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AKTION/1492: Urgent Action - Syrien, Vater und Sohn in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-131/2013, AI-Index: MDE 24/023/2013, Datum: 20. Mai 2013 - we

Syrien
Vater und Sohn in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt



SAMEEH BAHRAH, 26 Jahre alt
BASSAM BAHRAH, 52 Jahre alt

Der 26-jährige Medizinstudent Sameeh Bahrah wird seit seiner Festnahme am 30. April an einem unbekannten Ort ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Auch von seinem Vater fehlt seit diesem Tag jede Spur. Die beiden Männer könnten Opfer des Verschwindenlassens geworden sein.

Der Medizinstudent Sameeh Bahrah wurde am 30. April 2013 bei sich zu Hause in al-Mezzeh, einem Stadtteil von Damaskus, festgenommen. AugenzeugInnen aus der Nachbarschaft sagten einem seiner Verwandten, dass zwei uniformierte Männer in einem Kleinbus der Sicherheitskräfte vorfuhren und den 26-Jährigen festnahmen. Es ist nicht bekannt, welcher Sicherheitsbehörde die Männer angehörten.

Bassam Bahrah, der Vater von Sameeh Bahrah, war zuletzt um 14 Uhr desselben Tages gesehen worden, als er das Militärkrankenhaus in al-Mezzeh verließ, in dem er als Zivilangestellter arbeitet. Berichten zufolge versuchte sein Sohn ihn an diesem Nachmittag mehrfach anzurufen, bevor er ihn dann um 16 Uhr endlich erreichte. Bassam Bahrah soll seinem Sohn am Telefon gesagt haben, dass er bald nach Hause komme.

Laut seiner Familie ist Bassam Bahrah bisher jedoch noch nicht wieder aufgetaucht. Seine Angehörigen vermuten, dass man ihn festgenommen hatte, damit er die Behörden zu Sameeh Bahrah führte. Sie glauben weiterhin, dass Sameeh Bahrah wegen seines friedlichen politischen Engagements zum Ziel der Behörden geworden ist, da er in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit bereits zweimal inhaftiert wurde. Sollte Sameeh Bahrah tatsächlich lediglich aufgrund der rechtmäßigen Ausübung seiner Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit inhaftiert worden sein und sollte man Bassam Bahrah nur wegen seines Verwandtschaftsverhältnisses zu seinem Sohn in Haft genommen haben, würde Amnesty International beide Männer als gewaltlose politische Gefangene betrachten.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Sameeh Bahrah setzt sich laut seiner Angehörigen friedlich für politische Themen ein. Im Juli 2012 wurde er zum ersten Mal festgenommen. Offensichtlich war der Grund dafür seine Teilnahme an einer Protestaktion im Stadtteil al-Midan in der Hauptstadt Damaskus. Man hielt ihn 22 Tage lang ohne Kontakt zur Außenwelt in der Palästinensischen Abteilung fest, einer Haftanstalt des militärischen Geheimdienstes in Damaskus, die berüchtigt für die Anwendung von Folter ist. Einige Monate nach seiner Freilassung wurde Sameeh Bahrah erneut festgenommen und vier Tage lang vom Geheimdienst festgehalten, nachdem er an einer Demonstration im Stadtteil al-Amarah teilgenommen hatte.

Amnesty International ist nichts über politische Aktivitäten von Bassam Bahrah bekannt. Er leidet an Diabetes und Bluthochdruck und muss daher täglich Medikamente einnehmen.

Seit Ausbruch der Unruhen im März 2011 führen syrische Regierungstruppen Luft- oder Artillerieangriffe durch, bei denen sie wahllos Zivilpersonen ins Visier nehmen und töten. Sie führen zudem außergerichtliche Hinrichtungen durch und haben bis dato tausende Menschen festgenommen und viele von ihnen gefoltert oder in anderer Weise misshandelt. Trotz der bisher gewährten acht Generalamnestien befinden sich noch viele tausende Menschen in Haft. Die jüngste, am 16. April verhängte Amnestie betraf diejenigen, die wegen Straftaten in Haft waren, die sie vor diesem Datum begangen hatten. Es wurde erwartet, dass dies bis zu 7.000 Inhaftierte beträfe. Doch ähnlich wie bei früheren Amnestien auch sehen sich tausende Personen, die ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Anklage in Haft gehalten werden, oftmals unter Bedingungen, die dem Verschwindenlassen gleichkommen, von dieser Amnestie ausgeschlossen. Bei einigen dieser Inhaftierten handelt es sich um gewaltlose politische Gefangene; viele werden bereits seit Monaten ohne Anklageerhebung festgehalten, andere könnten möglicherweise wegen Verstößen gegen das Antiterrorgesetz von 2012 oder das Strafgesetzbuch angeklagt werden. Dies betrifft unter anderem AktivistInnen, AnwältInnen und humanitäre HelferInnen, von denen einige zum Zeitpunkt der Inhaftierung noch minderjährig waren. Weitere Informationen über Folter und andere Misshandlungen in syrischen Hafteinrichtungen finden Sie in dem Artikel Systematische Folter in Syrien, online unter
http://www.amnesty.de/presse/2012/3/14/systematische-folter-syrien

