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AKTION/1333: Urgent Action - Saudi-Arabien, drohendes Apostasieverfahren


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-003/2013, AI-Index: MDE 23/001/2013, Datum: 4. Januar 2013 - mr

Saudi-Arabien
Drohendes Apostasieverfahren



Herr RAIF BADAWI

Ein 25-jähriger Mann steht in Saudi-Arabien aufgrund seiner Website wegen "Apostasie" vor Gericht. Darauf steht die Todesstrafe. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen. Der Gründer der Website "Saudi-arabische Liberale" für eine politische und soziale Debatte, Raif Badawi, ist seit dem 17. Juni 2012 in Briman in Jeddah inhaftiert. Ihm wird zur Last gelegt "eine Website eingerichtet zu haben, die die allgemeine Sicherheit untergräbt" und religiöse Persönlichkeiten des Islam lächerlich gemacht zu haben. Das Verfahren gegen Raif Badawi begann im Juni 2012 vor dem Bezirksgericht von Jeddah und strotzte vor Unregelmäßigkeiten. Nach Angaben seines Anwalts wurde der ursprüngliche Richter durch einen Richter ersetzt, der sich zuvor dafür eingesetzt hatte, dass Raif Badawi wegen "Apostasie" verurteilt wird. Sein Anwalt zieht die Unparteilichkeit des Richters in diesem Fall in Zweifel.

Die Anklagen gegen Raif Badawi beziehen sich auf einen Reihe von ihm verfasster Artikel, darunter auch einen zum Valentinstag. In Saudi-Arabien ist die Feier des Valentinstages verboten. Er wurde beschuldigt, die saudische Kommission zur Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters, die auch als Religionspolizei bekannt ist, am Ende seines Artikels lächerlich gemacht zu haben: "Ich gratuliere uns zum Unterricht in Tugend durch die Kommission zur Förderung der Tugend und zu ihrem Eifer dafür, sicherzustellen, dass alle Mitglieder der saudischen Öffentlichkeit zu den Menschen im Paradies gehören". Die Anklagen gegen Raif Badawi erwähnen auch, dass er es versäumt habe, Artikel anderer VerfasserInnen von der Website zu entfernen, darunter einer, in dem der Autor andeutet, dass die Universität al-Imam Mohamed ibn Saud zu einer "Höhle für Terroristen" geworden sei.

Am 17. Dezember übergab das Bezirksgericht in Jeddah den Fall an das Allgemeine Gericht in Jeddah mit der Empfehlung, Raif Badawi wegen "Apostasie" den Prozess zu machen. Am 22. Dezember 2012 ließ das Allgemeine Gericht Raif Badawi Dokumente unterzeichnen, die die Fortführung seines Verfahrens wegen "Apostasie" ermöglichen. Raif Badawi wurde am 28. Dezember zur Behandlung in ein Krankenhaus gebracht, nachdem bei ihm Diabetes festgestellt worden war.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die saudischen Behörden haben in jüngster Zeit eine Reihe von MenschenrechtsverteidigerInnen und KritikerInnen per Gerichtsverfahren oder durch andere Willkürmaßnahmen wie Reiseverbote zur Zielscheibe gemacht. Die Gerichtverfahren entsprechen in Saudi-Arabien bei weiten nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Den Angeklagten wird nur selten die Vertretung durch einen Rechtsbeistand gestattet und sie werden in vielen Fällen nicht über den Verlauf der Gerichtsverfahren gegen sie in Kenntnis gesetzt. Zudem können sie allein aufgrund von unter Zwang oder Täuschung erpressten "Geständnissen" verurteilt werden. In Saudi-Arabien wird die Todesstrafe für eine Vielzahl von Vergehen, darunter auch "Apostasie" (Abfall vom Glauben) verhängt. Die Kriminalisierung der "Apostasie" ist mit der in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verbrieften Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit unvereinbar. Amnesty International sind in Saudi-Arabien Fälle bekannt, bei denen Menschen, deren Kommentare als gegen den Islam gerichtet eingestuft wurden, zum Teil als Abtrünnige betrachtet und deswegen zum Tode verurteilt wurden. Allein in den vergangenen zwei Jahren sind mehrere Menschen, die auf Twitter oder anderen sozialen Medien Kommentare veröffentlicht haben, festgenommen und der "Apostasie" beschuldigt worden. Einer von ihnen ist Hamza Kashgari, der Saudi-Arabien am 6. Februar 2012 verließ, nachdem er Morddrohungen erhalten hatte, die auf der Anschuldigung einiger Geistlicher gründeten, er habe sich der "Apostasie" schuldig gemacht. Die Geistlichen hatten Hamza Kashgari beschuldigt, über Twitter Bemerkungen veröffentlicht zu haben, die ihrer Ansicht nach den Propheten Mohammed beleidigten.

