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AKTION/1093: Urgent Action - Drohende Verlängerung der Verwaltungshaft - Israel / besetzte palästinensische Gebiete


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-119/2012-4, AI-Index: MDE 15/035/2012, Datum: 21. Juni 2012 - gs

Israel / besetzte palästinensische Gebiete
Drohende Verlängerung der Verwaltungshaft

Weitere Informationen zu UA-119/2012 (MDE 15/023/2012, 27. April 2012, MDE 15/025/2012, 4. Mai 2012, MDE 15/028/2012, 18. Mai 2012 und MDE 15/032/2012, 11. Juni 2012)



Herr HASSAN SAFADI
Herr MAHMOUD AL-SARSAK
Herr BILAL DIAB
Herr OMAR ABU SHALAL
Herr JA'AFAR IZZ AL-DIN

Nachdem Hassan Safadi erfahren hat, dass die israelischen Behörden seine Inhaftierung ohne Anklage um weitere sechs Monate verlängern werden, hat er die Wiederaufnahme seines Hungerstreiks angekündigt. Der Gefangene hatte erst vor wenigen Wochen nach mehr als 70 Tagen Hungerstreik wieder mit der Nahrungsaufnahme begonnen.

Ein für die palästinensische Menschenrechtsorganisation Addameer tätiger Rechtsanwalt erfuhr am 21. Juni von einem palästinensischen Mitgefangenen von Hassan Safadi, dass der israelische Gefängnisdienst (Israel Prison Service - IPS) Hassan Safadi mitgeteilt hat, seine Haft ohne Anklage werde am 29. Juni um weitere sechs Monate verlängert. Als Hassan Safadi daraufhin bekannt gab, er werde seinen Hungerstreik wieder aufnehmen, wurde er aus seiner Zelle herausgeholt und möglicherweise in Einzelhaft verlegt.

Die Gesundheit von Hassan Safadi ist stark angegriffen. Er beendete seinen mehr als zwei Monate währenden Hungerstreik, kurz nachdem die israelischen Behörden nach Verhandlungen mit VertreterInnen der Gefängnisinsassen am 14. Mai zugesichert hatten, die Haftbedingungen zu verbessern. Das im Norden von Israel gelegene Hadarim-Gefängnis, in dem Hassan Safadi inhaftiert ist, verfügt nur über eine medizinische Grundausstattung und kann keine angemessene Versorgung von Hassan Safadi gewährleisten.

Der Rechtsbeistand des Fußballers Mahmoud al-Sarsak, eines Spielers im Nationalteam der Palästinenser, traf am 18. Juni mit dem IPS eine Vereinbarung, auf deren Grundlage Mahmoud al-Sarsak nach 92 Tagen seinen Hungerstreik beendete. Im Gegenzug sicherte der IPS zu, den Gefangenen am 10. Juli aus der Haft zu entlassen. Bis zu diesem Datum wird Mahmoud al-Sarsak im IPS-Krankentrakt der Strafvollzugsanstalt von Ramleh bleiben. Er befindet sich seit nahezu drei Jahren ohne Anklage in staatlichem Gewahrsam.

