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AKTION/585: Urgent Action - Iran - Gefangenem droht Folter


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-069/2011, AI-Index: MDE 13/029/2011, Datum: 11. März 2011 - ar

IRAN
Gefangenem droht Folter


SAYED ZIAODDIN (ZIA) NABAVI, Studentenaktivist

Am 24. Februar 2011 wurde der Studentenaktivist und gewaltlose politische Gefangene Sayed Ziaoddin (Zia) Nabavi ohne Vorankündigung aus seiner Zelle des Gefängnisses in Ahvaz im Südwesten des Iran abgeholt, vermutlich von Angehörigen des Geheimdienstministeriums. Derzeit befindet er sich an einem unbekannten Ort und läuft Gefahr, gefoltert zu werden.

Zia Nabavi wurde am 24. Februar ohne vorherige Ankündigung aus dem Karoun-Gefängnis in Ahvaz abgeholt. Möglicherweise wurde er in eine unbekannte Hafteinrichtung unter Leitung des iranischen Geheimdienstministeriums überstellt. Über diese Einrichtungen hat die Justiz keine Kontrolle. Personen, die dort festgehalten werden, sind daher besonders von Folter und anderen Formen der Misshandlung bedroht. Die Umstände der Verlegung von Zia Nabavi erfüllen möglicherweise den Tatbestand des Verschwindenlassens.

Amnesty International betrachtet Zia Nabavi als gewaltlosen politischen Gefangenen, der nur deshalb inhaftiert ist, weil er im Rahmen von Veranstaltungen des "Rats für die Verteidigung des Rechts auf Bildung" friedlich von seinen Rechten auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht hat. Er wurde am 14. Juni 2009 festgenommen, nachdem er an einer Protestkundgebung teilgenommen hatte, die sich gegen die Ankündigung richtete, dass der amtierende Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Präsidentschaftswahlen gewonnen habe. Seitdem befindet er sich in Haft. Im Januar 2010 war er zu einer 15-jährigen Haftstrafe verurteilt worden. Im Mai 2010 wurde das Strafmaß auf zehn Jahre im inneriranischen Exil reduziert.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der "Rat für die Verteidigung des Rechts auf Bildung" ist ein Gremium, das 2009 von Studierenden gegründet wurde, die aufgrund politischer Aktivitäten oder wegen Zugehörigkeit zur religiösen Minderheit der Baha'i von ihrem Studium ausgeschlossen wurden. Zia Nabavi wurde bereits 2007 einmal festgenommen. Damals war er Student an der Universität von Mazandaran und hatte an einem Sitzstreik gegen die Festnahme eines anderen Studierenden teilgenommen. Im Zuge dessen wurde ihm auch die Wiederaufnahme seines Studiums untersagt. Zia Nabavi war ursprünglich zu drei Jahren Haft wegen "Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit", zu einem Jahr Haft wegen "Propaganda gegen das System", zu einem weiteren Jahr Haft wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" sowie zu zehn Jahren Haft wegen "Feindschaft zu Gott" verurteilt worden. Letzteres wurde mit seinen mutmaßlichen Verbindungen zu der verbotenen politischen Gruppierung der Volksmudschaheddin (People's Mojahedeen Organization of Iran - PMOI) begründet. Die Strafe sollte im inneriranischen Exil in Izeh in der Provinz Khuzestan verbüßt werden. Er wurde außerdem wegen "Schüren von Unruhe im öffentlichen Bewusstsein" zu 74 Peitschenhieben verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde Zia Nabavi von den ersten beiden Anklagepunkten freigesprochen, die zehnjährige Haftstrafe wegen "Feindschaft zu Gott" wurde jedoch bestätigt. Das iranische Strafgesetzbuch sieht für eine Verurteilung wegen "Feindschaft zu Gott" vier mögliche Arten der Bestrafung vor; eine davon ist Verbannung, was normalerweise Inhaftierung im inneriranischen Exil bedeutet. Häftlinge werden zur Verbüßung ihrer Haftstrafe in abgelegene Gegenden geschickt, weit weg vom Wohnort ihrer Familie. Regelmäßige Besuche von Familienangehörigen und Freunden werden damit unmöglich, da die Anreisezeit in der Regel über einen Tag in Anspruch nimmt. Zia Nabavi wurde zu einer zehnjährigen Haftstrafe im inneriranischen Exil in Ahvaz verurteilt - über 600 Kilometer von seiner Familie in Semnan im Norden des Landes entfernt. Zia Nabavi berichtete, während seines Verhörs geschlagen, getreten, beschimpft und gedemütigt worden zu sein. Seine hohe Gefängnisstrafe scheint zum Teil damit zusammenzuhängen, dass er Verwandte hat, die in von der PMOI geführten Camps im Irak leben. Zia Nabavi betont, dass er keine persönlichen Verbindungen zur PMOI unterhalte. Er habe niemals Kontakt mit der PMOI gehabt und sei immer darauf bedacht gewesen, einen solchen Eindruck auch nicht zu erwecken. Seine Kusine Atefeh Nabavi wurde zur gleichen Zeit festgenommen wie er und verbüßt eine vierjährige Haftstrafe im Teheraner Evin-Gefängnis. Zia Nabavi war zunächst auch im Teheraner Evin-Gefängnis festgehalten worden, wurde dann aber im September 2010 in das Karoun-Gefängnis verlegt, was für seine Familie eine 48-stündige Anreise bedeutete. Seinen Aussagen zufolge soll er bei seiner Ankunft geschlagen worden sein, und die Haftbedingungen sollen sehr schlecht sein.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Geben Sie umgehend den Aufenthaltsort von Sayed Ziaoddin (Zia) Nabavi preis. Gestatten Sie ihm außerdem, unverzüglich Kontakt mit seiner Familie und seiner rechtlichen Vertretung aufzunehmen, und gewähren Sie ihm angemessene medizinische Versorgung.

