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AKTION/1350: Urgent Action - Indien, Umittelbar drohende Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-337/2012-1, AI-Index: ASA 20/004/2013, Datum: 14. Januar 2013 - we

Indien
Umittelbar drohende Hinrichtung

Weitere Informationen zu UA-337/2012 (ASA 20/040/2012, 26. November 2012).



Herr SAIBANNA NINGAPPA NATIKAR

Der indische Staatspräsident hat am 4. Januar das Gnadengesuch von Saibanna Ningappa Natikar abgelehnt. Vierzehn ehemalige Richter hatten ihm zuvor erklärt, dass sie das Todesurteil für unrechtmäßig erachten. Saibanna Ningappa Natikar könnte jederzeit hingerichtet werden.

Das von Saibanna Ningappa Natikar eingereichte Gnadengesuch wurde am 4. Januar vom Staatspräsidenten abgelehnt. Er war 2005 wegen des 1994 begangenen Mordes an seiner zweiten Frau und seiner Tochter zum Tode verurteilt worden. Saibanna Ningappa Natikar war zuvor bereits für den Mord an seiner ersten Frau zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden und befand sich 1994 auf Bewährung in Freiheit. Der Oberste Gerichtshof von Indien hatte 2005 ein von ihm eingelegtes Rechtsmittel abgelehnt.

Vierzehn ehemalige Richter haben den Präsidenten vor kurzem darum gebeten, die Todesurteile gegen Saibanna Ningappa Natikar und zwölf weitere Personen umzuwandeln, weil sie glauben, dass sie zu Unrecht zum Tode verurteilt wurden. Die Richter wiesen darauf hin, dass sich die Begründung für die Bestätigung des Todesurteils gegen Saibanna Ningappa Natikar durch den Obersten Gerichtshof im Jahre 2005 darauf stütze, dass gegen Häftlinge, die zum zweiten mal schuldig gesprochen wurden, eine mit lebenslanger Haft geahndete Straftat begangen zu haben, gezwungenermaßen die Todesstrafe verhängt werden muss. Dies verstößt gegen eine 1983 vom Obersten Gerichtshof getroffene Entscheidung. Der Gerichtshof hatte 2009 einen Fehler bei der Begründung des Urteils gegen Saibanna Ningappa Natikar zugegeben. Von Institutionen und Mechanismen der Vereinten Nationen ist wiederholt erklärt worden, dass eine zwingend vorgeschriebene Auferlegung der Todesstrafe einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt.

Das Gnadengesuch von Saibanna Ningappa Natikar ist bereits das zweite, das seit der Hinrichtung des Mumbai-Attentäters Ajmal Kasab, von Indiens Staatspräsident abgelehnt worden ist. Das Hängen von Ajmal Kasab am 21. November 2012 war die erste Hinrichtung in Indien seit acht Jahren. Die Ablehnung des Gnadengesuchs von Saibanna Ningappa Natikar lässt nun befürchten, dass bald schon weitere Hinrichtungen vollstreckt werden könnten.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Das Hängen von Ajmal Kasab am 21. November 2012 war die erste Hinrichtung in Indien seit acht Jahren. 2004 war zuvor das letzte Todesurteil an Dhananjoy Chatterjee vollstreckt worden. Eine Wiederaufnahme von Hinrichtungen nach einer achtjährigen Unterbrechung läuft regionalen und globalen Entwicklungen zur Abschaffung der Todesstrafe zuwider. Anders als bei der Hinrichtung von Ajmal Kasab haben die indischen Behörden die Öffentlichkeit in der Vergangenheit stets über das Ablehnen von Gnadengesuchen und geplante Hinrichtungstermine in Kenntnis gesetzt. In der vom UN-Menschenrechtsausschuss verabschiedeten Resolution 2005/59 werden Staaten, die noch die Todesstrafe verhängen, aufgefordert, "die Öffentlichkeit über die Verhängung der Todesstrafe und alle festgelegten Hinrichtungstermine zu informieren".

Seit der Übernahme seines Amtes Ende 2012 hat Präsident Pranab Mukherjee bereits zwei Gnadengesuche abgelehnt, das von Ajmal Kasab und das von Saibanna Ningappa Natikar. Außerdem hat er das Todesurteil gegen Herrn Atbir umgewandelt. Offiziellen Angaben zufolge hat der Präsident die Gnadengesuche von dreizehn Männern und einer Frau für eine erneute Überprüfung an das Innenministerium zurückgegeben. Bei den vierzehn Personen handelt es sich um: Herrn Gurmeet Singh, Herrn Dharampal, Herrn Suresh, Herrn Ramji, Herrn Praveen Kumar, Herrn Jafar Ali, Herrn Sanjeev, Frau Sonia, Herrn Sundar Singh, Herrn Mohammad Afzal Guru, Herrn Simon, Herrn Gnanaprakasam, Herrn Madaiah und Herrn Bilavandra. Der Präsident hat mehrere Möglichkeiten mit einem Gnadengesuch umzugehen: Er kann das Gesuch ablehnen, Gnade gewähren und das Todesurteil in eine Haftstrafe umwandeln oder, wie in vielen vorangegangenen Fällen, in absehbarer Zeit gar keine Entscheidung treffen.

