ohio empfohlen, das Gnadengesuch abzulehnen. Er muss sich jedoch nicht an diese Empfehlung halten.

Abdul Hamin Awkal kam 1984 im Alter von 24 Jahren aus dem Libanon in die USA. Er wurde 1992 wegen des Mordes an seiner Frau Latife Awkal, die sich von ihm scheiden lassen wollte, und an seinem Bruder Mahmoud Abdul-Aziz zum Tode verurteilt. Die beiden Opfer waren am 7. Januar 1992 in der Schlichtungsstelle eines Familiengerichts in Cleveland, im Bundesstaat Ohio, erschossen worden. Nachdem die Schüsse gefallen waren, wurde Abdul Hamin Awkal noch im Gerichtsgebäude festgenommen. In der Untersuchungshaft verordnete man ihm Neuroleptika und Antidepressiva. Der zuständige Richter befand, dass es Abdul Hamin Awkal wegen der Schwere seiner Depression nicht möglich sei, zu seiner Verteidigung beizutragen und erklärte ihn daher für nicht verhandlungsfähig. Abdul Hamin Awkal wurde in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht, wo er höherdosierte Neuroleptika erhielt und daraufhin für verhandlungsfähig erklärt wurde. Die Rechtsbeistände von Abdul Hamin Awkal sagten dem Richter im Laufe des Prozesses, der Ende 1992 stattfand, dass sich die psychische Verfassung ihres Mandanten verschlechtert habe. Der Richter lehnte jedoch ihren Vorschlag ab, die Verhandlungsfähigkeit von Abdul Hamin Awkal in einer weiteren Anhörung erneut zu bewerten. Abdul Hamin Awkal wurde zum Tode verurteilt. Einer der Geschworenen hat in der Zwischenzeit eine Erklärung unterschrieben, dass er für eine lebenslange Haftstrafe ohne Begnadigungsmöglichkeit gestimmt hätte, wäre dies zur Zeit des Verfahrens möglich gewesen.

Bei der Anhörung vor dem Begnadigungsausschuss des Bundesstaats Ohio am 10. Mai 2012, legten die Rechtsbeistände von Abdul Hamin Awkal Beweismittel vor, die von den traumatischen Erfahrungen zeugten, die er als Jugendlicher während des Bürgerkriegs im Libanon gemacht hatte. Abdul Hamin Awkal war 16 Jahre alt, als der Bürgerkrieg 1975 ausbrach. Außerdem beriefen sie sich auf seine psychische Krankengeschichte, die unter anderem schwere Depressionen und Wahnvorstellungen beinhaltet. Der Psychiater Dr. Phillip Resnick erklärte, dass er bei Abdul Hamin Awkal 2005, 2007 und 2012 eine schizoaffektive Störung festgestellt habe. Dabei handelt es sich um eine schwerwiegende psychische Erkrankung, bei der eine Psychose zusammen mit einer Störung des Gemütszustands auftritt. Weiterhin ging er detailliert auf die "außergewöhnlichen und verfolgungsbesessenen Wahnvorstellungen" von Abdul Hamin Awkal ein. In einem Brief an Gouverneur John Kasich schrieb einer der Rechtsbeistände von Abdul Hamin Awkal: "Abdul Hamin Awkal lebt in einer Wahnwelt" in der er glaube, dass er "Kriege im Irak und Afghanistan angeführt habe", "hochrangige RegierungsbeamtInnen per Post berate", dass er als Antwort verschlüsselte Nachrichten erhalte und dass "die CIA ihn töten wolle", weil er "ihnen nicht mehr helfe". Der Begnadigungsausschuss räumte zwar ein, dass "Abdul Hamin Awkal an einer schizoaffektiven Störung des depressiven Typs leidet", entschied jedoch mit acht Stimmen gegen eine, dass die straferschwerenden Faktoren gegenüber den strafmindernden Umständen überwiegen. Das Mitglied des Begnadigungsausschusses, das für eine Begnadigung gestimmt hat, empfand den geistigen Zustand von Abdul Hamin Awkal während des Verfahrens als "bestenfalls fragil" und glaubt, dass seine Krankheit möglicherweise der Grund dafür war, dass er das Angebot des Staatsanwalts abgelehnt hat, als Gegenleistung für ein Schuldeingeständnis anstelle der Todesstrafe eine lebenslange Haftstrafe zu erhalten. Weiterhin erklärte die Angehörige des Ausschusses, dass sie glaubt, seine Tat sei das Ergebnis "von Wut, die durch seine psychische Erkrankung verstärkt wurde - Verfolgungswahn - und von den Dingen, denen er als Kind ausgesetzt war...in einer Zeit als Waffen und Tod ihn tagtäglich umgeben haben." Sie hob außerdem noch die schlechte Qualität seiner Rechtsvertretung vor Gericht hervor.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich ab. Seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen in den USA im Jahre 1977 wurden dort 1.295 Todesurteile vollstreckt. In Ohio wurden seit 1977 insgesamt 47 Todesurteile vollstreckt. Dieses Jahr sind in Ohio bereits 18 Menschen hingerichtet worden.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE

- Ich bin mir der Schwere des Verbrechens bewusst, das Abdul Hamin Awkal zur Last gelegt wird, und möchte in keiner Weise das dadurch verursachte Leid verharmlosen.