Bilal Diab, Omar Shalal und Ja'afar Izz al-Din sind nach Beendigung ihres Hungerstreiks Berichten zufolge den Umständen entsprechend bei guter Gesundheit. ÄrztInnen der Nichtregierungsorganisation Physicians for Human Rights - Israel (PHR-Israel) sind allerdings besorgt darüber, dass den drei Gefangenen keine Ernährungsempfehlungen an die Hand gegeben worden sind, um sicherzustellen, dass sie nicht zu viel und zu hastig Nahrung zu sich nehmen. Die drei Männer hoffen, nach Ablauf ihrer derzeitigen Haftanordnungen entlassen zu werden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Aus Protest gegen schlechte Haftbedingungen, wie z. B. Einzelhaft, die Verweigerung von Familienbesuchen und Inhaftierung ohne Anklage traten am 17. April Schätzungen zufolge rund 2.000 palästinensische Gefangene in den Hungerstreik. Am 14. Mai kam es unter ägyptischer Vermittlung zu einer Vereinbarung, die den Hungerstreik beendete. Israel sicherte unter anderem zu, die Isolationshaft von 19 Gefangenen zu beenden - von denen sich einige bereits seit zehn Jahren in Einzelhaft befanden - und das gegen Gefangene aus dem Gaza-Streifen verhängte Verbot von Familienbesuchen aufzuheben. Bislang scheinen jedoch noch keine Familienbesuche stattgefunden zu haben. Zudem soll sich mindestens ein Gefangener weiterhin in Einzelhaft befinden. Trotz Medienberichten, laut denen die israelischen Behörden derzeit anhängige Verwaltungshaftordnungen nicht erneuern wollen, sofern keine neuen belastenden Erkenntnisse bekannt werden, hatte Amnesty International bis Anfang Juni Kenntnis davon erlangt, dass seit dem 14. Mai mehr als 30 Verwaltungshaftanordnungen verlängert und mindestens drei neue Anordnungen ausgestellt worden sind. Mindestens ein Verwaltungshäftling, Samer al-Barq, der sich seit mehr als 30 Tagen im Hungerstreik befindet und dessen Haft am 21. Mai verlängert worden sein soll, verweigert nach wie vor die Nahrungsaufnahme. Laut IPS-Statistiken befanden sich Ende Mai insgesamt 302 PalästinenserInnen in Verwaltungshaft. Bei einigen von ihnen handelt es sich um gewaltlose politische Gefangene, die allein deshalb festgenommen worden sind, weil sie ihre Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit friedlich wahrgenommen haben. Weitere Informationen finden sich in dem im Juni 2012 veröffentlichten Bericht Starved of justice: Palestinians detained without trial by Israel, unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE15/026/2012/en.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich appelliere an Sie, alle Verwaltungshäftlinge, unter ihnen Hassan Safadi, Bilal Diab, Omar Abu Shalal, Ja'afar Izz al-Din und Mahmoud al-Sarsak umgehend freizulassen, es sei denn, sie werden umgehend einer erkennbar strafbaren Handlung angeklagt und in Verfahren vor Gericht gestellt, die den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen.
  • Ich begrüße die Nachricht von der voraussichtlich am 10. Juli zu erwartenden Freilassung des Gefangenen Mahmoud al-Sarsak. Bitte stellen Sie sicher, dass Hassan Safadi und andere lange Zeit im Hungerstreik befindliche Gefangene unverzüglich zur Notversorgung in ein Krankenhaus verlegt werden. Ihre angemessene Behandlung ist nur in einer zivilen Klinik gewährleistet. Veranlassen Sie bitte, dass unabhängige RechtsanwältInnen und VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen Zugang zu den Gefangenen erhalten.

APPELLE AN

STELLVERTRETENDER MINISTERPRÄSIDENT UND VERTEIDIGUNGSMINISTER
Ehud Barak
Ministry of Defence
37 Kaplan Street
Hakirya, Tel Aviv 61909, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 3 69 16940 oder (00 972) 3 69 62757

LEITER DER GEFÄNGNISVERWALTUNG
Lieutenant-General Aharon Franco
Israel Prison Service
P.O.Box 81, Ramleh 72100, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Lieutenant-General / Sehr geehrter Herr Generalleutnant)
Fax: (00 972) 8 919 3800


KOPIEN AN

GENERALANWALT
Brigadier General Danny Efroni
6 David Elazar Street
Hakirya, Tel Aviv, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Judge Advocate General / Sehr geehrter Herr Generalanwalt)
Fax: (00 972) 3 569 4526
E-Mail: avimn@idf.gov.il

