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AKTION/1794: Urgent Action - Pakistan, Menschenrechtsanwalt erschossen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-133/2014, AI-Index: ASA 33/009/2014, Datum: 19. Mai 2014 - dw

Pakistan
Menschenrechtsanwalt erschossen



Herr RASHID REHMAN

Der bekannte Menschenrechtsverteidiger und Anwalt Rashid Rehman ist am 7. Mai in Multan in der Provinz Punjab erschossen worden. Die Tötung steht mit hoher Wahrscheinlichkeit damit im Zusammenhang, dass er den Hochschullehrer Junaid Hafeez, der wegen Blasphemie angeklagt ist, vor Gericht vertrat. Die pakistanischen Behörden müssen die Täter_innen zur Rechenschaft ziehen und alle Anklagen gegen Junaid Hafeez fallenlassen.

Der bekannte Anwalt und Menschenrechtsverteidiger Rashid Rehman ist am 7. Mai vor den Augen seiner Kolleg_innen in seinem Büro in der Stadt Multan in der Provinz Punjab erschossen worden. Auf einen der Rechtsanwälte, mit denen er zusammenarbeitete, und einen Mandanten wurde ebenfalls geschossen. Beide wurden schwer verletzt. Ein Zeuge gab an, dass zwei junge Männer Rashid Rehmans Büro, das sich im Gebäude der pakistanischen Menschenrechtskommission (Human Rights Commission of Pakistan - HRCP) an der vielbefahrenen Kutcheri-Straße befindet, betraten und mehrere Schüsse abfeuerten. Rashid Rehman wurde von fünf Kugeln getroffen und starb in einem Krankenwagen auf dem Weg ins Krankenhaus.

Rashid Rehman hatte seit mehr als 20 Jahren mit der HRCP zusammengearbeitet und war ein regionaler Koordinator für Multan in Punjab. Trotz der Risiken und Drohungen übernahm Rehman den Fall von Junaid Hafeez, einem Englischdozenten an der Bahauddin-Zakriya-Universität in Multan. Junaid Hafeez wurde von einer religiösen studentischen Gruppe der Blasphemie beschuldigt, nachdem er vermeintlich blasphemische Kommentare auf seine Facebook-Seite gestellt hatte. Im Laufe von Anhörungen am 9. April wurde Rehman in Anwesenheit des für die Verhandlung gegen Junaid Hafeez zuständigen Richters offen von einigen Männern bedroht, unter anderem von einem Staatsanwalt. Der HRCP zufolge sagten die Männer: "Du wirst nächstes Mal nicht vor Gericht erscheinen, weil du nicht mehr existieren wirst." Der Richter unternahm angesichts dieser drastischen Drohungen nichts, sodass die HRCP eine Beschwerde an den Ministerpräsidenten von Punjab und die Polizei in Multan richtete, in der sie Sicherheitskräfte zu seinem Schutz anforderten. Dieser Forderung wurde nicht entsprochen. Die Polizei hat nicht einmal die Personen befragt, die die Morddrohungen aussprachen, obwohl Rashid Rehman sie identifizierte. Nach der Tötung nahm die Polizei in Chehlyak Multan einen Fall gegen "unbekannte Täter_innen" auf, obwohl sich der Vorfall vor mehreren Augenzeug_innen ereignete. Die Polizei hat bisher noch nicht gegen die mutmaßlichen Täter_innen ermittelt, die einer extremistischen religiösen Gruppe angehören sollen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die pakistanischen Blasphemiegesetze haben zu einem Klima religiös motivierter Gewalt beigetragen, in dem sowohl religiöse Minderheiten als auch Muslim_innen verfolgt werden. Die Gesetze werden häufig dazu eingesetzt, unbegründete Anschuldigungen zu erheben mit dem Ziel, persönliche Rechnungen in Land- und Geschäftsstreitigkeiten zu begleichen. Die Blasphemiegesetze sind sehr vage formuliert, sodass die Polizei und die Justizbehörden sie oft sehr willkürlich auslegen. Häufig werden sie angewandt, um religiöse Minderheiten, aber auch die muslimische Mehrheit, zu drangsalieren und politisch zu verfolgen. In der Vergangenheit hat es häufig Fälle gegeben, in denen Personen, die wegen Blasphemievorwürfen inhaftiert waren, im Gefängnis von Mitinsass_innen oder Beamt_innen getötet worden sind. Auch Personen, die nicht inhaftiert waren und der Blasphemie beschuldigt wurden, sind in der Vergangenheit von Gruppen, die sich der Selbstjustiz verschrieben haben, getötet worden.