- Ich bitte Sie aber zu berücksichtigen, dass man bei Abdul Hamin Awkal mehrfach schwerwiegende psychische Erkrankungen diagnostiziert hat.

- Bitte berücksichtigen Sie darüber hinaus, dass die Rechtsbeistände von Abdul Hamin Awkal ihn nicht ausreichend vertreten haben.

- Ich spreche mich gegen die Hinrichtung von Abdul Hamin Awkal aus und bitte Sie, seinem Gnadengesuch stattzugeben.


APPELLE AN

GOUVERNEUR DES US-BUNDESSTAATES OHIO
John Kasich
Riffe Center
30th Floor
77 South High Street
Columbus, OH 43215-6117
USA
(korrekte Anrede: Dear Governor / Sehr geehrter Gouverneur)
Fax: (00 1) 614 466 9354
E-Mail: kim.kutschbach@governor.ohio.gov (Stellvertretender Rechtsberater des Gouverneurs, Beratung bei Begnadigungsangelegenheiten, bitten Sie um die Weiterleitung Ihrer E-Mail)


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
S.E. Herrn Philip Dunton Murphy
Pariser Platz 2
10117 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: über http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 6. Juni 2012 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Explaining that you are not seeking to excuse these murders or to downplay the suffering caused.

- Noting that Abdul Awkal has repeatedly been diagnosed with serious mental illness.

- Noting the poor legal representation Abdul Awkal received at trial.

- Opposing the execution of Abdul Awkal and calling on the governor to grant him clemency.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG (AUF ENGLISCH)

In 2009, a three-judge panel of the US Court of Appeals for the Sixth Circuit decided that Abdul Awkal should receive a new trial on the grounds of ineffective assistance of counsel at the original trial at which he had pleaded not guilty by reason of insanity. His lawyer had attempted to present three expert witnesses in support of this defence. The judge found that the first was not a licensed psychologist and therefore excluded his testimony. The second, a court-appointed forensic psychiatrist, testified that he believed Abdul Awkal had been sane at the time of the murders. The third had been practicing psychiatry for about a year, but was not yet certified. The Sixth Circuit panel found that "clearly, Abdul Awkal's counsel's selection of guilt-phase experts was far less than ideal" and that the decision to call the forensic psychiatrist to testify amounted to constitutionally deficient performance.

The state appealed for a rehearing by the full Sixth Circuit. In 2010, the full court reversed the panel decision. Four of the 14 judges dissented: "Any remotely competent attorney knows that an insanity defense relies mainly upon expert testimony regarding the defendant's mental state. But Abdul Awkal's counsel's presentation of expert psychological testimony at the guilt phase sounds like the opening of a bad joke: 'Three defense experts walk into court. One got his degree from a mail-in university, is not licensed, and cannot testify. One is well-credentialed but testifies against the defendant. And the third is not certified in psychiatry. Or perhaps the better analogy is an episode of [the farce act] The Three Stooges. But, however one wishes to describe it, it is clear what counsel's performance was not: the kind of representation constitutionally required in a capital case."

Ohio has become one of the USA's leading death penalty states, having carried out eight per cent of US executions in the past decade (45 out of 546 since January 2002). This has happened at a time when the country appears to be turning against the death penalty. In 2012, Connecticut became the fourth US state in five years to legislate to abolish capital punishment - after New Jersey (2007), New Mexico (2009) and Illinois (2010) - in addition to the demise of the death penalty in New York State. There has been a two-thirds reduction in annual death sentences in the USA since the mid-1990s, a halving in the annual judicial death toll since 1999, and the removal by the US Supreme Court of children (2005) and people with "mental retardation" (2002) from the reach of the executioner. In 2011, the Oregon governor imposed a moratorium on executions, and some 800,000 citizens in California - the state which accounts for one in five of the USA's death row inmates - have endorsed putting abolition to the popular vote. As a result the choice to repeal the death penalty will be on the ballot for California voters at the general election on 6 November 2012. If the initiative is passed, the state's death penalty will be replaced by life imprisonment without the possibility of parole, and a fund of US$100 million will be created for use by law enforcement agencies in investigating murders and rape. This is a very different national picture from when Ohio carried out its first execution in 1999.

In January 2011, Senior Ohio Supreme Court Justice Paul Pfeifer, who when he was a state legislator was a co-author of Ohio's capital statute enacted in 1981, wrote: "I helped craft the law, and I have helped enforce it. From my rather unique perspective, I have come to the conclusion that we are not well served by our ongoing attachment to capital punishment. I ask: do we want our state government - and thus, by extension, all of us - to be in the business of taking lives in what amounts to a death lottery? I can't imagine that's something about which most of us feel comfortable. And, thus, I believe the time has come to abolish the death penalty in Ohio".

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-151/2012, AI-Index: AMR 51/039/2012, Datum: 29. Mai 2012 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2012