Amnesty International liegen die Namen von über 1.000 Menschen vor, die seit Beginn der Unruhen in Gewahrsam der syrischen Sicherheitskräfte zu Tode gekommen sind. Weitere englischsprachige Informationen finden Sie in dem Bericht Deadly detention: Deaths in custody amid popular protest in Syria vom 31. August 2011, online unter
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/035/2011/en


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, den Verbleib und das Schicksal von Sameeh Bahrah und Bassam Bahrah bekanntzugeben und den beiden Männern sofort Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen zu gewähren. Stellen Sie sicher, dass sie weder gefoltert noch anderweitig misshandelt werden und jegliche erforderliche medizinische Behandlung erhalten.
  • Ich bitte Sie zudem eindringlich um die Klarstellung des rechtlichen Status von Sameeh Bahrah und Bassam Bahrah. Sollte Sameeh Bahrah sich lediglich aufgrund der friedlichen Ausübung seiner Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit in Haft befinden, und sollte Bassam Bahrah nur wegen der Beziehung zu seinem Sohn inhaftiert worden sein, sind beide Männer als gewaltlose politische Gefangene zu betrachten und müssen unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410 (Bitte sagen Sie "Fax") (Briefe werden derzeit nicht zugestellt. Bitte nur Faxe schicken!)

INNENMINISTER
Major General Mohamad Ibrahim al-Shaar
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 311 0554 (Bitte sagen Sie "Fax") (Briefe werden derzeit nicht zugestellt. Bitte nur Faxe schicken!)

VERTEIDIGUNGSMINISTER
Brigadier General Fahd Jassem al-Freij
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 223 7842 oder (00 963) 11 666 2460
(Bitte sagen Sie "Fax") (Briefe werden derzeit nicht zugestellt.
Bitte nur Faxe schicken!)


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
Frau Abir Jarf
Geschäftsträgerin a. i., Gesandte - Botschaftsrätin
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 1. Juli 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urge the Syrian authorities to reveal Sameeh Bahrah and Bassam Bahrah's whereabouts and fate, grant them immediate access to their family and lawyer and ensure that they are protected from torture or other ill-treatment and given all necessary medical care.
  • Ask for clarification of Sameeh Bahrah and Bassam Bahrah's legal status; if Sameeh Bahrah is held solely for the peaceful exercise of his rights to freedom of expression and assembly and if Bassam Bahrah is held solely on account of his relationship to his son, then they should be released immediately and unconditionally as they would be prisoners of conscience.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die Mehrzahl der von Amnesty International dokumentierten Menschenrechtsverletzungen wurde von den Streitkräften und Milizen der als Shabiha bekannten regierungstreuen Gruppierungen begangen. Doch auch bewaffnete Oppositionskräfte haben sich Menschenrechtsverstößen schuldig gemacht, darunter der Folterung und Tötung gefangengenommener Angehöriger der Armee und der Shabiha sowie auch der Entführung und Tötung tatsächlicher und vermeintlicher RegierungsanhängerInnen und -unterstützerInnen. Außerdem versuchten sie durch die Geiselnahme von Zivilpersonen Gefangenenaustausche herbeizuführen. Amnesty International verurteilt diese Menschenrechtsverstöße scharf und hat die Führungsebene sämtlicher in Syrien operierender bewaffneter Oppositionsgruppen dazu aufgerufen, derartige Handlungen in einer öffentlichen Bekanntmachung zu verbieten und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit oppositionelle Gruppen keine Menschenrechtsverstöße mehr begehen. Lesen Sie hierzu den Bericht Syria: Summary killings and other abuses by armed opposition groups vom 14. März 2013, online unter
http://www.amnesty.org/en/library/asset/MDE24/008/2013/en/8d527c4e-2aff-4311-bad8-d63dbc97c96a/mde240082013en.html

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-131/2013, AI-Index: MDE 24/023/2013, Datum: 20. Mai 2013 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2013