Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/1416: Urgent Action - Malediven, Regierung verpflichtet sich zum Schutz von 15-Jähriger


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-055/2013-1, AI-Index: ASA 29/004/2013, Datum: 12. März 2013 - mr

Malediven
Regierung verpflichtet sich zum Schutz von 15-Jähriger



15-JÄHRIGES MÄDCHEN

Die Regierung der Malediven hat sich kürzlich verpflichtet, das 15-jährige Mädchen zu schützen, das ein Gericht der "Unzucht" schuldig befunden und zu Hausarrest und 100 Peitschenhieben verurteilt hatte. Dennoch drohen ihr vorerst weiter Prügelstrafe und Hausarrest und der Schuldspruch hängt belastend über ihr. Am 26. Februar wurde ein fünfzehnjähriges Mädchen von einem Jugendgericht auf den Malediven der "Unzucht" beziehungsweise des außerehelichen Geschlechtsverkehrs für schuldig befunden. Das Mädchen wurde zu acht Monaten Hausarrest und 100 Peitschenhieben verurteilt. Am 28. Februar veröffentlichte die Regierung der Malediven eine Erklärung, dass das Mädchen Opfer von sexuellem Missbrauch ist, und deshalb als Opfer zu betrachten sei und ihre "Rechte" in vollem Umfang geschützt werden sollten. Die Regierung erklärte weiter, dass alle Fälle von Kindesmissbrauch, darunter auch sexueller Missbrauch, durch eine "menschenrechtliche Linse" und "im Sinne des Kindeswohls" betrachtet werden sollten.

Amnesty International begrüßt die Regierungserklärung. Nun muss die Regierung der Malediven zu ihrem Wort und ihren Verpflichtungen stehen und die Rechte der Fünfzehnjährigen in vollem Umfang schützen wie es die internationalen Standards zum Schutz der Menschenrechte garantieren. "Unzucht" gilt nach den internationalen Standards zum Schutz der Menschenrechte nicht als Straftatbestand; das Mädchen hätte also nicht verurteilt werden dürfen. Darüber hinaus stellen Prügelstrafen eine Verletzung des absoluten Verbots von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe dar. Das Mädchen sollte nicht ausgepeitscht werden und die Malediven sollten Prügelstrafen ganz abschaffen. Als Überlebende einer Vergewaltigung hat das Mädchen außerdem das Recht, dass die Regierung ihr angemessene Unterstützungsleistungen gewährt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Das Mädchen war zunächst festgenommen worden, nachdem man im Juni 2012 die Leiche eines von ihr zur Welt gebrachten Säuglings gefunden hatte. Das tote Kind war vor ihrem Haus auf der maledivischen Insel Feydhoo begraben gewesen. Die Behörden stellten fest, dass sie von ihrem Stiefvater vergewaltigt worden war. Dieser wurde daraufhin wegen mehrerer Straftaten angeklagt, unter anderem wegen des Mordes an dem Säugling und wegen der Vergewaltigung einer Minderjährigen. Gegen die Mutter des Mädchens wurde wegen Verdeckung einer Straftat und Mordes ebenfalls Anklage erhoben. Während der Ermittlungsarbeiten stießen die Behörden auf Hinweise, die in einem separaten Fall eine Anklage gegen das Mädchen wegen "Unzucht" zuließen. Die Generalstaatsanwaltschaft erhob daraufhin am 25. November Anklage wegen "Unzucht" gegen die Fünfzehnjährige. Sie wurde am 25. Februar schuldig gesprochen und zu einer Prügelstrafe und Hausarrest verurteilt. Zwar hat sie das Recht, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen, es ist jedoch noch unklar, ob sie Gebrauch von dieser Möglichkeit machen wird.

Aktuellen Medienberichten zufolge handelte es sich bei fast 90 Prozent der Personen, die 2011 der "Unzucht" für schuldig befunden wurden, um Frauen. 2009 drohte mindestens 180 Menschen auf den Malediven wegen "Unzucht" die Vollstreckung der Prügelstrafe. Eine achtzehnjährige Frau, die zu 100 Peitschenhieben verurteilt worden war, verlor nach Vollstreckung der Strafe das Bewusstsein. Amnesty International liegen glaubwürdige Berichte darüber vor, dass die maledivischen Behörden bereits in der Vergangenheit Mädchen der "Unzucht" angeklagt und schuldig gesprochen haben, die daraufhin mit Peitschenhieben bestraft wurden. Einige dieser Mädchen waren zuvor ebenfalls Vergewaltigungen und anderen sexuellen Übergriffen zum Opfer gefallen.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte hat die Regierung der Malediven dazu aufgefordert, die Prügelstrafe abzuschaffen. Sie erklärte, dass eine solche Bestrafung "eine der unmenschlichsten und erniedrigendsten Formen der Gewalt gegen Frauen darstellt". Das Landesteam der Vereinten Nationen auf den Malediven hat ähnliche Bedenken geäußert. Die UN-Sonderberichterstatterin über die Unabhängigkeit von RichterInnen und AnwältInnen forderte die Regierung der Malediven nach ihrem letzten Besuch dazu auf, "Führungsstärke zu zeigen, um die Ausarbeitung und Einführung grundlegender Rechtsvorschriften voranzutreiben, und sicherzustellen, dass der Inhalt dieser Gesetze mit der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte im Einklang steht."


