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AKTION/1124: Urgent Action - VR China, Zhu Chengzhi muss sofort freigelassen werden


ai - URGENT ACTION
UA-NR: UA-191/2012, AI-Index: ASA 17/020/2012, Datum: 11. Juli 2012 - cr

VR China
Zhu Chengzhi muss sofort freigelassen werden



Herr ZHU CHENGZHI

Der Menschenrechtsverteidiger Zhu Chengzhi wurde am 9. Juni wegen Störung der öffentlichen Ordnung für zehn Tage in Verwaltungshaft genommen. Er hätte am 18. Juni freigelassen werden sollen, ist aber in eine Hafteinrichtung gebracht worden und wird dort ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Ihm drohen Folter und andere Misshandlungen.

Der 62-jährige Menschenrechtsaktivist Zhu Chengzhi aus Shaoyang in der Provinz Hunan wurde am 9. Juni nach einem zweitägigen Hausarrest von der Polizei des Bezirks Daxiang mitgenommen. Am darauffolgenden Nachmittag wurde seiner Ehefrau Zeng Qinglian von den Behörden mitgeteilt, dass Zhu Chengzhi wegen Störung der öffentlichen Ordnung für zehn Tage in Verwaltungshaft gehalten und am 18. Juni freigelassen würde. Sie vermutet den Grund für seine Inhaftierung darin, dass er sich weigert, sich schriftlich zu verpflichten, nicht länger eine unabhängige Untersuchung des Todes des Menschenrechtlers Li Wangyang zu fordern. Obwohl noch nicht einmal Anklage gegen ihn erhoben worden war, ließ man ihn am 18. Juni nicht frei, sondern verlegte ihn in eine Hafteinrichtung im Bezirk Shuangqing in Hunan.

Die Polizei holte Zeng Qinglian am 4. Juli zu einer Befragung ab und brachte sie am darauffolgenden Tag wieder zurück zu ihrer Wohnung. Einer verlässlichen Quelle zufolge wurde ihr gesagt, dass man Zhu Chengzhi den Besuch eines Rechtsbeistandes auch dann nicht gestatten würde, wenn Zeng Qinglian jemanden für seine Verteidigung gewinnen könne. Die Familie von Zhu Chengzhi wurde weder über die rechtliche Grundlage noch die geplante Dauer seiner anhaltenden Haft informiert.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am frühen Morgen des 6. Juni erhielt Zhao Baozhu, der Ehemann der Schwester von Li Wangyang, einen Anruf aus dem Krankenhaus, in dem ihm mitgeteilt wurde, Li Wangyang habe auf der Station Selbstmord begangen. Zhao Baozhu und seine Frau Li Wangling begaben sich sofort ins Krankenhaus und fanden Li Wangyangs Leichnam in seinem Krankenzimmer vor. Die Behörden der Stadt Shaoyang behaupten, dass Li Wangyang sich erhängt habe, doch seine Familie und seine FreundInnen stellen das in Frage. Auf Fotografien, die am 6. Juni im Krankenhaus aufgenommen wurden, ist er in einer aufrechten Position zu sehen, sein Blick durch das Fenster nach draußen gerichtet, um seinen Hals ein Stück Stoff, das am Fensterrahmen befestigt ist. Auf diesen Aufnahmen stehen seine Füße jedoch fest auf dem Boden und sein Gesicht weist keine Anzeichen von Erstickung auf. Die Familie kann sich nicht vorstellen, dass ein fast blinder Mann, der ohne Hilfe nicht gehen kann, in der Lage ist, sich zu erhängen.

Die Polizei nahm den Leichnam von Li Wangyang noch am 6. Juni aus dem Krankenhaus mit, obwohl sich die Familie des Toten mit der Begründung dagegen wehrte, dass nicht klar sei, ob die Behörden eine unabhängige Untersuchung des Leichnams zulassen würden. Am 8. Juni wurde ohne das Beisein der Familie oder des Anwalts der Familie eine Autopsie durchgeführt. Am darauffolgenden Tag äscherten die Behörden den Leichnam im Krematorium ein. Nach einer Welle der Empörung im In- und Ausland gab die Polizei der Provinz Hunan am 15. Juni die Einberufung einer Arbeitsgruppe bekannt, die den Tod von Li Wangyang untersuchen sollte. Am 22. Juni hieß es, dass der Autopsiebericht abgeschlossen sei, doch die Behörden weigerten sich, ihn zu veröffentlichen.

