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AKTION/1233: Urgent Action - USA (Texas), Hinrichtung ausgesetzt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-270/2012-1 AI-Index: AMR 51/089/2012 Datum: 19. Oktober 2012 - ar

USA (Texas)
Hinrichtung ausgesetzt

Weitere Aktionen des Eilaktionsnetzes sind derzeit nicht erforderlich. Vielen Dank allen, die Appelle geschrieben haben. Weitere Informationen zu UA-270/2012 (AMR 51/078/2012, 19. September 2012)



ANTHONY HAYNES, 33-jähriger Afro-Amerikaner

Der Oberste Gerichtshof der USA gewährte Anthony Haynes am 18. Oktober zweieinhalb Stunden vor seiner geplanten Hinrichtung im Bundesstaat Texas einen Hinrichtungsaufschub. Er war 1999 für schuldig befunden worden, im Alter von 19 Jahren einen Polizisten, der nicht im Dienst war, ermordet zu haben.

Der 33-jährige Anthony Haynes sollte nach 13 Jahren im Todestrakt am 18. Oktober um 18.00 Uhr Ortszeit im US-Bundesstaat Texas durch die Giftspritze hingerichtet werden. Um etwa 15.30 Uhr teilte der Oberste Gerichtshof mit, er habe sich mit sieben Stimmen und zwei Gegenstimmen für einen Hinrichtungsaufschub entschieden. Damit will das Gericht die nötige Zeit gewinnen, um darüber entscheiden zu können, ob ein Antrag von Anthony Haynes geprüft werden soll. Entscheidet sich das Gericht gegen eine Prüfung, so wird der Aufschub sofort aufgehoben. Aus der gerichtlichen Verfügung geht hervor, dass die Richter Antonin Scalia und Samuel Alito gegen den Hinrichtungsaufschub gestimmt haben. Der Begnadigungsausschuss von Texas hat sich bereits gegen eine Begnadigung ausgesprochen. Anthony Haynes wurde 1999 für schuldig befunden, am 22. Mai 1998 in Houston den Polizisten Kent Kincaid erschossen zu haben. Um ein Todesurteil zu erwirken, musste die Anklagebehörde die Geschworenen überzeugen, dass Anthony Haynes weiterhin eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen würde, auch wenn er im Gefängnis wäre. Obwohl der Angeklagte keine Vorstrafen hatte, auf die sich die Staatsanwaltschaft beziehen konnte, erhielt sie indirekte Unterstützung durch die Verteidigung, die keine der vorliegenden strafmildernden Umstände vorbrachte. So erfuhren die Geschworenen nicht, dass Anthony Haynes an psychischen Erkrankungen leidet, was strafmildernd hätte wirken können. Zudem wurde keine Expertenmeinung eingeholt, die auf sein Alter zum Tatzeitpunkt als strafmildernden Faktor hätte hinweisen können.

Da der vom Gericht benannte Pflichtverteidiger in den Verfahren auf Bundesstaatenebene die Vorwürfe über die mangelhafte Verteidigung des Angeklagten im Gerichtsverfahren nicht angesprochen hat, konnten diese Faktoren in den Berufungsverfahren auf Bundesebene nicht mehr zur Sprache gebracht werden ("procedural default rule"). Im März dieses Jahres fällte der Oberste Gerichtshof der USA jedoch in einem Fall in Arizona - Martinez v. Ryan - ein Urteil, das es Inhaftierten möglich macht, diese Regel zu umgehen, wenn sie in den Berufungsverfahren auf Bundesstaatenebene nur unzulänglich vertreten worden sind. Im September reichte der Rechtsbeistand von Anthony Haynes einen Antrag beim Bezirksgericht ein, in dem er das Gericht vor dem Hintergrund der Entscheidung im Fall Martinez aufforderte, seine Entscheidung aus dem Jahr 2007 rückgängig zu machen. Das Gericht hatte damals entschieden, dass die Vorwürfe über mangelhafte Verteidigung von Anthony Haynes nicht mehr von Bundesgerichten geprüft werden können. Er bat das Bezirksgericht darum, diese Vorwürfe der unzulänglichen gerichtlichen Vertretung bei der Strafzumessung 1999 erneut zu prüfen, da der Strafverteidiger damals nicht in der Lage gewesen sei, die Geschworenen zu überzeugen, dass Anthony Haynes leben solle. Das Bezirksgericht verweigerte am 3. Oktober einen Hinrichtungsaufschub, und auch das zuständige Bundesberufungsgericht (US Court of Appeals for the Fifth Circuit) lehnte den Antrag ab. Dies war zu erwarten, da diese Gerichtsbarkeit bereits in der Vergangenheit die Ansicht vertreten hatte, dass die Entscheidung im Fall Martinez nicht auf Fälle vor texanischen Gerichten zutreffe. Die beim Obersten Gerichtshof eingereichte Antragsschrift argumentiert, dass dieser Standpunkt falsch sei. Der Gerichtshof hat den Hinrichtungsaufschub erwirkt, um über eine Prüfung des Antrags zu entscheiden.

Neben der Antragsschrift liegen den Bundesgerichten Erklärungen dutzender Personen vor, in denen diese aussagen, dass die Tat nicht die ihnen bekannte Persönlichkeit von Anthony Haynes widerspiegelt, den sie als gewaltablehnenden und respektvollen Menschen kennengelernt haben. Viele haben zudem angegeben, sie hätten im Prozess aussagen wollen, seien aber nie von der Verteidigung kontaktiert worden. Weitere Informationen finden Sie in dem englischen Bericht USA: The less than one percent doctrine vom Oktober 2012, unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/084/2012/en

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-270/2012-1 AI-Index: AMR 51/089/2012 Datum: 19. Oktober 2012 - ar
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2012