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich begrüße es sehr, dass sich die Regierung verpflichtet hat, den Schutz des Mädchens zu gewährleisten und möchte die Behörden auffordern, umgehend dementsprechend zu handeln.
  • Lassen Sie das Mädchen unverzüglich und bedingungslos frei, beenden Sie ihren Hausarrest und stellen Sie sicher, dass sie nicht ausgepeitscht oder anderweitig bestraft wird.
  • Stellen Sie sicher, dass ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wird, mit dem Ziel, den Schuldspruch wegen "Unzucht" aufzuheben.
  • Sorgen Sie dafür, dass die Fünfzehnjährige Zugang zu ausreichenden und angemessenen Schutzmaßnahmen sowie zu Unterstützungsleistungen erhält.
  • Schaffen Sie die Prügelstrafe ab und sorgen Sie dafür, dass die Rechtsvorschriften, mit denen diese Form der Strafe ermöglicht und "Unzucht" unter Strafe gestellt wird, aus dem maledivischen Gesetz entfernt werden.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Dr. Mohamed Waheed, The President's Office
Boduthakurufaanu Magu, Malé 20113, MALEDIVEN
(Anrede: Dear President / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 960) 332 5500
E-Mail: über das Kontaktformular unter:
http://www.presidencymaldives.gov.mv/Index.aspx?lid=6


KOPIEN AN

AUSSENMINISTER
His Excellency Dr Abdul Samad Abdullah
Ministry of Home Affairs, Block number 77, Henveiru Boduthakurufaanu Magu, MALEDIVEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 960) 332 3841
E-Mail: consular@foreign.gov.mv

GENERALSTAATSANWALT
Ahmed Muizzu
Prosecutor General's Office
Majeedhee Magu
Malé 20040, MALEDIVEN
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 960) 300 0644
E-Mail: pgoffice@pgoffice.gov.mv

BOTSCHAFT DER REPUBLIK MALEDIVEN
I. E. Frau Iruthisham Adam
Chemin Louis Dunant 15 B (2. Stock)
1202 Genève, SCHWEIZ
Fax (00 41) 22 732 63
E-Mail: iruadam@maledivesmission.ch


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Dhivehi, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 23. April 2013 keine Appelle mehr zu verschicken. Weitere Informationen zu UA-055/2013 (ASA 29/001/2013, 28. Februar 2013)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Welcoming the government's commitment to ensuring the protection of the girl, and urging authorities to act on this statement.
  • Urging them to release the girl immediately and unconditionally (including house arrest) and ensure that she is not flogged or otherwise punished.
  • Urging them to ensure that the judicial process is initiated in order to overturn the conviction for "fornication".
  • Urging them to ensure that she has access to adequate and appropriate protective and support services.
  • Urging them to end the practice of flogging as a form of punishment and act to amend Maldivian law to remove the provisions that allow flogging as well as those that criminalise "fornication".

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Der Ausschuss des UN-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) führt aus, dass Regierungen die Pflicht haben, "angemessene Schutz- und Unterstützungsleistungen" für Opfer von Vergewaltigungen und anderen sexuellen Übergriffen zur Verfügung zu stellen. Diese Leistungen können "Rehabilitation, Unterstützung bei der Kinderbetreuung, Unterhalt, Behandlung, Beratung, Gesundheits- und Sozialleistungen, Zugang zu Einrichtungen und Programmen, sowie eine Unterstützungsstruktur" umfassen. "Außerdem sollten jegliche weiteren angemessenen Maßnahmen ergriffen werden, um die Sicherheit und die körperliche und psychologische Rehabilitation der Opfer zu fördern". Es ist nicht bekannt, ob das fünfzehnjährige Mädchen in diesem Fall solche Leistungen erhalten hat. Darüber hinaus legen internationale Standards fest, dass Heranwachsenden die zunehmende Fähigkeit zum Ausdruck ihrer Sexualität eingeräumt werden muss. Kinder, die einvernehmliche sexuelle Beziehungen haben oder Opfer von sexuellen Übergriffen werden, dürfen unabhängig von ihrem Alter nicht strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden.

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-055/2013-1, AI-Index: ASA 29/004/2013, Datum: 12. März 2013 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2013