Die Beleidigung des islamischen Propheten Mohammed ist laut Paragraf 295-C des pakistanischen Strafgesetzbuchs mit der Todesstrafe zu ahnden: "Wer durch geschriebene oder gesprochene Worte, durch sichtbare Zeichen, eine mittelbare oder unmittelbare Unterstellung, versteckte Anspielung oder Andeutung den geheiligten Namen des heiligen Propheten Mohammed (der Friede sei mit ihm) besudelt, ist mit dem Tode oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe sowie gegebenenfalls auch durch Verhängung einer Geldbuße zu bestrafen". Das Bundes-Schariagericht, das unter anderem die Aufgabe hat, Gesetze auf ihre Konformität mit der islamischen Lehre zu überprüfen, befand 1991, dass Blasphemie mit dem Tode und nicht mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu bestrafen sei. Im Januar 2014 bestätigte es diese Entscheidung.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte stellen Sie die Personen, die für die Tötung Rashid Rehmans verantwortlich sind, in fairen Gerichtsverfahren unter Verzicht auf die Todesstrafe vor Gericht und stellen Sie dabei sicher, dass die Zeug_innen sowie die Angehörigen und Kolleg_innen von Herrn Rehman angemessen vor Schikane und Menschenrechtsverletzungen geschützt werden.
  • Lassen Sie die Anklagen gegen Junaid Hafeez umgehend und bedingungslos fallen und gewährleisten Sie seine Sicherheit sowie die seiner Familie und seiner Rechtsbeistände. Es bereitet mir Sorge, dass mehrere Personen nach Anklagen wegen Blasphemie bereits angegriffen oder getötet worden sind, darunter auch Personen, die in solchen Fällen als Rechtsbeistand fungierten.
  • Ich bin beunruhigt, dass die derzeitigen Blasphemiegesetze gegen das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung verstoßen und genutzt werden, um persönliche Streitigkeiten zu begleichen und sowohl gegen Muslim_innen als auch gegen religiöse Minderheiten vorzugehen. Um dem vorzubeugen, fordere ich Sie auf, die Blasphemiegesetze zu ändern oder abzuschaffen.

APPELLE AN

MINISTERPRÄSIDENT PAKISTANS
Nawaz Sharif
Prime Minister House, Pakistan
Secretariat, Constitution Avenue,
Islamabad, PAKISTAN
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 92) 51 922 0404
E-Mail: info@pmo.gov.pk

MINISTERPRÄSIDENT VON PUNJAB
Mian Mohammad Shahbaz Sharif
Chief Minister's Office
7, Club Road, GOR I
Lahore, PAKISTAN
(Anrede: Dear Chief Minister Sharif / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident von Punjab)
Fax: (00 92) 42 9920 4301


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK PAKISTAN
S. E. Herrn Syed Hasan Javed
Schaperstr. 29
10719 Berlin
Fax: 030 2124 4210
E-Mail: mail@pakemb.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Urdu, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 30. Juni 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urgently bring the individuals responsible for the killing of Rashid Rehman to justice in fair trials without recourse to the death penalty, ensuring witnesses and Rehman's relatives and colleagues are adequately protected from harassment and abuse.
  • Calling on them to immediately and unconditionally drop the charges against Junaid Hafeez and guarantee the safety of him, his family and his legal representatives, expressing concern that several individuals have been attacked and some killed following charges of blasphemy, including those who defend such cases.
  • Expressing concern that the current blasphemy laws violate the right to freedom of thought and expression, conscience and religion, are used maliciously to settle personal disputes and target Muslims and religious minorities alike, and urging the government to amend or abolish the blasphemy laws to prevent this.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

In Artikel 18 und 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist festgelegt, dass jeder das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Meinungsfreiheit sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung hat. In internationalen Menschenrechtsabkommen ist vorgesehen, dass jeder bei der Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen ist, die das Gesetz vorschreibt und die notwendig und angemessen sind, um unter anderem die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer zu sichern.

Im Allgemeinen Kommentar 34 des UN-Menschenrechtsausschusses, der die Einhaltung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) durch die Vertragsstaaten überwacht, heißt es, dass "Blasphemiegesetze und Gesetze, die den Mangel an Respekt gegenüber einer Religion oder einem Glaubenssystem unter Strafe stellen, mit dem IPbpR unvereinbar sind." Es sei denn es handelt sich um einen Fall nach Artikel 20(2) des IPbpR: "Jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, wird durch Gesetz verboten." Diese Gesetze dürfen jedoch nach Ansicht des UN-Menschenrechtsausschusses keinesfalls bestimmte Religionen oder Glaubenssysteme bevor- und benachteiligen. Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Tat, wegen der die Person verurteilt wurde, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-133/2014, AI-Index: ASA 33/009/2014, Datum: 19. Mai 2014 - dw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2014