Die Anwendung der Todesstrafe in Indien ist von systematischen Formfehlern geprägt. Artikel 303 des indischen Strafgesetzbuches, der die zwingende Auferlegung der Todesstrafe vorsah, wurde 1983 vom Obersten Gerichtshof als verfassungswidrig erachtet und abgeschafft. Das Strafgesetzbuch wurde seitdem jedoch noch nicht überarbeitet, sodass Artikel 303 auch weiterhin darin enthalten ist. Der Oberste Gerichtshofs stellte 2005 fest, dass Saibanna Ningappa Natikar gemäß Artikel 303 verurteilt wurde, obwohl die betreffende Straftat 1994 begangen wurde und Artikel 303 somit bereits mehr als zehn Jahre zuvor für verfassungswidrig erachtet worden war.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, Saibanna Ningappa Natikar nicht hinzurichten und alle weiteren geplanten Hinrichtungen zu verhindern.
  • Bitte wandeln Sie alle bereits verhängten Todesurteile in Haftstrafen um.
  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass die UN-Generalversammlung bereits mehrfach dazu aufgerufen hat, ein Hinrichtungsmoratorium zu erlassen, mit dem Ziel die Todesstrafe ganz abzuschaffen. Die Wiederaufnahme von Hinrichtungen in Indien läuft globalen Entwicklungen zur Abschaffung der Todesstrafe zuwider.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
President Pranab Mukherjee
Rashtrapati Bhavan
New Delhi 110 004, INDIEN
(Anrede: Dear President Mukherjee / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 91) 11 230 172 90 oder (00 91) 11 230 178 24
E-Mail: (über Formular) http://helpline.rb.nic.in/

PREMIERMINISTER
Dr. Manmohan Singh
South Block, Raisina Hill
New Delhi 110 001, INDIEN
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Premierminister)
Fax: (00 91) 11 230 195 45 oder (00 91) 11 230 168 57
E-Mail: (über Formular) http://pmindia.gov.in/feedback.php

INNENMINISTER
Sushilkumar Shinde
104, North Block
Central Secretariat
New Delhi 110001, INDIEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 91) 11 230 942 21
E-Mail: hm@nic.in


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK INDIEN
I. E. Frau Sujatha Singh
Tiergartenstr. 17
10785 Berlin
Fax: 030-2579 5102
E-Mail: dcm@indianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hindi, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 25. Februar 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the authorities to stop plans to execute Saibanna Ningapappa Natikar, or any other execution.
  • Urging them to commute all death sentences to terms of imprisonment.
  • Reminding them that the UN General Assembly has called repeatedly for a moratorium on executions, with a view to abolishing the death penalty, and pointing out that India's decision to resume executions has set it against the global trend towards abolition.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Ein zweiköpfiges Richtergremium des Hohen Gerichtshofs von Karnataka war im Fall von Saibanna Ningappa Natikar zunächst nicht zu einem einstimmigen Urteil gekommen, so dass ein dritter Richter über das eingelegte Rechtsmittel entschied. Er bestätigte das Todesurteil dann. Trotzdem stützte sich das Todesurteil gegen Saibanna Ningappa Natikar weiterhin auf unterschiedliche Gründe. Die vierzehn Richter, die den Präsidenten um eine Umwandlung des Urteils gegen Saibanna Ningappa Natikar baten, haben festgestellt, dass die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in diesem Fall aufgrund von Nachlässigkeit (per incuriam) getroffen wurde, weil die Begründung das Verhängen der Todesstrafe als obligatorisch darstellte. Dies stellt eine Verletzung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahre 1983 dar. Insgesamt haben sich 140 Staaten, das sind über zwei Drittel aller Länder der Welt, in Gesetz oder Praxis gegen die Todesstrafe entschieden. Im Jahr 2011 wurden in nur 21 Staaten Hinrichtungen vollzogen, d. h. in weniger als 10 Prozent der Welt. Von 41 Staaten im asiatisch-pazifischen Raum haben 17 die Todesstrafe vollständig abgeschafft, weitere zehn führen sie in der Praxis nicht mehr durch und Fidschi wendet sie nur noch bei außerordentlichen militärischen Verbrechen an. In den letzten zehn Jahren haben vier asiatisch-pazifische Staaten die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft:

Bhutan und Samoa im Jahr 2004, die Philippinen 2006 und die Cook Inseln 2007. UN-Institutionen und -Mechanismen haben Mitgliedstaaten wiederholt dazu aufgerufen, ein Hinrichtungsmoratorium zu verhängen mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen. Zuletzt wurde dies in der Verabschiedung von drei Resolutionen der UN-Generalversammlung zur Todesstrafe im Dezember 2007, 2008 und 2010 deutlich. Indien hat gegen alle vier Resolutionen gestimmt. In einer allgemeinen Bemerkung des UN-Menschenrechtsausschusses zu Artikel 6 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), dessen Vertragsstaat Indien ist, heißt es, dass Artikel 6 sich "allgemein auf die Abschaffung [der Todesstrafe] in einer Weise bezieht, die sehr nahe legt, dass die Abschaffung wünschenswert ist" und dass "alle Maßnahmen zur Abschaffung der Todesstrafe als Fortschritt im Hinblick auf die Wahrung des Rechts auf Leben betrachtet werden sollten".

Amnesty International wendet sich in allen Fällen und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderer Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt und das Recht auf Leben verletzt.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-337/2012-1, AI-Index: ASA 20/004/2013, Datum: 14. Januar 2013 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2013