- Sorgen Sie bitte dafür, dass Sayed Ziaoddin (Zia) Nabavi in Haft weder gefoltert noch auf andere Weise misshandelt wird.

- Ich möchte meine Sorge darüber ausdrücken, dass die Umstände der Verlegung von Sayed Ziaoddin (Zia) Nabavi aus dem Karoun-Gefängnis in eine unbekannte Hafteinrichtung den Tatbestand des Verschwindenlassens erfüllen könnten.

- Ich weise Sie höflich darauf hin, dass Sayed Ziaoddin (Zia) Nabavi ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der nur wegen seiner friedlichen Menschenrechtsaktivitäten festgehalten wird, und der deshalb sofort und bedingungslos freigelassen werden sollte. Ich fordere Sie daher dringend auf, sein Urteil umgehend zu überprüfen und unter Umständen aufzuheben.


APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid Keshvar Doust Street, Tehran,
IRAN (korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: info_leader@leader.ir; Über die Website:
http://www.leader.ir/langs/en/index.php?p=letter (Englisch)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[C/o] Public Relations Office
Number 4, 2 Azizi Street
Vali Asr Ave., above Pasteur Street intersection
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: bia.judi@yahoo.com (Betreff: FAO Ayatollah Sadegh Larijani)


KOPIEN AN

LEITER DER IRANISCHEN BEHÖRDE FÜR MENSCHENRECHTE
Mohammad Javad Larijani
High Council for Human Rights
[C/o] Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhouri,
Tehran 1316814737, IRAN
(korrekte Anrede: Dear Sir)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir
(Betreff: FAO Mohammad Javad Larijani)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 30. März 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the Iranian authorities to immediately disclose Sayed Ziaoddin (Zia) Nabavi's whereabouts, to allow him to communicate with his family and his lawyer without delay and to grant him adequate medical care.

- Urging the authorities to ensure that he is not subjected to torture or other ill-treatment.

- Expressing concern that the circumstances of Sayed Ziaoddin (Zia) Nabavi's transfer from Karoun Prison to an unknown place of detention may amount to an enforced disappearance.

- Stressing that he is a prisoner of conscience held solely for his peaceful human rights activities, and should be immediately and unconditionally released, and urging the authorities accordingly to review his conviction as a matter of urgency with a view to overturning it.


WEITERE HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die iranischen Behörden behaupten, dass die PMOI und andere Gruppen die Demonstrationen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl 2009 organisiert haben und dass die PMOI außerdem für die Proteste vom 14. Februar 2011 verantwortlich sei. Sie geben der PMOI zudem die Schuld am Tod zweier Demonstranten. Die PMOI streitet all diese Anschuldigungen ab.

Personen, die von Angehörigen des Geheimdienstministeriums oder anderen Geheimdienststellen der iranischen Sicherheitskräfte festgenommen werden, werden routinemäßig in Hafteinrichtungen festgehalten, die sich der Kontrolle der Justiz entziehen. Das können entweder Abteilungen von Gefängnissen sein (wie z.B. Abteilung 209 und Abteilung 2A des Evin-Gefängnisses), oder so genannte "Safe Houses" ("sichere Häuser"). Obwohl die iranische Verfassung bestimmt, dass eine provisorische Akte den zuständigen Justizbehörden spätestens nach 24 Stunden zugeleitet werden muss, kommt es häufig vor, dass Familien von Inhaftierten tage-, wochen- oder gar monatelang bei Gefängnissen, Staatsanwaltschaft und Gerichten um Informationen über deren Verbleib und um einen Besuchstermin bitten müssen. Ganz besonders schwierig ist es für Familienangehörige von Personen im inneriranischen Exil, etwas über deren Schicksal zu erfahren, da man für gewöhnlich persönlich bei den verschiedenen Einrichtungen vorsprechen muss, um Informationen zu erhalten. Für Gefangene im inneriranischen Exil besteht ein besonders hohes Risiko, gefoltert oder auf andere Weise misshandelt zu werden. Laut Völkerrecht ist das Verschwindenlassen ausdrücklich verboten und wird in internationalen Abkommen definiert als "die Festnahme [...] durch Bedienstete des Staates [...], gefolgt von [...] der Verschleierung des Schicksals oder des Verbleibs der verschwundenen Person, wodurch sie dem Schutz des Gesetzes entzogen wird".


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-069/2011, AI-Index: MDE 13/029/2011, Datum: 11. März 2011 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2011