Li Wangyang war im Mai 2011 aus dem Gefängnis entlassen worden. Er war eine bekannte Persönlichkeit der Bewegung für die Rechte der ArbeiterInnen, und wurde deshalb in den vergangenen zwei Jahrzehnten von den chinesischen Behörden verfolgt. 1989 war er an der Gründung der unabhängigen Arbeiterorganisation "Autonomer Arbeiterverband Shaoyang" beteiligt, um bessere Arbeitsbedingungen für ArbeiterInnen beispielsweise im Bergbau einzufordern. Im selben Jahr wurde er aufgrund seiner Beteiligung an der Demokratiebewegung von 1989 zu 13 Jahren Haft verurteilt. Nach Angaben aus örtlichen Quellen wurde er während seines Gefängnisaufenthalts mit großer Härte von Gefängniswärtern geschlagen und in Einzelhaft gehalten. Im Juni 1996 brachte man ihn zur Behandlung in ein Krankenhaus, und acht Monate später kam er zurück ins Gefängnis.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, Zhu Chengzhi sofort und bedingungslos freizulassen.
  • Bitte stellen Sie sicher, dass er im Gewahrsam weder gefoltert noch auf andere Weise misshandelt wird.
  • Stellen Sie zudem sicher, dass ihm der Kontakt zu seiner Familie, einem Rechtsbeistand seiner Wahl und der Zugang zu gegebenenfalls benötigter medizinischer Versorgung ermöglicht wird.
  • Sorgen Sie des Weiteren dafür, dass seine Rechte auf Bewegungsfreiheit und freie Meinungsäußerung nach seiner Freilassung geschützt werden.
  • Ich bitte Sie eindringlich, eine Untersuchung der willkürlichen Inhaftierung von Zhu Chengzhi einzuleiten und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
  • Bitte stoppen Sie die willkürlichen Inhaftierungen, Einschüchterungen und Schikanierungen von MenschrechtsanwältInnen und AktivistInnen.
  • Ich fordere Sie darüber hinaus höflich auf, eine unabhängige und unparteiische Untersuchung des Todes von Li Wangyang in die Wege zu leiten und die Ergebnisse zu veröffentlichen.

APPELLE AN

LEITER DES BÜROS FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
DES BEZIRKS SHUANGQING
WEI Min Juzhang
Shaoyang Baoqingzhonglu
Shuangqingqu, Shaoyangshi
Hunan Province
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Director)

MINISTERPRÄSIDENT
WEN Jiabao Guojia Zongli
The State Council General Office
2 Fuyoujie, Xichengqu
Beijingshi 100017
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 86) 10 6596 1109

VORSITZENDER DER STÄNDIGEN AUSSCHUSSES DES
NATIONALEN VOLKSKONGRESSES
WU Bangguo Weiyuanzhang
Quanguo Renda Changwu Weiyuanhui
Bangongting
23 Xijiaominxiang
Xichengqu, Beijingshi 100805
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Chairman / Sehr geehrter Herr Vorsitzender)


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
Herr Nianping Li, Geschäftsträger a.I. (Gesandter)
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: botschaftchina@yahoo.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. August 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the authorities to ensure that Zhu Chengzhi is released immediately and unconditionally.
  • Urging them to guarantee that he will not be tortured or otherwise ill-treated whilst he remains in custody.
  • Urging them to ensure that he has access to his family, legal representation of his choosing and any medical attention he may require.
  • Urging them to ensure that his freedom of movement and expression are protected after he is released.
  • Calling on them to order an investigation into the arbitrary detention of Zhu Chengzhi, and bring those responsible to justice.
  • Calling on them to stop the arbitrary detention, intimidation and harassment of human rights lawyers and activists.
  • Calling on them to order an independent and impartial investigation into Li Wangyang's death, and publish the results.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Li Wangyang wurde aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands im Juni 2000 aus der Haft entlassen. Er reichte bei den Behörden Anträge auf eine Wiedergutmachung ein, um die Kosten seiner medizinischen Behandlung zu begleichen zu können. Doch schon im Mai 2001 wurde er, nachdem er in den Hungerstreik getreten war, erneut inhaftiert. Man bezichtigte ihn der "Anstiftung zum Aufruhr" und verurteilte ihn zu einer zehnjährigen Haftstrafe. Im Mai 2011 kam er schließlich frei.

Am 22. Mai 2012 gab Li Wangyang einer Hongkonger Journalistin ein Interview, in dem er über die Folter berichtete, durch die er erblindet und fast vollständig ertaubt war und sich nun nicht mehr ohne Hilfe bewegen konnte. Nach diesem Interview verstärkten die lokalen Behörden die Kontrolle, indem sie mehr Polizeikräfte vor dem Krankenhaus stationierten.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-NR: UA-191/2012, AI-Index: ASA 17/020/2012, Datum: 11. Juli 2012 - cr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2012