Einen Tag nachdem Hamza Kashgari das Land verlassen hatte, wies König Abdullah bin Abdul Aziz Al Saud das Innenministerium an, ihn festzunehmen und ihn für seine Aussagen zur Verantwortung zu ziehen. Die malaysischen Behörden, die Hamza Kashgari keiner als Straftat anerkannten Handlung angeklagt hatten, nahmen ihn am 9. Februar auf dem Weg zum Flughafen fest, von wo aus er nach Neuseeland fliegen wollte. Entgegen der Forderungen nationaler und internationaler Organisationen, Hamza Kashgari nicht unter Zwang nach Saudi-Arabien zurückzuführen, lieferten ihn die malaysischen Behörden an Saudi-Arabien aus. Seither befindet er sich in Haft. Amnesty International hat das scharfe saudische Vorgehen gegen die freie Meinungsäußerung und Proteste im Namen der Sicherheit in einem Bericht dargelegt: Saudi Arabia: Repression in the name of security, 1. Dezember 2011,
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE23/016/2011/en

Für weitere Informationen siehe auch die englische Pressemitteilung Saudi Arabia ramps up clampdown on human rights activists vom 18. Juni 2012,
http://www.amnesty.org/en/news/saudi-arabia-ramps-clampdown-human-rights-activists-2012-06-18,
und die Pressemitteilung zu Raif Badawi, Saudi Arabia uses capital offence of 'apostasy' to stifle debate, vom 24. Dezember 2012,
http://www.amnesty.org/en/news/saudi-arabia-uses-capital-offence-apostasy-stifle-debate-2012-12-24


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, Raif Badawi unverzüglich und bedingungslos freizulassen, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung seines Rechtes auf freie Meinungsäußerung in Haft befindet.
  • Ich bitte Sie zudem nachdrücklich, alle Anklagen gegen ihn fallenzulassen und nicht länger Menschen der "Apostasie" zu beschuldigen und sie dafür zu verurteilen, denn dies verstößt gegen die Rechte auf Meinungs- und Religionsfreiheit.

APPELLE AN

KÖNIG
His Majesty
King Abdullah Bin Abdul Aziz Al Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00966) 1 403 3125 (über Innenministerium)

INNENMINISTER
His Royal Highness
Prince Mohammed bin Naif bin Abdul Aziz Al Saud
Ministry of the Interior, P.O. Box 2933, Airport Road
Riyadh 11134, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Royal Highness / Königliche Hoheit)
Fax: (00 966) 1 403 3125


KOPIEN AN

JUSTIZMINISTER
Shaykh Dr Mohammed bin Abdul Kareem Al-Issa
Ministry of Justice
University Street, Riyadh 11137
SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 966) 1 401 1741 oder 1 402 0311

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S.E. Herrn
Prof. Dr. med Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179 oder 030-8892 5176
E-Mail: deemb@mofa.gov.sa


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 18. Februar 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the authorities to release Raif Badawi immediately and unconditionally as he is a prisoner of conscience detained solely for the peaceful exercise of his right to freedom of expression.
  • Urging the authorities to drop all charges against him and desist from charging and convicting people for "apostasy", as it violates the rights to freedom of expression and freedom of religion.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-003/2013, AI-Index: MDE 23/001/2013, Datum: 4. Januar 2013 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2013