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Jaakov Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76
14193 Berlin
Fax: 030 8904 5555
E-Mail: botschaft@israel.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. August 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Israeli authorities to release all administrative detainees immediately, including Hassan Safadi and the others named above unless they are promptly charged with internationally recognizable criminal offences and brought to trial in proceedings that meet international fair trial standards.
  • Welcoming the news that Mahmoud al-Sarsak is expected to be released on 10 July and asking them to ensure that Hassan Safadi, and any other prisoners on prolonged hunger strikes, are immediately admitted to hospital for urgent specialized medical care which is only available in a civilian hospital, and given access to independent lawyers and human rights organizations.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Der am 29. Juni 2011 festgenommene Hassan Safadi begann seinen Hungerstreik am 2. März 2012. Am 7. Mai besuchte ihn ein Arzt der PHR, der anschließend angab, dem Gefangenen werde seit Anfang Mai gegen seinen Willen eine Salz, Glukose und andere Mineralien enthaltende Flüssigkeit injiziert. Bei einem weiteren Besuch am 6. Juni stellte ein Mediziner der PHR fest, dass sich der Gesundheitszustand von Hassan Safadi verbessere, die medizinische Begleitung seiner Heranführung an eine reguläre Nahrungsaufnahme jedoch zu wünschen übrig lasse.

Der im Gaza-Streifen wohnhafte Mahmoud al-Sarsak befindet sich seit dem 22. Juli 2009 auf der Grundlage des Gesetzes über die Internierung ungesetzlicher Kombattanten ohne Anklage in Haft. Am 19. März 2012 trat er aus Protest gegen die Fortdauer seiner Haft in den Hungerstreik. Am 14. Juni wies das Bezirksgericht von Petah Tikva eine Eingabe der Nichtregierungsorganisation Physicians for Human Rights - Israel (PHR-Israel) ab, mit der die Verlegung von Mahmoud al-Sarsak in ein ziviles Krankenhaus beantragt worden war. Die Ausstattung der Krankenstation im Gefängnis von Ramleh ist nicht geeignet, eine angemessene medizinische Versorgung von Insassen zu gewährleisten, die über lange Zeiträume hinweg die Nahrungsaufnahme verweigern. Das Bezirksgericht ließ den Einwand des IPS gelten, dass das Leben von Mahmoud al-Sarsak nicht unmittelbar gefährdet sei und er selbst keine Verlegung wünsche. Zum Gesundheitszustand des Gefangenen sind dem Gericht nach Auskunft von PHR-Israel keine medizinischen Unterlagen übermittelt worden.

Bilal Diab, dessen Festnahme am 17. August 2011 stattgefunden hatte, beendete am 14. Mai nach rund 76 Tagen ohne Nahrung seinen Hungerstreik. Anschließend wurde er in das im Norden von Israel gelegene Shatta-Gefängnis verlegt, in dem auch einer seiner Brüder untergebracht ist, den er seit mehr als fünf Jahren nicht mehr gesehen hat. Kürzlich erhielt die Mutter von Bilal Diab erstmals seit neun Monaten die Erlaubnis, ihren Sohn im Gefängnis zu besuchen. Vier weitere Brüder von Bilal Diab erhielten ebenfalls eine Besuchsgenehmigung.

Omar Abu Shalal, der sich seit dem 15. August 2011 in Haft befindet, nimmt nach 72 Tagen Hungerstreik seit dem 14. Mai wieder Nahrung zu sich. Der am 21. März 2012 festgenommene Ja'afar Izz al-Din beendete seinen Hungerstreik gleichfalls am 14. Mai, nachdem er rund 45 Tage die Nahrungsaufnahme verweigert hatte. Er wurde in das Eshel-Gefängnis verlegt. Das Militärische Berufungsgericht wies mit Datum vom 6. Mai Rechtsmittel von Ja'afar Izz al-Din gegen seine Verwaltungshaft ab, die regulär am 2. Juli ausläuft.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-119/2012-4, AI-Index: MDE 15/035/2012, Datum: 21. Juni 2012 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2012